Kreistag Altenkirchen regt Tele-Notarzt-System für Verbesserung der Notfallversorgung an
Die medizinische Notfallversorgung auf dem Land ist hin und wieder problematisch: Nicht nur die teils langen Anfahrtswege, auch nicht besetzte Stellen der speziellen Mediziner sind bekannte Schwachpunkte. Für den Bereich der integrierten Leitstelle Montabaur könnte ein Tele-Notarzt-System eine Verbesserung der Situation bedeuten.
Altenkirchen. Die Kommunikationstechnik wird dank 5-G-Netz und Glasfaserverkabelungen für fixes Internet auch im Westerwald immer leistungsfähiger. Das kann für die Notfall-Medizin genutzt werden. Der Altenkirchener Kreistag erteilte vor dem Hintergrund dieser Möglichkeit in seiner Sitzung am späten Montagnachmittag (19. Juni) Landrat Dr. Peter Enders einstimmig und vorbehaltlich der Zustimmung der Kreistage der weiteren drei rechtsrheinischen Landkreise Neuwied, Rhein-Lahn und Westerwald das Okay, den Aufbau eines Telenotarzt-Systems für den Bereich der integrierten Leitstelle Montabaur zu prüfen und vorzubereiten. Fördermöglichkeiten durch Programme von Bund und Land müssen eruiert werden. Insbesondere soll geklärt werden, ob das Land Rheinland-Pfalz neben dem Pilotprojekt in Ludwigshafen ein weiteres in diesem Fall in einem ländlichen Raum unterstützt. Bekanntlich ist die Versorgung von Patienten in einem medizinischen Notfall nicht immer nach Vorschrift gegeben, obwohl in einigen Gebieten bereits „First Responder“ bei der allerersten Betreuung der Erkrankten helfen, die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes mit grundlegenden Maßnahmen zu überbrücken. Ausgangspunkt für die Erörterung der Thematik war eine Anfrage der CDU-Fraktion in der Sitzung des Kreisausschusses am 27. März. Enders warb bereits bei seinen Amtskollegen in Bad Ems, Neuwied und Montabaur für die Einführung eines solchen Systems auf Ebene der Leitstelle, die für die vier rechtsrheinischen Kreise zuständig ist. Er habe nur positive Rückmeldungen erhalten, berichtete Enders, die therapiefreie Zeit werde verkürzt, der Tele-Notarzt könne audiovisuell eingreifen. In vielen Jahren sei eine solche Stelle Standard.
Notfallversorgung in Gefahr
Michael Wäschenbach (CDU) zeigte sich sehr froh, dass Enders die Idee der CDU aufgegriffen habe. Denn die Notfallversorgung sei insgesamt in Gefahr. Aber: „Der Tele-Notarzt ist kein Substitut für einen richtigen Notarzt, sondern lediglich eine Ergänzung“, merkte er an. Grundsätzlich seien Ärzte das A und O einer sicheren medizinischen Versorgung auf dem Land. „40 bis 60 Prozent der Notarzteinsätze sind gar keine“, merkte Dr. Klaus Kohlhas (FDP) an, auch er beschrieb den Mangel an qualifizierten Notärzten. Bei der Finanzierung eines solchen Tele-Notarztsystems gelte es, die Kassenärztliche Vereinigung mit ins Boot zu holen, weil diese davon profitieren werde. „Wir wollen, dass das geprüft wird“, meinte Bernd Becker (SPD) und war sich sicher, dass der „Teufel im Detail“ stecken werde. Ebenfalls als Ergänzung zur notärztlichen Versorgung wertete Anna Neuhof (Bündnisgrüne) die Überlegung. Es gelte auch, Rechtssicherheit für die Männer und Frauen, die im Rettungsdienst arbeiten, zu schaffen. Auf keinen Fall dürften Notärzte und Notarztstandorte eingespart werden.
Vielversprechende Ergebnisse
Der Springer Medizin Verlag hatte im vergangenen Jahr eine umfangreiche Erhebung veröffentlicht, die den Ausbaustand von Tele-Notarzt-Systemen im deutschen Rettungsdienst beleuchtet. Die wesentlichen Punkte, die für ein solches System sprechen, lassen sich zusammenfassen: „Im Bereich der Notarztversorgung zeigen Pilotprojekte rund um so genannte Tele-Notärzte vielversprechende Ergebnisse. Dabei wird bei Rettungsdiensteinsätzen ein Notarzt bei Bedarf live in den Rettungswagen geschaltet und erhält Zugriff auf die Patientendaten, insbesondere wenn der bodengebundene Notarzt bereits im Einsatz ist und ein weiter entfernt gelegener Notarzt verständigt werden muss. So kann schnell eine Diagnose gestellt und das so genannte arztfreie Intervall verkürzt werden. Fahrtwegverluste und Fehleinsätze werden reduziert und eine reibungs- und lückenlosere ärztliche Betreuung gewährleistet. Paralleleinsätze sind für den Tele-Notarzt, unter Anwendung entsprechender Priorisierung, möglich. Der Tele-Notarzt erhöht die Rechtssicherheit für das Rettungsdienstpersonal während der Telekonsultation.“
Musikschule erhöht Gebühren
Die kreiseigene Musikschule wird, so die Zusammenkunft einstimmig, die Gebühren für den Unterricht vom 1. August an (Beginn Schuljahr 2023/2024) um 3 Euro erhöhen (Steigerung um 5,3 Prozent). Mit diesem Schritt sollen Mehreinnahmen in Höhe von 35.000 bis 40.000 Euro pro Schuljahr generiert werden. Darüber hinaus wurden in die neue Gebührensatzung inhaltliche und redaktionelle Anpassungen eingearbeitet. Ebenfalls ohne Widerspruch wurde die Änderung der Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen aus der Kreiskasse zu den Baukosten für Kindertagesstätten (Kita) auf den Weg gebracht. Waren bisher 40 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten bis zu einer definierten Obergrenze die Regel, fällt die Deckelung nunmehr flach, zahlt der Kreis nach wie vor 40 Prozent der Gesamtsumme, nachdem der Landeszuschuss abgezogen wurde. Bezuschusst werden auch Um- und Ersatzbaumaßnahmen. Sanierungen werden indes nicht finanziell unterstützt. Diese Kosten gehen ganz allein mit dem Träger der Einrichtung nach Hause. Hintergrund der Änderung ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz als Folge der Klage einer Verbandsgemeinde, für die nach der 40-Prozent-Regel mit Obergrenze lediglich ein Zuschuss in Höhe von 11,6 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten übrig geblieben war.
