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Nachricht vom 30.11.2023    

Isert und die Container für Flüchtlinge: Einwohner machen aus ihrer Angst kein Hehl

Der Blick ins weltweite Netz genügt: Quer durch die Republik werden immer mehr Stimmen in Kommunen laut, die sich sich gegen die Unterbringung von Ayslbegehrenden, vor allem in dieser Vielzahl an einem Ort, aussprechen. Auch das beschlossene Containercamp in der Gemarkung Isert schürt Ängste – in erster Linie bei den Einwohnern von Isert und Eichelhardt.

Im Sportlerheim in Eichelhardt hatte Bürgermeister Fred Jüngerich (am Rednerpult) teils einen schweren Stand in der Einwohnerversammlung vor dem Hintergrund der zu bauenden Containersiedlung für Flüchtlinge in der Gemarkung Isert. (Foto: vh)

Eichelhardt/Isert. Die Stimmung im Sportlerheim in Eichelhardt ist an diesem Mittwochabend (29. November) ein wenig angespannt. Die über 80 Menschen aus Eichelhardt und Isert, für die diese Einwohnerversammlung einberufen worden ist, sind verunsichert, unterschwellig ist bei vielen Angst vorhanden, vor dem, was auf sie zukommen könnte. Das Containercamp, in das in der Nähe der Dependance der Straßenmeisterei Altenkirchen an der B 256 Asylbegehrende einziehen sollen, treibt die Zuhörer der Info-Veranstaltung um. Viele erinnern sich gewiss noch an die Räumlichkeiten, die einst dort ihr Dasein fristeten, wo die hölzernen Module ihre Bleibe finden sollen, und die ebenfalls einmal als Flüchtlingsunterkunft dienten, bevor der Kreis Altenkirchen sie auf dem Grund und Boden der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld dem Erdboden gleichmachen ließ, weil sie unbewohnbar geworden waren. Im Laufe der rund zwei Stunden währenden Zusammenkunft werden viele Argumente geäußert, die gegen den Bau der mobilen Einheiten sprechen könnten. In erster Linie sind es Bedenken, dass die jungen Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, die einziehen sollen, Probleme mit der „Mentalität deutscher Frauen und Mädchen haben und ein ,Nein’ nicht akzeptieren. Wie sollen junge Mädchen und Frauen geschützt werden?“, wird als Frage mit der Forderung nach einer „gewissen Sicherheit“ unter mäßigem Beifall geäußert. Niemand könne ausschließen, dass etwas passiert, „dass wir uns nicht wünschen“. Das Gefahrenpotenzial sei bekannt. Iserts Ortsbürgermeister Wolfgang Hörter bringt es auf den Punkt: „Das größte Problem ist das Angstgefühl.“ Moderator Fred Jüngerich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, verspricht mehrfach, den Sicherheitsaspekt nicht aus den Augen zu lassen und kündigt intensiveren Kontakt zur Altenkirchener Polizei an, „um zu zeigen, dass man in Dörfern begründete Ängste hat“. Zudem möchte er sich für eine intensivere Bestreifung des Areals einsetzen, worauf ein Zuhörer kommentiert: „Die haben überhaupt keinen Respekt vor der Polizei.“

Belegung im ersten Quartal 2024
Geplant sind maximal elf Wohncontainer, einer kann mit bis zu vier Schlafmöglichkeiten ausgestattet werden. Hinzu kommen Gemeinschafts- und Sanitärmodule. Michaela Heuser, Referatsleiterin allgemeine Sozialverwaltung der Kreisverwaltung, möchte gerne „im ersten Quartal 2024“ mit der Belegung beginnen. Zunächst einmal jedoch muss eine Baugenehmigung erteilt werden. Für Bauvorhaben von Gemeinschaftsunterkünften im Außenbereich gibt es nach den Angaben Jüngerichs ein verkürztes Verfahren mit einer Gültigkeit von bis zu drei Jahren. „Dass das gebaut werden kann im Außenbereich, ärgert mich gewaltig, weil Vorhaben von Privatleuten meistens abgelehnt werden“, schaltet sich Hörter ein. Unklar ist, ob der zur Verfügung stehende Raum auf der vorhandenen Bodenplatte aus Beton überhaupt ausreichend ist, unklar ist, ob Bäume gefällt werden müssen, unklar ist, ob eine größere Sickergrube ausgehoben werden muss. Eines stellt Jüngerich im Brustton der Überzeugung fest: „Auf den Splitbereich kommen keine Container.“ Und ergänzt, „dass es kein Dauerprojekt sein soll“. Grünes Licht für den Standort hatte der Kreisausschuss mit dem positiven Votum für die Anmietung der Container in der Sitzung am 20. November gegeben. Beim Blick auf Google Earth ergibt eine Messung, dass die erste Bebauung in Eichelhardt rund 370 Meter und die in Isert rund 350 Meter von dem in Rede stehenden Areal entfernt ist.

