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Nachricht vom 29.02.2024    

Klinikreform bilanziert/Teil 1: Altenkirchener Betriebsrätin sieht "zermürbte" Mitarbeiter

Der Frust und das Gefühl der Ohnmacht, so gut wie keine Karten bei der Umstrukturierung des DRK-Krankenhauses Altenkirchen in Händen zu halten, lasten schwer auf den Mitgliedern des lokalen Betriebsrates. Ein vielfach eingefordertes Mitspracherecht bei der Degradierung des Hospitals in der Kreisstadt zu einer "Level-1-i*-Klinik" (wie immer eine solche aussehen soll) wird ihnen seit Monaten beinahe konsequent verwehrt.

Dr. Isabella Jung-Schwandt fasste ihre Gedanken zu verschiedenen Aspekten des Restrukturierungskonzeptes zusammen. (Foto: Archiv AK-Kurier)

Altenkirchen. Nicht nur aus Sicht der Mitglieder des Betriebsrates des DRK-Krankenhauses Altenkirchen, sondern auch für weite Teile der Bevölkerung rund um Altenkirchen ist es ein Kreuz mit dem Roten Kreuz. Die Umstrukturierung nach der Insolvenz in Eigenverwaltung der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz gGmbH mit ihren fünf Häusern in Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied trifft den Standort in der Westerwälder Kreisstadt am härtesten. Die lokale Arbeitnehmervertretung konnte und kann so gut wie keinen Einfluss auf die Art und Weise des Abspeckens der bislang angebotenen Leistungen nehmen. Ihr sind beinahe zu 100 Prozent die Hände gebunden, weil der Gesamtbetriebsrat mit Eberhard Bruch an der Spitze die Fäden bei der Gestaltung der Zukunft in Händen hält und der für die DRK-Trägergesellschaft Süd-West als übergeordnete Instanz und alle weiteren, in dem Verfahren Agierenden einziger Ansprechpartner ist. Altenkirchens stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, Anästhesistin Dr. Isabella Jung-Schwandt, hat sich Gedanken in einer auf zwei Teile ausgelegten und dem AK-Kurier vorliegenden Stichwortliste über Entwicklungen und Entscheidungen der zurückliegenden Wochen und Monate gemacht und aufgeschrieben. Sie wagt gleichfalls einen Ausblick in die Zukunft des DRK-Krankenhauses Altenkirchen. Lesen Sie ihre Gedanken in Teil eins:

Kündigungen: Für 22 Kündigungen in fünf Betriebsstätten braucht es keine Transfergesellschaft. Das hätte man durchaus anders regeln können. Das ist eine Alibifunktion, sich von Beginn an zu kaprizieren auf eine Transfergesellschaft statt auf das eigentliche Problem der massiven Versetzungen ohne Ausgleich hinzuarbeiten. Schon in den ersten Treffen des Gesamtbetriebsrates wurde geplant, die Transfergesellschaft alleinig als Ausgleich zu schaffen und dadurch Versetzungen problemlos möglich zu machen. Ein Ausgleich für Versetzungswillige oder andere Anreize wurden von vorneherein ausgeschlossen. Völliger Nonsens ist, dass 2500 Arbeitsplätze gefährdet waren. Altenkirchen als Fachkräfteersatzteillager? Dieses Vorgehen hat Tradition. Seit geraumer Zeit fordert Hachenburg Fachkräfte an und führt in der Dringlichkeit immer vor Altenkirchen. In Altenkirchen wurden mehrfach Operationen verschoben, um in Hachenburg die Endoprothetik, aber auch andere Operationen durchzuführen und zwar in relevantem Umfang. Und dieses Vorgehen ist auch immer nur eine Einbahnstraße, ein Austausch auf Augenhöhe ist nicht gegeben. Kein Wunder also, dass die Altenkirchener Bilanz für das geplante Gutachten extra schlecht aussieht. Natürlich ist mir der eklatante Fachkräftemangel bekannt, und es ist ohne Frage, dass hier Synergien geschaffen werden müssen. Eine Bündelung von operativer Struktur in Altenkirchen und internistischem Haus in Hachenburg wurde aber aus (politischen?) Gründen niemals in Betracht gezogen. Hier hätte man in relevantem Maße Fachkräfte sparen können. Internistische Konzile für Altenkirchen aus Hachenburg und analog für chirurgische Probleme von Altenkirchen nach Hachenburg. Anästhesie und Notfallbündelung in Altenkirchen, Schockraum und Abdominalchirurgie könnten bleiben. Hiermit wären sämtliche Doppelstrukturen vom Tisch und größere Umbauten bis zum Einzug ins geplante Westerwaldklinikum, wo auch immer, nicht von Nöten. Das hätte echtes Einsparpotential.

