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Nachricht vom 14.03.2024    

Empfang beim Kreis: Das Leid mit Schuldenbremse, Flüchtlingsfinanzierung und Mindestausstattung

Viele Kommunen quer durch die Republik eint: die desaströse monetäre Situation zwischen Schuldenbremse, Flüchtlingsfinanzierung und Mindestausstattung. Diese drei Faktoren spielen gerade in Rheinland-Pfalz in diesen Tagen auch einen eminent wichtigen Part, warum viele Ortsbürgermeister bei der nächsten Kommunalwahl im Juni nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren mögen.

Prof. Dr. Hans-Günter Henneke vermittelte im Altenkirchener Kreishaus interessante Aspekte zur Schuldenbremse, Flüchtlingsfinanzierung und Mindestausstattung. (Foto: vh)

Kreis Altenkirchen. Es ist ein Teufelskreis, dem viele Kommunen kaum entfliehen können. Alles unter einen Hut zu bringen mit Schuldenbremse, Flüchtlingsfinanzierung und Mindestausstattung gelingt kaum noch. Erforderliche Investitionen bleiben auf der Strecke, Politiker vor Ort – Bürgermeister und Ratsmitglieder – werfen vor der Kommunalwahl am 9. Juni entnervt das Handtuch und stehen für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung – die Verrohung der Sprache und verbale Attacken via sozialer Medien als auch Handgreiflichkeiten einmal außen vor gelassen. „Wir sitzen auf der kommunalen Ebene alle in einem Boot. Und ich weiß, nicht wenige von Ihnen hadern damit, bei den Kommunalwahlen noch einmal anzutreten oder haben sich bereits dagegen entschieden“, verdeutlichte Landrat Dr. Peter Enders beim (Neujahrs)Empfang für die Bürgermeister und Ortsbürgermeister am frühen Mittwochabend (13. März) im Kreishaus, „wir haben ja leider auch in den letzten Jahren immer wieder erlebt, dass Ortsbürgermeister ihre Ämter vorzeitig zur Verfügung gestellt haben. Die Gründe mögen individuell und persönlich sein, aber es gibt eben auch eine Entwicklung, die in den Medien dankenswerterweise immer öfter thematisiert wird: die Verrohung der Sprache, die desolate Finanzlage vieler Kommunen und einen Bürokratie-Wahnsinn.“ Er sei überzeugt: Neue Finanzbeziehungen zwischen Ländern und Kommunen, die Stärkung des kommunalen Ehrenamts und konsequentes Vorgehen gegen Hass und Hetze zeichneten den Weg vor, wieder zu Verbesserungen zu kommen. „Wenn wir über Kommunalfinanzen zwischen Schuldenbremse, Flüchtlingsfinanzierung und Mindestausstattung reden, dann spielen diese Gedanken und Erfahrungen eben auch mit. Vor allem die Flüchtlingspolitik treibt uns alle um hier im Kreishaus, in den Verbands- und Ortsgemeinden. Am Ende werden wir die Probleme nur solidarisch lösen können, aber von Land und vor allem von Bund auch einfordern müssen, dass dort gehandelt wird, das Gesetze umgesetzt bzw. angewendet werden. Ich fordere von Bund und Land ein, schneller zu reagieren. Das ist das grundlegende Problem“, machte Enders deutlich.

Kein Einnahme-, sondern Ausgabeproblem
„Uns fehlt als Staat Deutschland kein Geld. Wir haben ein Steueraufkommen in Höhe von fast 100 Billionen Euro“, stellte Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages, vielleicht zum Erstaunen des einen oder anderen Zuhörers die finanzielle Basis dar. Das sei immens viel Geld, „wir haben, salopp gesagt, kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. Und das gilt auch auf der kommunalen Ebene. Wir dürfen nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben. Wir haben grundsätzlich einen zu hohen Pflichtaufgabenbestand.“ Im Blick zurück ging er auf die riesigen Schuldenberge ein, die der Staat während der Corona-Pandemie angehäuft habe und die vom Jahr 2028 an zugeführt, getilgt werden müssten, was nicht einfach sei. „Das gilt für den Bund, das gilt für die Länder“, zeigte er auf, das schränke die Ausgabenspielräume in ganz erheblichem Maße ein. „Dass es ohne Einsparungen nicht geht, ist zwingend. Der Bund muss überlegen, ob er bestimmte Aufgaben noch machen kann. Aufgaben, die man gegenwärtig schon machen muss, ob Bund, Länder oder Kommunen, muss ich finanzieren. Aufgaben, die ich zusätzlich machen möchte, binden Personal und kosten viel Geld“, betonte Henneke und forderte, diese zusätzlichen wie beispielsweise die Kindergrundsicherung mit rund 5000 neuen Stellen zu verschieben, „beiseite zu packen“.

