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Nachricht vom 25.01.2024    

Containerdorf für Flüchtlinge: Rat Isert versagt Einvernehmen zum Bauantrag

Der Ortsgemeinderat von Isert hat ein wenig seine Muskeln spielen lassen: Er versagte in seiner jüngsten Sitzung einstimmig sein erforderliches Einvernehmen zum Bauantrag für ein Containerdorf für asylbegehrende Menschen, das der Kreis Altenkirchen auf einem Grundstück im Außenbereich der kleinen Ortsgemeinde zu errichten gedenkt.

Der Ortsgemeinderat Isert (ein Mitglied fehlte) stellte das Einvernehmen zum Bauantrag für die Errichtung eines Flüchtlingswohnheims im Außenbereich nicht her. (Foto: vh)

Isert. Die Situation ist ein wenig verzwickt: Der Strom der Flüchtlinge aus vieler Herren Länder in die Bundesrepublik Deutschland reißt nicht ab. Wohnraum für diese Menschen ist inzwischen auch im AK-Land Mangelware. Händeringend werden Quartiere gesucht, aber keine gefunden. In seiner Not möchte der Kreis Altenkirchen auf einem Grundstück in der Gemarkung Isert und im Außenbereich, das der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld gehört, ein Containerdorf mit Unterkunftsmöglichkeiten für bis zu 40 Flüchtlinge schaffen. Genau auf diesem Areal in unmittelbarer Nähe zur B 256 war bereits 1992 ein Wohnhaus für Asylbewerber entstanden (auch damals bereits in Trägerschaft des Landkreises), das im Frühjahr 2023 abgerissen wurde. Anschlüsse für Ver- und Entsorgung sind noch vorhanden, gleichfalls könnte eine Bodenplatte aus Beton die Grundlage für das Aufstellen der hölzernen Module bilden. Die extrem unübersichtliche und damit gefährliche Anbindung an die B 256 erfolgt über einen Feldweg (im Grundbuch so definiert), der auf dem Grund und Boden der Ortsgemeinde verläuft. Dass die Einwohner von Isert nicht grundsätzlich gegen die Unterbringung von Geflüchteten sind, machte Iserts Ortsbürgermeister Wolfgang Hörter in der Zusammenkunft des Ortsgemeinderates am Mittwochabend (24. Januar) deutlich und erhielt Zustimmung aus den Reihen der knapp 30 Einwohner, die dem Treffen beiwohnten: Die Ortsgemeinde wende sich nicht grundsätzlich gegen die Aufnahme von Asylbegehrenden, sondern gegen die große Zahl derer, die einziehen soll, und erachte die abgeschiedene Lage als nicht sinnvoll. Hörter berichtete von einem noch vor wenigen Tagen geführten Gespräch unter anderem mit Landrat Dr. Peter Enders, das mit keinen neuen Erkenntnissen geendet habe.

Rechtmäßig oder rechtswidrig?
Nach Gesprächen mit Politikern wie MdB Erwin Rüddel (weitere werden noch folgen), einer Einwohnerversammlung in Eichelhardt, der Gründung einer Bürgerinitiative in Eichelhardt contra Containerlösung und sich nicht abzeichnender Planänderung war die einstimmige Entscheidung des Ortsgemeinderates nur logisch, das Einvernehmen zum Bauantrag nicht herzustellen mit dieser Begründung: „Die Ortsgemeinde begründet die Versagung ihres Einvernehmens daher mit der fehlenden Erschließung des Bauvorhabens und mit fehlender Information über die geplante Aufnahmekapazität des Bauvorhabens im Hinblick auf die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse sowie die Gefahr für Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen.“ Inwieweit diese Position das Projekt ganz, teilweise oder gar nicht sterben lässt, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal wird die Bauaufsichtsbehörde (Kreisverwaltung) prüfen, ob das Votum rechtmäßig oder rechtswidrig getroffen wurde. Eines wurde bereits klar: Die Ortsgemeinde Isert wird weitere rechtliche Schritte in Betracht ziehen, sollte im Kreishaus die Rechtswidrigkeit festgestellt werden. Möglich ist, dass der Kreisrechtsausschuss und zu guter Letzt das Verwaltungsgericht sich des Themas annehmen könnten. Grundsätzlich sind Flüchtlingsunterkünfte im Außenbereich einer Gemeinde „mobil und temporär“ bis zum Jahr 2027 (mit Verlängerung um weitere drei Jahre bis 2030) möglich. Das „gemeindliche Einvernehmen“ ist ein baurechtlicher Begriff, der mit „Einverständnis einer Gemeinde“ zu einem Bauvorhaben (baurechtlichem Verfahren) gleichzusetzen ist.

