Werbung

Nachricht vom 22.11.2023    

Amtsgericht Montabaur: Zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr

Von Wolfgang Rabsch

Unter Tränen entschuldigte sich die 26-jährige Angeklagte bei den Angehörigen der Opfer. Mit 400 PS und 167 km/h raste sie auf regennasser Fahrbahn, ihr Kind nicht angeschnallt, und verlor die Kontrolle. Als sie ungebremst in den Gegenverkehr schleuderte, hatte ein unschuldiges Rentnerehepaar aus dem Kreis Altenkirchen keine Chance.

Originalbilder vom tödlichen Unfall im Juni 2022. (Alle Fotos: Ralf Steube)

Montabaur. Vor dem Schöffengericht in Montabaur fand am 22. November ein hochemotionaler Prozess um einen Verkehrsunfall statt, bei dem ein Rentnerehepaar aus dem Kreis Altenkirchen tödlich verletzt wurde.

Was wirft die Staatsanwaltschaft Koblenz der Angeklagten vor?
Die 26-jährige Angeklagte soll im Juni 2022 auf der L 288 zwischen Langenhahn und Westerburg mit weit überhöhter Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht haben, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Obwohl vor der Unfallstelle Verkehrsschilder aufgestellt waren, welche die Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzten und ein weiteres Schild auf Spurrillen hinwies, kam es zu dem Unfall. Zudem hatte es den ganzen Tag geregnet und die Fahrbahn war durchgehend nass.

Die Angeklagte war mit einem 400 PS starken BMW Geländewagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 167 km/h unterwegs, als sie vermutlich auf den Spurrillen ins Schleudern geriet und auf der Gegenfahrbahn mit dem entgegenkommenden Opel Corsa kollidierte. Im Opel Corsa verstarb eine Rentnerin noch an der Unfallstelle, ihr Ehemann einen Tag später im Krankenhaus. Das Fahrzeug der Angeklagte wurde durch die Wucht des Aufpralls über die Leitplanke etwa 50 Meter weit in ein angrenzendes Waldstück geschleudert und überschlug sich mehrfach. Sie wurde schwer verletzt, ihr auf dem Rücksitz sitzendes Kind erlitt ebenfalls Verletzungen.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf fahrlässige Tötung in zwei Fällen und verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge.

Der Vorsitzende gab zunächst bekannt, dass keine Gespräche über eine tatsächliche Verständigung (Deal) stattgefunden hätten.

Die Vertreterin der Nebenklage erklärte, dass ihr Mandant (der Sohn der getöteten Eltern) sich nicht in der Lage sehe, an der Hauptverhandlung teilzunehmen.

Rechtsanwalt Jung, der die Angeklagte zusammen mit einem Kollegen vor Gericht vertrat, erklärte, die Angeklagte könne sich an den Unfall nicht erinnern. Von Weinkrämpfen geschüttelt entschuldigte sich die Angeklagte bei den Geschädigten, es tue ihr sehr leid.

Das Gericht stellte fest, dass die Angeklagte weder im Bundeszentralregister (BZR) noch im Verkehrszentralregister Eintragungen hatte.

Die erste Zeugin, eine Polizeibeamtin, die kurz nach dem Unfall eintraf, schilderte die vorgefundene Situation. Die B 288 sei nass gewesen, da es den ganzen Tag geregnet habe. In den Spurrillen der Fahrbahn hätte sich viel Wasser befunden, weshalb dort auch Warnschilder gestanden hätten. Es sei bekannt, dass die Strecke wegen der Spurrillen bei Regen sehr gefährlich sei.

Die Obduktionsberichte der beiden Verunglückten ergaben, dass das Ehepaar schwerste innere und äußere Verletzungen erlitten hatte, die letztlich zum Tode führten.

Von großer Bedeutung für das Verfahren war das technische Gutachten des Sachverständigen der DEKRA, der den Unfallhergang detailliert und nachvollziehbar schilderte. Das Ehepaar im Opel Corsa sei vorschriftsmäßig angegurtet gewesen, während die Angeklagte und ihr auf der Rückbank sitzendes Kleinkind nicht angeschnallt gewesen seien.



Kollision mit über 160 km/h
Der BMW SUV ist mit einem Bordcomputer ausgestattet, der alle relevanten Daten aufzeichnet und dokumentiert. Wörtlich sagte der Sachverständige, die Kollisionsgeschwindigkeit sei mit 167 km/h "jenseits von Gut und Böse" gewesen. Selbst die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h wäre bei den widrigen Witterungsverhältnissen zu gefährlich gewesen. Der BMW sei ins Schleudern geraten, weil bei der hohen Geschwindigkeit das Profil der breiten Reifen das Wasser nicht mehr verdrängen konnte. Der Sachverständige schloss ferner aus, dass ein drittes Fahrzeug an dem Unfall beteiligt gewesen sei.