Wahrscheinlich „lange Verweildauer“
André Linke, in der Kreisverwaltung als (einziger) Ausländer- und Aussiedlerbeauftragter tätig, geht von einer „langen Verweildauer“ der Asylbegehrenden aus, weil Wohnraum, der von Geflüchteten aus der Ukraine in Anspruch genommen werde, so schnell nicht frei wird. Und er malt ein düsteres Bild von der Zukunft: „In zwei Wochen ist das Ding voll, dann müssen wir was Neues suchen.“ Fest steht, dass auch Männer einziehen werden, die in Sachen Aufnahme noch nicht einmal gehört worden sind. Vor Ort werden alle Aufgenommenen nicht viele Möglichkeiten haben, ihre Zeit sinnvoll zu nutzen. Deutschkurse werden nicht angeboten, eine Betreuung ist nicht vorgesehen. „Es geht nicht um Integration, sondern nur um Aufnahme“, erklärt Jüngerich und erhält aus dem Auditorium eine Vermutung zur Antwort: „Die Leute werden herumstreifen und sehen, dass nichts los ist.“ Den Lebensunterhalt müssen die Asylbegehrenden aus den Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bestreiten. Sie können per Bus von zwei nicht weit vom Containercamp entfernten Haltestellen (Überquerung der stark befahrenen B 256) Richtung Bruchertseifen oder Richtung Eichelhardt sowie darüber hinaus zum Shoppen fahren (49-Euro-Ticket).

Fehlanzeige: Alternativvorschläge
„Objektiv betrachtet äußert niemand Vorschläge, die Alternativen bringen“, macht Jüngerich deutlich, dass es zunächst bei Isert bleiben wird, sollte die Baugenehmigung erteilt werden. So wird dem einen oder anderen Gast an diesem Abend gewiss das Lager auf dem Stegskopf in Erinnerung gekommen sein, das 2015/2016 für die Aufnahme von Flüchtlingen hergerichtet worden war und in das auch Menschen eingezogen waren. „Ich habe auch im Kreisvorstand dafür plädiert“, ergänzt er, aber derzeit gebe es wohl Probleme mit dem „Denkmalschutz, was die Baracken angeht. Aber vielleicht kommt man nicht umhin, den Stegskopf bald zu akquirieren.“ Angesprochen wird darüber hinaus die durchaus mögliche Differenzierung verschiedener ethnischer Gruppen untereinander, die zu Spannungen führen kann. „Wenn Aggressionen entstehen, entladen die sich bei uns“, wird prompt aus den hinteren Reihen verlautbart. Mehrfach bekräftigt Jüngerich, dass das „Problem auf föderaler Ebene, drei, vier Ebenen höher als auf VG-Ebene liegt. Wir wenden die Gesetze an, wir schreiben sie nicht.“ Im Gegenzug hört er: „Sie lassen uns als Volksvertreter allein. Danke!“ Oder: „Was muss sich die einheimische Bevölkerung noch gefallen lassen?“ Oder: „Was sich hier abspielt, ist nicht mehr haltbar.“ Ein anderer rechnet vor: „Auf die 100 Einwohner Iserts kommen 50 Flüchtlinge. Legen Sie das mal auf die Stadt Altenkirchen um.“ So stellt Eichelhardts Ortsbürgermeister Rainer Zeuner lakonisch fest: „Die Zwänge sind gewaltig, die uns aufgegeben werden.“ Er werde eine mögliche Initiative unterstützen, die Zahl der Container zu verringern. Dass Isert Flüchtlinge kann, wird in der einen oder anderen Aussage auch deutlich – beim Rückblick auf die Jahre 2015 und 2016, als kosovarische Familien Einzug in das alte Gemäuer nach der Flucht vor dem Krieg in der Heimat halten und sogar Weihnachten mit den „Locals“ feiern ...



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Grundlagen der Unterbringung
Jüngerich, auf dessen maßgebliche Initiative die Einwohnerversammlung für die beiden Ortsgemeinden und auf freiwilliger Basis zustande gekommen war, hatte zuvor anhand einer Power-Point-Präsentation die Grundlagen für die Unterbringung Geflüchteter dargelegt. Die Pflicht rühre aus Paragraf 1 (Absatz 1) des Landesaufnahmegesetzes her: „Die Landkreise, kreisfreien und großen kreisangehörigen Städte, verbandsfreie Gemeinden, Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden sind verpflichtet, xx Personen/Asylbewerber aufzunehmen und unterzubringen; sie erfüllen diese Aufgaben als Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung.“ Die Kreisverwaltung könne die dem Landkreis zugewiesenen Personen den großen kreisangehörigen Städten, verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden zuweisen. Die Verbandsgemeindeverwaltung könne die der Verbandsgemeinde zugewiesenen Personen den Ortsgemeinden zuweisen (Paragraf 1/Absatz 1 des Landesaufnahmegesetzes).