"Kreis wälzt Problem auf Isert ab"
Einen großen Dank richtete Hörter an Ratsmitglied Dr. Brigitte Röhrig, die als Rechtsanwältin sich sehr intensiv mit der Problematik beschäftigt und die Argumente für die ablehnende Haltung zusammengetragen habe. Im Rückblick auf die Unterbringung von Flüchtlingen auf eben jenem Gelände, das fast mittig zwischen Eichelhardt und Isert liegt, wurde im Plenum dargelegt, dass „Isert diese Situation schon mehrfach hatte“. Es habe nicht einen einzigen gegeben, der der Gemeinde damals zur Last gefallen sei. Auch sei im Vorfeld klar gewesen, dass „wir die Leute nicht im Regen stehen lassen können“. Der Kreis wälze das Problem auf Isert ab, die Ortsgemeinde Isert sei überlastet und überfordert. Der Standort sei unmöglich, zitierte Hörter eine klare Meinung aus allen seinen Gesprächen mit Politikern. Die Nichtanwendung des „Königssteiner Schlüssels“ (Formel für die Aufteilung Geflüchteter auf Grundlage von Steuerkraft und Einwohnerzahl, in Rheinland-Pfalz reduziert auf lediglich die Einwohnerzahl von Ortsgemeinden) ergebe, so Röhrig, eine „dramatische Benachteiligung finanzschwacher Gemeinden“. Warum dieses Instrument nicht angewandt werde, könne keiner sagen.



Die ausführliche Argumentation
Punkt 1: „Die Erschließung des in Rede stehenden Baugrundstückes kann nur über die B 256 und über den im Eigentum der Ortsgemeinde stehenden angrenzenden Wirtschaftsweg erfolgen. Eine unmittelbare Zufahrt von der Bundesstraße ist außerhalb der Ortsdurchfahrt nicht zulässig. Zur Benutzung des Wirtschaftsweges als unmittelbare Zufahrt zum Baugrundstück bedarf es einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen der Ortsgemeinde Isert und dem Bauherren. Die Ortsgemeinde wird dem Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht zustimmen, da Wirtschaftswege der Bewirtschaftung der angrenzenden land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke zu dienen bestimmt sind, nicht aber der straßenmäßigen Erschließung zu Bauzwecken auf solchen Grundstücken. Die Ortsgemeinde Isert behält sich in dem Zusammenhang zudem vor, die Eintragung einer öffentlich-rechtlichen Baulast auf dem in Rede stehenden Wirtschaftsweg nicht zuzustimmen. Die Erschließung des Baugrundstückes ist in straßenmäßiger Hinsicht daher nicht gesichert.“

Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse
Punkt 2: „Das Vorhaben soll laut Antrag ein ,Flüchtlingswohnheim’ betreffen. Das bedeutet, dass das Vorhaben die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse für die Bewohner des Flüchtlingswohnheims sicherstellen muss. Darüber hinaus ergibt sich das Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung aus dem Grundgesetz, nationalen Gesetzen und internationalen Abkommen. Es wird festgestellt, dass das Bauvorhaben unter anderem acht Wohncontainer à 16,5 Quadratmeter und drei Wohncontainer à 13,5 Quadratmeter umfassen soll. Mündlich wurde angekündigt, die Aufnahmekapazität solle ca. 41 Asylbegehrende betragen. Das würde einem Platzangebot von ca. vier Quadratmetern pro Asylbegehrendem entsprechen. Dieser geringe Platz verstößt gegen die empfohlenen Mindeststandards für menschenwürdige Unterbringung, die sich aus verschiedenen Vorschriften ergeben (Asylgesetz, Sozialgesetzbuch VIII, Gewaltschutzgesetz, etc.). Für Wohnunterkünfte - wie hier geplant - wird der Flächenbedarf pro Person höher angesetzt als in Notunterkünften. Beispielhaft sind hier Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen mit sieben bis zehn Quadratmetern zu nennen. Lediglich für Notunterkünfte wird in weiten Teilen Deutschland eine Mindestgröße von sechs Quadratmetern festgelegt. Dass Rheinland-Pfalz als eines der wenigen Bundesländer keine Mindeststandards für die Flüchtlingsunterbringung in Leitlinien festgelegt hat, darf nicht zum Nachteil der Asylbegehrenden führen. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse - die auch die psychische Gesundheit umfasst - haben gewisse Mindeststandards einzuhalten. Dem Bauantrag ist die geplante Aufnahmekapazität nicht zu entnehmen. Daher ist die Beurteilung, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, derzeit nicht möglich. Auch aus diesem Grund kann die Ortsgemeinde zurzeit ihr Einvernehmen nicht erteilen.“

Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen
Punkt 3: „Bei der Bewertung des Vorhabens müssen die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung sowie die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen umgesetzt werden (Baugesetzbuch). Angesichts der seitens des Kreises und der Verbandsgemeinde mündlich geschilderten Absicht, an diesem Ort ausschließlich voraussichtlich mehr als 40 asylbegehrende Männer im Alter von 20 bis 40 Jahren aus fremden Kulturkreisen unterzubringen, sieht die Ortsgemeinde eine Gefahr für die Erhaltung der sozial stabilen Bewohnerstruktur der Ortsgemeinde. Eine Bevölkerung von 110 Dorfbewohnern - erst recht mit der in Isert bestehenden Altersstruktur - kann die Integration einer so hohen Zahl von Asylbegehrenden nicht leisten. Fehlende Integration bringt die Gefahr sozialen Unfriedens und damit erhebliche Probleme bei der Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen mit sich. Das gilt umso mehr angesichts der seitens der Verbandsgemeinde und auch des Kreises mitgeteilten Erfahrungen, dass selbst Mitarbeiterinnen der VG und des Kreises gegen Übergriffe durch die betreffende Gruppe asylbegehrender Männer geschützt werden müssen. Auch aus diesem Grund wird derzeit das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt.“ (vh)


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