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Nachricht vom 09.05.2024    

Altenkirchener Caritas-Beratung: Bär-Otto kümmert sich um "Wohnraumsicherung"

Notsituationen erfordern schnelles Handeln. Je früher Hilfen einsetzen, desto erfolgreicher lassen sich Herausforderungen angehen. Diesem Leitfaden folgt auch Diplom-Sozialpädagogin Tatjana Bär-Otto, die die Fachberatung "Wohnraumsicherung" beim Caritasverband Rhein-Sieg in der Dependance in Altenkirchen übernommen hat.

Tatjana Bär-Otto und Harald Klippel hoffen, dass sie vielen Menschen bei der Wohnraumsicherung helfen können. (Foto: vh)

Altenkirchen. Der Mangel an (Sozial-)Wohnungen in Deutschland wird immer gravierender. Derzeit ist die Bundesregierung von ihrem selbstgesteckten Ziel, 400.000 Einheiten pro Jahr auf den Markt zu bringen, mit deutlich unter 200.000 meilenweit entfernt. Der Markt gestaltet sich schwierig und generiert vielfältige Probleme für Menschen, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens mit entsprechender finanzieller Ausstattung stehen. Die Folgen sind vielschichtig: Wohnungslosigkeit, Kündigung der Wohnung, bereits ausgesprochene Kündigung (inklusive Räumungsklage), Mietzahlung stockt (Mietrückstände aufgelaufen), Konflikte zwischen Mieter und Vermieter schaukeln sich hoch. An diesen möglichen Punkten setzt die Arbeit von Diplom-Sozialpädagogin Tatjana Bär-Otto an. Sie ist die Fachberaterin „Wohnraumsicherung“ beim Caritasverband Rhein-Sieg in Altenkirchen. „Das Bild von den Menschen, die sich hier an uns wenden, ist gang, ganz heterogen“, zieht sie ein erstes Fazit ihrer Tätigkeit, die am 1. Februar diesen Jahres begonnen hat. Der jüngste sei 22, der älteste bislang Mitte 70 gewesen. „Da sind Menschen mit psychischer Erkrankung, mit Suchtproblemen darunter, dazu zählen Alleinstehende und Familien mit Kindern“, ergänzt sie, es sei alles dabei, „was es in unserer Gesellschaft so gibt“. Sie berate aktuell Menschen, die wohnungslos seien, und die kurz davor stünden, die eigene Wohnung zu verlieren. Das Thema sei viel, viel näher, „als man so denkt“. In Zahlen: Bundesweit wird jährlich zum 31. Januar eine Statistik erstellt, die die Zahl derjenigen beschreibt, die „ordnungsrechtlich“ untergebracht sind. Im Jahr 2023 waren es 372.060 Menschen. Dazu zählten, so Bär-Otto, rund 63.000 aus der Ukraine. Auf den Kreis Altenkirchen waren es zu diesem Stichtag heruntergebrochen zehn. Nicht erfasst seien die, „die auf der Straße leben“. Weiterhin zu berücksichtigen gelte eine große Gruppe von Menschen, die bei Bekannten untergekommen seien, „bei den Jüngeren sagt man Sofa-Generation oder Couch-Surfer“. Diese würden in den bundesweiten Zahlen nicht erfasst. Bär-Otto vermutet, dass es im AK-Land auch Obdachlose gebe, „aber es gibt keine Zählung, weil sie nicht erfasst werden“.

Kein Hilfesystem, nur Notschlafstelle
Bär-Otto merkt kritisch an, dass im Kreis kein Hilfesystem bis auf die Notschlafstelle in den Räumen der Caritas-Geschäftsstelle in der Altenkirchener Rathausstraße existiere. Im ländlichen Bereich gebe es zudem eine ganz andere Scham als in Großstädten, „wo man ein bisschen in der Anonymität untertauchen kann. Aber hier kennt jeder jeden. Alles spricht sich viel schneller rum.“ Solche Menschen zögen es bisweilen vor, auch draußen zu schlafen. Die Schwierigkeit an der Wohnungslosigkeit sei nicht nur, ohne Wohnung zusein, „sondern man wird auch aus ganz, ganz vielen sozialen Gefügen herausgeschleudert“. Es fange ganz banal an mit einer fehlenden Adresse, um an einen Internetanschluss oder eine SIM-Karte zu kommen. „Ohne Wohnung bekomme ich keine Arbeit, ohne Arbeit keine Wohnung“, zeichnet Bär-Otto eine Teufelskreis auf, der nur mit größten Anstrengungen verlassen werden könnte, „und das Thema rückt immer näher. Ich glaube, dass aufgrund der angespannten Situation am Wohnungsmarkt es die Zielgruppe besonders hart trifft. Menschen haben sich an mich gewandt wegen Eigenbedarfs-Kündigungen. Beispiel: geringe Rente, im Rollstuhl sitzend, dreimal wöchentlich eine Krankenhausbehandlung. Der Mann hatte Probleme, einen barrierefreien Wohnraum zu finden“. Die Beratung beinhaltete auch eine Verschiebung der Räumungsklage und das Aufzeigen weiterer Rechtsmittel. Viele Menschen wüssten überhaupt nicht, wo sie sich Hilfe holen könnten. „Wir haben es in dem Fall des Rentners auch tatsächlich geschafft, eine Wohnung für ihn zu akquirieren. Es waren ganz, ganz viele Schritte notwendig, und auch ein Plan B musste entwickelt werden für den Fall, dass keine Wohnung gefunden werden konnte“, blickt Bär-Otto zurück, der Mann sei schon so verzweifelt gewesen, dass er sich in einem Altenheim angemeldet habe.