Zwei Aufträge vergeben
Die Firma Gebrüder Schmidt AG aus Kirchen baut die K 66 in der Ortsdurchfahrt Wissen aus. Dafür erhält sie vom Kreis 2.656.687 Euro für den Straßenbau. Weiter am Projekt beteiligt sind die Stadt Wissen mit den Nebenanlagen für 822.562 Euro und einem Wirtschaftswegebau für 121.743 Euro, die Stadtwerke Wissen mit Kanalarbeiten für 1.905.324 Euro und Anschlüssen für Wasser, Gas und Glasfaser für 307.794 Euro sowie Energienetz Mitte mit der Stromversorgung für 360.355 Euro, so dass unter dem Strich 6.174.465 Euro stehen. Nach Fertigstellung wird ein Abschnitt der Strecke zur Gemeindestraße herabgestuft. Die Oberflächenverstärkung der K 74 zwischen Katzwinkel und Nimrod übernimmt die Firma Dr. Fink-Stauf (Much) für 562.970 Euro. Der Kreisanteil macht 491.198 Euro, der der Stadtwerke Wissen 31.782 und der der Ortsgemeinde Katzwinkel 39.990 Euro aus. Beide Vergaben erfolgten jeweils einstimmig.
Jugendliche für Politik interessieren
Einstimmig bei zwei Enthaltungen gab das Gremium auf Antrag der SPD-Fraktion grünes Licht für die Bildung einer Arbeits- und Findungskommission, die sich aus Vertretern des Kreisjugendrings, der offenen Jugendpflege, der Kreisschülervertretung, der Verwaltung und den Kreistagsfraktionen zusammensetzt. Sie soll Ziele, Maßnahmen, Verfahrensweisen oder Organisationsformen beschreiben, die geeignet sind, das Interesse von Jugendlichen an der Demokratie zu wecken oder zu fördern und jungen Menschen die Option eröffnen, auf die Politik des Kreises Altenkirchen in geeigneter Weise Einfluss zu nehmen und sich zu informieren. Dr. Kirsten Seelbach von den Genossen hatte es so dargestellt: „Es gilt, dem politischen Desinteresse entgegenzuwirken. Jugendliche und junge Erwachsene sind deutlich unterrepräsentiert.“ Im Mai 2021 hatte der Kreistag den SPD-Antrag, in kreiseigenen Schulen menstruationsspezifische Hygieneartikel wie Binden oder Tampons zur Verfügung zu stellen, abgelehnt. Die erneute Vorlage fand mit 19 Ja- und 17 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen nunmehr eine knappe Mehrheit. Kerstin Christine Himmrich hatte für die CDU-Fraktion das erneute Nein begründet, weil „diese Aufgabe nicht beim Kreis Altenkirchen zu suchen ist“. Außerdem sah sie Probleme bei der hygienischen Aufbewahrung und der Vielzahl der am Markt angebotenen Varianten. „Dieser Antrag ist der ganz praktische und alltägliche Versuch, die Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen ein wenig zu verbessern und den Alltag an dieser Stelle – beim Gang auf die Toilette – ähnlich einfach zu machen wie den Alltag der Männer“, zitierte Becker aus dem Begehren. Mit Blick auf die Kosten vermutete Neuhof, dass „wir nicht ärmer werden“. Sie erhoffe sich eine sinnvolle Signalfunktion an andere Einrichtungen. Hatte Becker von rund 66.000 Euro auf der Kostenseite pro Jahr gesprochen, korrigierte Enders auf rund zwei Millionen Euro in zehn Jahren, wenn der Bedarf von 20 Prozent der Schülerinnen und Lehrerinnen an den weiterführenden Schulen im Kreis angenommen werde. Die Berechnungen basierten auf den Werten, die im Antrag der SPD-Kreistagsfraktion von vor zwei Jahren zugrunde gelegt worden seien. Daraus ergebe sich ein Wert von 12,50 Euro pro Monat pro Person. Ferienzeiten seien nicht berücksichtigt, auch die Zahl der weiblichen Lehrkräfte sei nur geschätzt und nicht konkret ermittelt worden. (vh)
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