Den Besten hat man gehen lassen
Entlassungen: Wer war denn nun vom Wegfall seines Arbeitsplatzes betroffen? In Altenkirchen sind es sieben Mitarbeiter: im Schreibbüro und in der Patientenaufnahme, mehrfach geringfügig Beschäftigte sowie in der Probezeit befindliche und zwei im Handwerk. Fürs Handwerk wird jetzt laut Angaben der Haushandwerker bereits wieder gesucht, einen der Besten hat man gehen lassen. Er wird gut bezahlte Arbeit finden und bleibt wahrscheinlich für das DRK verloren. Für die meisten anderen Mitarbeiter hätte man innerbetrieblich sicher auch Versetzungsmöglichkeiten bzw. neue Aufgabenbereiche gefunden. Hachenburg ist tatsächlich härter betroffen wie zum Beispiel langjährige Küchenmitarbeiter. Diese hätten einen anderen Umgang verdient gehabt. Möglicherweise sind diese Stellen aber an sich weder insolvenzrelevant, noch hätten sie nicht innerhalb von sehr absehbarer Zeit durch die sogenannte natürliche Fluktuation sowieso wegfallen können.

Finanzen: „Geld spielt keine Rolle“ ist eine Originalaussage der Geschäftsführung in anderem Zusammenhang. Vereinbart wurden im massiven Umfang Versetzungen. Diese kommen vorwiegend Kirchen und im geringeren Umfang auch den anderen Häusern zu Gute. Man will so möglicherweise einen der Hauptkostenfaktoren, nämlich die Kosten für Arbeitnehmerüberlassungen auf Grund von Personalmangel, begegnen. Ja, in großem Ausmaß haben sich Mitarbeiter aus Altenkirchen schon dazu entschlossen, sich versetzen zu lassen. Eine zweistellige Zahl hat zwischenzeitlich dem Konzern insgesamt den Rücken gekehrt und selber gekündigt. Gezwungen „freiwillig“ haben sich die Mitarbeiter dazu entschlossen, lieber rechtzeitig einer in Frage kommenden Versetzung zuzustimmen, statt möglicherweise später ein Nachsehen zu haben. Sie sind zermürbt, seit August wissen sie nicht, wie es weiter geht, kein Entgegenkommen, keine Diskussion, mangelnde Information. Mitarbeiter wissen nicht, wie ihre Arbeitszeiten und ihre Vergütung ab Mai wären, wenn zum Beispiel Ruf- oder Bereitschaftsdienste wegfallen. Die Aussage Bruchs („Entweder können sich die Mitarbeiter direkt entscheiden oder sich erst noch mit ihren Familien abstimmen“) klingt für mich wie Hohn. Als ob die Mitarbeiter seit Oktober von irgendetwas anderem zu Hause sprechen, als von der Ungewissheit und den verbleibenden Möglichkeiten. Informationen, wie ihr Arbeitsplatz ab Mai aussieht, wie viel Geld sie noch verdienen, wie sich ihre Arbeitszeiten ändern, wie sie Familie und lange Fahrzeiten in Einklang bringen? Fehlanzeige.