Keine Kostenerstattung seit 2022 mehr
Bei der Flüchtlingsfinanzierung sei etwas enorm schief gegangen, leitete Henneke zum nächsten Punkt über. Hartz IV habe kein Geld eingespart, sondern zehn Milliarden Euro mehr gekostet. Deshalb habe sich der Bund an den Kosten für die Unterkunft mit einer bestimmten Quote beteiligt, die die Landkreise und kreisfreien Städte zu tragen gehabt hätten. Im Anschluss seien die kommunalen Lasten immer weiter gestiegen. Deshalb habe man mehrfach gesagt, etwas für den kommunalen Bereich zu tun. Nach diversen Gesprächen und Änderungen gebe es nun eine flüchtlingsbedingte Kostenerstattung seit 2022 nicht mehr. „Zwei Milliarden und neun Millionen Euro beträgt diese für das Jahr 2022“, rechnete Henneke vor, „dieser Betrag ist schlicht weg. Hochgerechnet kommen für 2023 drei Milliarden und 16 Millionen Euro zusammen. Es ist nicht absehbar, dass wir diese Geschichte ersetzt bekommen. Das müssen Sie wissen. Wir sind an den Gesprächen nicht unmittelbar beteiligt gewesen. Darin steckt eines der Probleme, die Sie auslöffeln müssen.“



Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung einklagen
„Wir versuchen, beim Bundesverfassungsgericht einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung einzuklagen, den das Bundesverwaltungsgericht jedem einzelnen Landkreis und jeder einzelnen Ortsgemeinde zugesprochen hat“, ging Henneke zu einem aus Sicht kommunal Verantwortlicher extrem wichtigen Punkt über. Die Klage sei noch nicht entschieden, „aber wir haben sie in diesen Tagen noch einmal intensiv befeuert“. Das Bundesverwaltungsgericht habe 2013 verfügt, dass jede Gemeinde und jeder Landkreis einen Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung habe, um alle Pflichtaufgaben und ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben ohne Kreditaufnahme erfüllen zu können. Das jeweilige Land, also hier Rheinland-Pfalz, habe dies im „Gesamt seines Regelwerks“ zu gewährleisten. Diese Rechtsprechung binde alle Landkreise in Deutschland. Bei der Festlegung der Kreisumlage komme es dann zum Schwur. Nicht der Landkreis habe die Mindestausstattung der Gemeinden herzustellen, sondern das Land. Wenn das Land die Mindestausstattung nicht gewährleisten könne, müsse es Aufgaben zurücknehmen, denn für die Gemeinden gelte, dass die Mindestausstattung absolut geschützt sei. Es dürfe nicht die Situation entstehen, an Pflichtaufgaben pleite zu gehen. Die Frage, ob eine Gemeinde ein Aufgabenerfüllungsverweigerungsrecht habe, sei schwierig zu klären. Was man allgemein in Deutschland sagen könne: „Wir als kommunale Ebene stehen auf und machen den Weselsky.“ Seine Botschaft lautete zusammenfassend: „Die Schuldenbremse ist richtig. Deswegen durfte es die Ausflucht mit den 60 Milliarden Euro Schulden aus der Corona-Krise nicht geben. Bei der Flüchtlingsfinanzierung mit den fünf Milliarden Euro hat uns der Bund berumst. Im kommunalen Bereich halte ich es für richtig, dass es diesen Mindestausstattungsanspruch gibt.“

Kreise in der finanziellen Klemme
So sieht die finanzielle Situation der Kreise aus, wie sie der Landkreistag Rheinland-Pfalz in einer Mitteilung darstellt: „In einer Konferenz haben sich die Landräte in Rheinland-Pfalz erneut mit der aktuellen Entwicklung der Kreishaushalte fürs Jahr 2024 befasst. Unter dem Strich bleibt es dabei, dass die Ergebnishaushalte addiert ein Defizit um rund 250 Millionen Euro ausweisen. Ursächlich dafür sind zunächst stark ansteigende Kosten unter anderem im Bereich der Kindertagesstätten, bei den Hilfen zur Erziehung, bei der Eingliederungshilfe, aber auch im Bereich der Schülerbeförderung und des ÖPNV. Hinzu treten Einbrüche bei den allgemeinen Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Das Finanzministerium hat laut einer Mitteilung darauf hingewiesen, dass die Haushaltsplanungen der Kreise sehr vorsichtig seien und sich daher zumeist vorläufig defizitäre Haushalte ergeben würden. Bei einem Defizit dieses Ausmaßes ist allerdings keine Kehrtwende ins Positive zu erwarten. Im Übrigen sind die Kämmereien der Kreise dem Haushaltsgrundsatz der Wahrheit und Klarheit verpflichtet. Die Konferenz hat daher einen Appell an die Landesregierung verabschiedet, finanziell notleidende Kreise unverzüglich zu unterstützen und dafür Sorge zu tragen, dass spätestens ab dem Landeshaushalt 2025 die Leistungen an die kommunale Ebene insgesamt aufgestockt werden.“

Henneke als ausgewiesener Fachmann
Hennecke (Jahrgang 1957) befasst sich seit mehr als 30 Jahren wissenschaftlich und in Verfassungsprozessen mit Fragen des Finanzverfassungsrechts und der kommunalen Finanzausstattung. Seit 1993 ist er für den Deutschen Landkreistag tätig, seit 2000 als geschäftsführendes Präsidialmitglied. Er ist Honorarprofessor an der Universität Osnabrück (seit 1996) und war zuvor unter anderem Lehrbeauftragter an der deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Darüber hinaus gehörte Henneke den Föderalismuskommissionen auf Bundesebene an und wirkt als Sachverständiger in gemeinsamen Anhörungen von Bundestag und Bundesrat. Außerdem hat er zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, der öffentlichen Finanzen und der Verwaltungslehre vorgelegt und ist mit (Mit-)Herausgeber und Kommentator führender Einschätzungen zum Grund- und zum Verwaltungsverfahrensgesetz. (vh)


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