Die Sache mit den drei Verteilsträngen
Es gebe drei Verteilstränge, wie Jüngerich weiter beschrieb: Verteilungsquote Asylbewerber (VQA), Vertriebene aus der Ukraine (VQUS) und Spätaussiedler (VQSp). „Die Verteilquoten sind jeweils – für alle drei Verteilstränge (VQA, VQUS, VQSp) getrennt voneinander - zu erfüllen“, machte er deutlich. Liege eine prozentuale Überschreitung der Verteilquote in einem Verteilstrang vor (wie: es wurden also tatsächlich mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, als aufzunehmen gewesen wären), so bleibe dies für die anderen Verteilstränge unberücksichtigt. Zum Stichtag 19. November betrug die prozentuale Überschreitung der Verteilquote fürs AK-Land im Verteilstrang VQUS 41,03 Prozent, was einen temporären Verteilstopp zur Folge hat. Zum Stichtag 7. Juli lag der Wert im Verteilstrang VQA bei 3,86 Prozent. Da für die Verteilquote nur noch die reine Einwohnerzahl der Verbandsgemeinden als Basis dient (die Steuerkraft, die ehemals zu zwei Dritteln mit herangezogen wurde, wurde gestrichen), ist die große Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld mit einem prozentualen Anteil von 27,3 die Gebietskörperschaft im Kreis Altenkirchen, die die meisten Asylbegehrenden aufzunehmen hat. Es folgen Betzdorf-Gebhardshain mit 20,3, Kirchen mit 17,6, Daaden-Herdorf mit 13,5, Wissen mit 11,4 und Hamm mit 9,9 Prozent. Für Altenkirchen-Flammersfeld wurden zum Stichtag 21. November ermittelt – VQA: Unterdeckung 20,8 Prozent (minus 56 Menschen); VQUS: Ist-Zugänge (Jahre 2022 und 2023) 1050 Menschen, Soll-Zugänge nach prozentualem Schlüssel 718, Überdeckung 332 Menschen (Quote 39,9 bei geforderten 27,3 Prozent).

Womöglich 300.000 Anträge in diesem Jahr
Nach Informationen des Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration sowie der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) wurden im Jahr 2022 217.774 Erstanträge auf Asyl gestellt (höchste Zahl seit den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und dem Flüchtlingszugang in den Jahren 2015 und 2016). Bis zum 30. Oktober diesen Jahres waren es bereits 263.766 Anträge, bis Jahresende könnte die Zahl von 300.000 voraussichtlich erreicht werden. Im Land wurde allein im Oktober die Aufnahme von 2235 Asylbegehrenden registriert (höchster Wert seit März 2016). Derzeit verlängert sich die Zeit bis zur Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgrund dieser gestiegener Zugangszahlen, so dass eine Unterbringung bis nach erfolgter Antragstellung nicht mehr in allen Fällen sichergestellt werden kann. Das Land arbeitet am weiteren Kapazitätsausbau der Aufnahmeeinrichtungen. Zuletzt wurde die Außenstelle in Bernkastel-Kues in Betrieb genommen.

57 Menschen im Dezember?
Die wöchentlichen Verteilzahlen in Rheinland-Pfalz werden von 250 auf 550 Menschen erhöht. Deswegen muss der Landkreis Altrenkirchen 19 Menschen/Woche aufnehmen. Im kommenden Monat steht eine voraussichtliche Aufnahme und Unterbringung von 57 Menschen an. Inzwischen ist der Wohnraum, der für die Anmietung von Privatleuten in Frage kommt, nahezu komplett belegt. Im November konnten 84 zugewiesene Menschen aufgrund enormer Anstrengungen noch in verfügbaren Wohnraum vermittelt werden. Da die weitere Erhöhung von Zugangszahlen absehbar ist, wurden alle Verbandsgemeinden gebeten, ihre Anstrengungen für die Wohnraumakquise noch einmal zu erhöhen. Inzwischen werden auch alternative Unterbringungsmöglichkeiten wie in Dorfgemeinschaftshäusern und Sporthallen in Erwägung gezogen.

Hinweis der Kreisverwaltung
Die Dringlichkeit der Lage beschreibt ein Hinweis der Kreisverwaltung vom 10. November: „Für den Fall, dass kein regulärer Wohnraum mehr zur Verfügung gestellt werden kann, ist der Landkreis gezwungen, den Verbandsgemeinden die Asylbewerber anhand der kreisinternen Verteilquote zuzuweisen – mit der Folge, dass dann entsprechende Notfall-Unterkünfte (z.B. öffentliche Einrichtungen wie Sporthallen und Dorfgemeinschaftshäuser) für die Verbandsgemeinde zur Verfügung gestellt werden müssen.“ (vh)


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