Energieerzeugung: Fünf Verbandsgemeinden wollen per Gesellschaft mitmischen
Der Ansatz ist eigentlich ein guter: Derzeit wollen fünf von sechs Verbandsgemeinden im Kreis Altenkirchen die Energieerzeugungsgesellschaft Westerwald/Sieg-Energie GmbH & Co. KG ins Leben rufen. Es wäre ein guter Schritt, das Mammutprojekt Energiewende auch vor Ort ein gutes Stück voranzubringen.
Altenkirchen. Rund anderthalb Jahre ist es her, dass der Rat der Verbandsgemeinde (VG) Altenkirchen-Flammersfeld die regenerative Energieerzeugung als Aufgabe im dringenden öffentlichen Interesse eingestufte und grundsätzlich beschloss, eine gemeinsame Energieerzeugungsgesellschaft mit der EAM Natur Energie GmbH als strategischem Partner und weiteren kommunalen Verbündeten wie Energiegenossenschaften (Bürgerbeteiligung) im Landkreis Altenkirchen ins Leben zu rufen. Von der kommunalen Seite machen bei der Westerwald/Sieg-Energie GmbH & Co. KG (WSE) nach derzeitigem Stand die VG Altenkirchen-Flammersfeld, die Kommunale Energieprojekte Daaden-Herdorf AöR (Anstalt des öffentlichen Rechts), die VG Hamm, die VG Kirchen sowie die VG Wissen mit. Die VG Betzdorf-Gebhardshain hat sich Bedenkzeit erbeten. Ihr wurde eine zweijährige Frist zum Nachrücken eingeräumt, kann im Falle eines Beitritts die Ausgangskonditionen für sich reklamieren. Die Anteile der kommunalen Partner (insgesamt 60 Prozent) ergeben sich aus dem Durchschnitt der Einwohnerzahlen jeder VG zum 30. Juni 2023 und deren jeweiliger Fläche, EAM Natur Energie hält 30 Prozent, die Energiegenossenschaft zehn Prozent, die bis zu deren Gründung noch bei EAM Natur Energie „geparkt“ sind. Vor diesem Hintergrund gab der Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschuss des VG-Rates Altenkirchen-Flammersfeld in seiner Zusammenkunft am Donnerstagnachmittag (7. März) jeweils seine uneingeschränkte Zustimmung zum Gesellschaftsvertrag der WSE als auch zu dem der WSE-Verwaltungs-GmbH (Komplementär-GmbH). „Unsere Intention ist: Wir wollen regenerativ, nachhaltig und solidarisch Strom erzeugen und nicht gewinnmaximierend arbeiten“, sagte Fred Jüngerich als Bürgermeister der VG Altenkirchen-Flammersfeld. Der Beitrag zur Energiewende solle durch Fotovoltaik-Freiflächen- und Windkraftanlagen erfolgen. Die Verträge sind zunächst einmal auf 20 Jahre ausgelegt. Die 60 Prozent des kommunalen Anteils verteilen sich: Altenkirchen-Flammersfeld 22,51 Prozent, Kirchen 13,20, Wissen 9,17, Daaden-Herdorf 9,14 und Hamm 5,98.
Viele Gründe pro Gründung
Warum eine kommunale Energiegesellschaft sinnig sei, machte Joachim Schuh, technischer Leiter der Werke der VG Altenkirchen-Flammersfeld (bei denen das Projekt angedockt ist), mit plakativen Aussagen deutlich: „Die Energiewende ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, also auch die einer Kommune. Die Energieversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge. Die regionale Wertschöpfung kann durch den Betreiber, den Investor und bei der Gewerbesteuer gestärkt werden. Ein gewisses Know-how wird aufgebaut. Die Umsetzung von Projekten erfolgt an den geeignetsten Standorten. Auf diese Weise wird auch Wildwuchs vermieden.“ In der Gesellschaft werden zwei Geschäftsführer bestellt: einer durch die EAM Natur Energie und einer durch die kommunalen Partner. Und warum die Geschäftsform GmbH & Co. KG? „Sie verbindet die steuerlichen Vorteile einer Personengesellschaft mit dem Vorteil der Haftungsbeschränkung einer GmbH“, erläuterte Schuh und blickte zudem auf den Stromverbrauch im AK-Land, der sich insgesamt auf 425 Gigawatt (GW) im Jahr 2022 belief (Gewerbe 190, Haushalte 185, Wärmepumpen 15 GW und weitere). Von der Gesamtmenge wurden rund 70 GW (16,5 Prozent) aus regenerativen Quellen gedeckt (Fotovoltaik 50, Windkraft 12, Biomasse 6 GW und weitere). Um den Strombedarf im Land an Sieg und Wied aufzufangen, müssten, so war in einer Sitzung des Kreisausschusses einmal mitgeteilt worden, zwischen 35 und 50 Windkraftanlagen gebaut werden.