Wer betreut Patienten nach der OP?
Ungereimtheiten: Bleiben sie, die Mitarbeiter hier, verzichten sie auf Bereitschaftsdienstvergütung, Zulagen? Da wird von einer Kurzzeitpflegestation gesprochen, aber dafür war ja kein Personal eingeplant, also ein, zwei Tage später doch wieder ein Dementi. Da wird von besorgten Mitarbeitern gefragt, wie der Nachtdienst alleine die 20 Betten in der 24-Stunden-Aufnahmestation betreuen soll? Keine Antworten! Da wird gefragt, welchen Personalschlüssel das ambulante OP-Zentrum haben soll. Wer betreut die Patienten nach der OP bis nach Hause? Wer steht mit diesen Patienten zum ersten Mal nach Narkose auf, wer begleitet sie zur Toilette, bekämpft Übelkeit und beseitigt kleinere oder größere Malheure, wer kontrolliert die Wunde auf Nachblutung und kann bei Blutung den Chirurgen rufen? Und letztlich: Wer mobilisiert die Patienten und macht sie heimgehfit? Die Antworten laut Interessensausgleich lauten: Niemand! Fakt laut Interessenausgleich ist, das sollen die beiden Anästhesiepflegekräfte alleine regeln, eine im Aufwachraum und eine am Tresen. Die Patienten kommen durch die neu einzurichtende Umkleidekabine und gehen nach der OP einfach wieder dorthin, ziehen sich um und gehen nach Hause. Einen Ausbau des ambulanten Operierens kann ich bei diesem Konzept nicht erkennen. Aber man verhandele jetzt erst im Detail, allerdings fänden die Versetzungen wie geplant statt. Das passt leider alles nicht zusammen. Dies verstärkt in erheblicher Form meinen Eindruck, dass der Konzeptentwickler fürs DRK, die Beraterfirma WMC Healthcare, fertige Ideen mit wenig Fachwissen begleitet. Die Vorschläge mit den „Tresen“ erinnern mich schon von der Wortwahl an ganz andere Lokalitäten, aber das würde zu weit führen. Überhaupt, aber das nur am Rande, finde ich es bedenklich, dass WMC den ambulanten Charakter des Krankenhauses feststellt, noch bevor man sich die Gegebenheiten vor Ort überhaupt angesehen hatte. Allein von dem durch die Geschäftsführung und die angespannte Personalsituation immer weiter eingeschränkten OP-Kapazitäten auf einen ambulanten Charakter eines Hauses zu schließen, finde ich sehr bedenklich, zumal zum Beispiel die von Altenkirchen nach Hachenburg gezogene Endoprothetik durchaus eher personen- als ortsbezogen ist. Einen Kreis ziehen, um Patientenströme festzulegen, ist meines Erachtens einer renommierten Sanierungsfirma nicht würdig. Genauso wenig wie ein schmollender WMC-Geschäftsführer, der mit dem „verlogenen“ Betriebsrat vor Ort nicht mehr spricht, möglicherweise eher mangels Beantwortungsvermögen unangenehmer Fragen, und dem Betriebsrat unterstellt, angeblich Lügen erzählend durch die Gegend zu ziehen. Ich konnte bis dato noch nicht erkennen, wo ich oder meine Betriebsratskollegen „lügend“ gewesen wären. Und Verleumdung ist immer einfacher als sich einer offenen und ehrlichen Diskussion zu stellen.

Versetzungen: Also die, die sich nicht versetzen lassen können, müssen selber kündigen. Sie genießen nicht den doppelten Boden einer Transfergesellschaft und haben zudem eine Sperrfrist beim Arbeitsamt? Das wurde im Interessensausgleich und Sozialplan überhaupt nicht berücksichtigt, auf Nachfrage wurde mir bestätigt, dass der Arbeitgeber hier nicht kündigt, auch nicht, um Sperrfristen für den Arbeitnehmer zu vermeiden. Ebenso sei eine nachträgliche Aufnahme in die Transfergesellschaft nicht möglich. Sich auf die Schulter zu klopfen, man habe Kündigungen im großen Maße vermieden und könne allen Beschäftigten ein Angebot machen, ist nur die halbe Wahrheit. Hat sich hier mal jemand die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter direkt angehört oder hat sich der GBR-Vorsitzende nur gefreut, dass die Personalnot in seinem Hause (Anmerkung der Redaktion: in Kirchen) vorübergehend vom Tisch ist? Herr Bruch betont, dass auf externe Neueinstellungen während dieser Zeit verzichtet wurde. Als ob die offenen, seit Jahren nicht besetzten Stellen hätten ausgerechnet in der öffentlich bekannten Insolvenzzeit besetzt werden können. Schon lange sind auf Grund von Personalmangel Stationen und Operationssäle gesperrt. Die AK-Betriebsratsvertretung im GBR hat übrigens als einzige Delegation dem Interessensausgleich und Sozialplan nicht zugestimmt und eine vom Arbeitgeber vorgelegte Namensliste als einzige abgelehnt. Ich bin noch nicht lange Betriebsratsmitglied, aber im Grundseminar „Betriebsrat I“ wurde den Teilnehmern vermittelt, niemals einer Namensliste zuzustimmen, da dies die Widerspruchsmöglichkeiten der Betroffenen massiv einschränke. Böse Zungen behaupten, Herr Bruch habe mehrfach geäußert, er würde der Namensliste nur für einen persönlichen Sitz im Aufsichtsrat des DRK zustimmen. Aber so viel Eigeninteresse auf Kosten seines Amtes möchte ich ihm nicht unterstellen. Seinen Anspruch als Retter von 2500 Arbeitsplätzen kann ich auch mit Wohlwollen nicht teilen. (vh)

Im zweiten Teil geht es unter anderem um Zukunft, Träume und Hoffnung.


Mehr dazu:   Insolvenz DRK Trägergesellschaft  
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