Nachdem der Sachverständige sein Gutachten erstattet hatte, erklärte Rechtsanwalt Jung, dass kein Zweifel daran bestehe, dass die Beklagte den Unfall verursacht habe. Weiter wurde festgestellt, dass bei der Angeklagten zum Unfallzeitpunkt weder Drogen noch Alkohol nachgewiesen werden konnten.

Nach Schluss der Beweisaufnahme beantragte der Vertreter der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen in Tateinheit mit einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von fünf Jahren. Der Staatsanwalt begründete den Strafantrag mit der besonderen Rücksichtslosigkeit der Angeklagten, die ohne erkennbaren Grund mit über 160 km/h über die L 288 "gebrettert" sei. Über das "Warum" könne nur spekuliert werden.

Die Vertreterin der Nebenklage schilderte eindringlich die dramatische Situation, in der sich die Angehörigen befunden hätten, die extrem gelitten hätten und noch heute in psychologischer Behandlung seien. Im Übrigen schloss sie sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an.

Die beiden Verteidiger der Angeklagten beantragten übereinstimmend die Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren wegen fahrlässiger Tötung, deren Vollstreckung jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden solle, da für die Angeklagte eine positive Sozialprognose gestellt werden könne. Der Vorwurf eines verbotenen Autorennens könne der Angeklagten nicht gemacht werden.

Im letzten Wort, das die Angeklagte mit tränenerstickter Stimme sprach, war nur noch zu vernehmen, dass sie sich ihren Verteidigern anschloss.

Urteil im Namen des Volkes
Die Angeklagte wird wegen fahrlässiger Tötung und eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis darf ihr frühestens nach drei Jahren und fünf Monaten wieder erteilt werden.

In seiner Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, dass es dem Schöffengericht nicht leicht gefallen sei, ein gerechtes Urteil zu finden. Die negativen Aspekte hätten jedoch überwogen, unter anderem die Rücksichtslosigkeit, mit der die Angeklagte den Unfall verursacht und damit viel Leid über Unschuldige gebracht habe.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da keine Rechtsmittelerklärung abgegeben wurde.
(Wolfgang Rabsch)



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Kreis Altenkirchen mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Mehr dazu:   Blaulicht  
Feedback: Hinweise an die Redaktion

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
     



Aktuelle Artikel aus Region


Illegale Müllentsorgung in Krunkel-Epgert aufgedeckt

In der kleinen Gemeinde Krunkel-Epgert sorgt ein Umweltvergehen für Aufsehen. Unbekannte haben mehrere ...

Neues Praktikumsprojekt stärkt Zusammenarbeit zwischen Polizei und Rettungsdienst

Im Landkreis Altenkirchen startet ein innovatives Projekt, das die Kooperation zwischen Polizei und Rettungsdienst ...

Vorsicht vor gefälschten Steuer-E-Mails - Finanzamt warnt vor Betrügern

Derzeit kursieren betrügerische E-Mails, die angeblich vom Bundeszentralamt für Steuern stammen. Diese ...

Südkoreanische Delegation besucht den Westerwald: Raiffeisen ist auch in Asien Thema

Genossenschaftliche Gäste aus Südkorea trafen am Freitag (24. April) zu Besuchen in Bonn bei der IRU ...

Flächenbrand bei Mehren schnell unter Kontrolle

Am Dienstagnachmittag (29. April) kam es in der Nähe von Mehren zu einem Flächenbrand. Die Feuerwehr ...

"Wie et fröher wor": Sonntagsspaziergang über den Steimel zur Paffrather Eiche

Da steht sie noch, groß und stolz: Über Jahrzehnte hinweg gehörte die Paffrather Eiche zu einem markanten ...

Weitere Artikel


Sperrung des Dammwegs in Altenkirchen

Wegen des Beginns der Bauarbeiten zur Errichtung des Fachmarktzentrums wird der
Dammweg, im Abschnitt ...

Klinikreform: Für Altenkirchener Mitarbeiter wird Transfergesellschaft gegründet

Für die Mitarbeiter des DRK-Krankenhauses Altenkirchen wird die Lage vor dem Hintergrund der geplanten ...

AKTUALISIERT: Vermisster 19-Jähriger aus Straßenhaus wohlbehalten angetroffen

Seit Mittwoch (22. November) wurde ein 19-Jähriger aus Straßenhaus vermisst. Die Polizei teilt am heutigen ...

Terrorverdacht in Westerburg: Zwischen Einzeltätern und Strukturen – Das Phänomen des Rechtsterrorismus

Inmitten der beschaulichen Stadt Westerburg, gelegen in den Hügeln des Westerwaldes, gerät ein 18-Jähriger ...

Destillate von den Besten: Erster Großer Staatsehrenpreis geht an die Birkenhof-Brennerei

ANZEIGE | Eine beachtliche Ehre ist der Birkenhof-Brennerei zuteilgeworden: Sie ist die erste Destillerie, ...

Mit Swing ins neue Jahr: fwr Big Band mit Kate Healey-Schmitt im Wissener Kulturwerk

Ein Neujahrskonzert der besonderen Art erwartet die Besucher am 6. Januar 2024 im Kulturwerk Wissen. ...

Werbung