Windkraft: Noch keine Anlage in Betrieb
In der VG Altenkirchen-Flammersfeld hat aber die „Verspargelung“ der Landschaft mit überdimensionalen, sich drehenden Dreiflüglern noch gar nicht begonnen. Schon vor rund dreieinhalb Jahren hatte sich der Umwelt- und Bauausschuss auch mit Blick auf die erforderliche Neuaufstellung des Flächennutzungsplans als Folge der Fusion (Gültigkeit vom 1. Januar 2028 an) mit der möglichen Ausweisung von Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen befasst und sich außer Stande gesehen, eine Richtung vorzugeben. Vielmehr waren sich damals die Fraktionen einig, dass mehr Beratungs- und Informationsbedarf bestehe. Jüngerich fasste die kurze Aussprache zusammen: „Vor einer abschließenden Entscheidung im VG-Rat, ob der neu aufzustellende Flächennutzungsplan Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen darstellen soll oder nicht, soll zunächst die landespolitische Ausrichtung wie Gesetzgebung oder Rechtsprechung zum Thema Windkraft beobachtet und in die zu treffenden Planungsentscheidung einbezogen werden. Für den Fall der Zulassung von Windkraftanlagen im Gebiet der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld sollte möglichst sichergestellt sein, dass die VG bzw. die betroffene OG an der Rendite der Anlage in angemessenem Umfang partizipiert.“ Die Entscheidung hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Darstellung von Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen im neuen Flächennutzungsplan wurde also zurückgestellt, die Verwaltung beauftragt, das landespolitische Geschehen zum Thema Windkraftanlagen weiter zu beobachten, auszuwerten und zu gegebener Zeit die politischen Gremien der VG über die gewonnenen Erkenntnisse zu informieren. Gleichermaßen wollten die Fraktionen im VG-Rat die fachspezifische Entwicklung des Themas weiter im Blick halten. Konzentrationsflächen sind aufgrund der Populationen von Rotmilan und Schwarzstorch derzeit nicht ausgewiesen.
Fotovoltaik: Erste Freiflächenanlagen in Planung
Grundlage für die Planung von Fotovoltaik-Freiflächenanlagen zwischen Willroth und Helmeroth ist ein Konzept des Planungsbüros Karlheinz Fischer (Trier), das vor zweieinhalb Jahren bestellt, rund 26.115 Euro kostete (so die Vergabe) und inzwischen auch vorliegt. „Wir sind bei der Planung“, berichtete Ulrich Konter, Fachbereichsleiter Infrastruktur, Umwelt und Bauen der VG-Verwaltung Altenkirchen-Flammersfeld, und nannte fünf mögliche Anlagen an unterschiedlichen Standorten mit einer Gesamtleistung von 55 Megawatt Peak. Voruntersuchungen und die Wirtschaftlichkeitsprüfungen seien im Gange. Noch nicht begonnen wurden demnach jeweils die Aufstellung eines Bebauungsplans und die erforderliche Änderung im Flächennutzungsplan. Fotovoltaikanlagen auf versiegelten Flächen lieferten im Jahr 2020, so die EAM Netz GmbH (Stromnetzbetreiber in der Stadt Altenkirchen und in 60 Ortsgemeinden der VG) 13.625.521 Kilowattstunden (kWh) Strom. Dazu kamen 5.429.076 kWh aus Biomasse und 1.207.412 kWh aus nicht EEG-Anlagen. Insgesamt betrug die Stromlieferung der EAM rund 120.000.000 kWh, so dass die vor Ort produzierten 20.537.915 kWh 17,1 Prozent ausmachten. Laut EAM werden 20.024 Anschlüsse in den 61 Gemeinden mit Strom versorgt. (vh)
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