Nicht menschenwürdige Wohnungen
Der Wohnungsmarkt sei knapp, es sei ein Vermietermarkt, fügt Bär-Otto an und ruft sich Menschen, die sie kontaktiert hätten, ins Gedächtnis. Sie hat Bilder von Wohnungen vor Augen, die „eigentlich gar nicht menschenwürdig waren, die so verschimmelt waren, wie man es sich nicht vorstellen kann. Wir würden alle auch nicht in eine Wohnung ohne ein Übergabeprotokoll einziehen.“ Es gebe jedoch Menschen in „unserer Gesellschaft, die aus verschiedenen Gründen so weit unten sind, dass sie so eine Wohnung nehmen müssten, „Hauptsache ein Dach über dem Kopf. Wenn die Möbel erst einmal drin sind und die Matratzen zu schimmeln beginnen, dann folgen der Weg zum Anwalt und eine Mietkürzung.“ Damit sei das Verhältnis zum Vermieter bereits erschüttert, es ergehe eine Räumungsklage. Als Folge sei es schwierig, neuen Wohnraum zu finden. Es gebe Wohnungen, die gar nicht mehr vermietet werden dürften, die jedoch an eine bestimmte Klientel vermietet würden und dann noch zu einem überteuerten Preis. „Wenn ich keine andere Chance habe, nehme ich mir, was mir unterkommt“, erläutert Bär-Otto, die auch die Erfahrung gemacht hat, dass „Leute ohne Mietvertrag irgendwo wohnen und die dann von heute auf morgen vor die Tür gesetzt werden“. Sie vermutet hinter solchen Fällen „offiziell nicht dargelegte Einkommen“.



Kein Zuwachs im sozialen Wohnungsbau
Was die Zahl von freien Wohnungen in der Region angeht, kann Bär-Otto keine Zahl nennen. In der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld beispielsweise sei der Wohnungsmarkt sehr rar. Es tue sich ganz, ganz wenig, zudem werde auch nichts gebaut und im sozialen Wohnungsbau schon mal gar nicht. Das mache die Arbeit für sie natürlich schwieriger. „Meine Aufgabe ist perspektivisch: Wie komme ich mit Menschen, die noch Wohnraum zur Verfügung haben, in Kontakt? Wie kann ich bei diesen für eine Offenheit sorgen, doch noch zu vermieten?“, legt Bär-Otto dar. In anderen Kommunen seien gute Erfahrungen gemacht worden, den Vermietern auch eine gewisse Sicherheit zu bieten, „zum Beispiel mit Klauseln im Mietvertrag, dass beispielsweise bei Mietrückständen die Fachberatung eingeschaltet werden darf. Es gibt gute Beispiele, dass das hilft“. Derzeit werde Wohnraum schon gar nicht mehr an Leistungsbezieher vermietet. Das sei eine Zeitlang super gewesen, denn alle hätten sich gefreut, dass die Miete vom Amt gekommen sei. Auch heute noch gebe es die Möglichkeit, die Miete direkt vom Amt an den Vermieter überweisen zu lassen.

„Recht wird noch nicht ganz ausgeübt“
In puncto Kooperation mit den Ordnungsämtern strebt Bär-Otto, die sich schon bei allen quer durch den Kreis vorgestellt hat, „ein gutes und besseres Hinbekommen im Sinne für die Menschen ohne Wohnung an. Hier im ländlichen Bereich wird wohl das Recht, dass jeder Mensch den Anspruch hat, ein Dach über den Kopf zu bekommen, noch nicht so ganz ausgeübt. In Großstädten ist man schon weiter. Hin und wieder merke ich, dass es bei manchen noch Hürden in der Aufnahme gibt, dass es Argumente gibt, warum der eine oder andere nicht aufgenommen wird“. Es sei ihr ein großes Anliegen, mit den Ordnungsbehörden in einen guten Kontakt zu kommen, zu schauen, was „die Ordnungsämter brauchen, um ihre Arbeit besser machen zu können und was für mich notwendig ist.“ Grundsätzlich handele es sich bei „ihren Kunden“ um Menschen, die eine sehr geringe Lobby hätten, die nicht unbedingt im Fall des Falles auf einen Anwalt zurückgreifen könnten, „nachdem Aufnahmen rechtswidrig abgelehnt wurden. Rechtlich gesehen hat jeder Menschen in Deutschland, egal woher er kommt, egal, was er ist, sofern er hilfsbedürftig ist, ein Recht auf Unterbringung. Dafür gibt es keine Standards. Der Landkreis Altenkirchen ist noch nicht soweit, besser zu handeln“. Sie sehe aber auch die Angst bei den Verbandsgemeinden, dass solche Menschen zu Langzeitkandidaten würden. Sie habe von Menschen in diesen Unterkünften gehört, die über 10, 15 Jahre in diesen „Behausungen“ lebten. „Es muss ein Miteinander sein zwischen den Verbandsgemeinden und unserer Stelle“, gibt Bär-Otto das Motto aus, „um für die Zielgruppe was besseres zu erreichen. Es gebe derzeit Menschen, die gar nicht in diese Unterkünfte gingen, weil es eben „Behausungen“ seien, und es vorzögen, „lieber draußen zu schlafen“. Erkennbar sei auch eine Strategie, Menschen „da hin zu schicken, wo mehr Infrastruktur ist. Das ist natürlich schwierig, aber niemand möchte Menschen, die in Not sind, auch wirklich haben“. Kapituliert habe sie noch nie, „ich komme dann an meine Grenzen, wenn ich weiß, dass ein Mensch ein Recht auf etwas hat, und das Recht wird nicht gewährt. Dann finde ich es schwierig, diesen Umstand auszuhalten.“ So bringt Bär-Otto auf den Punkt, wie sie ihre Tätigkeit sieht: als Mittlerin zwischen Mietern, Vermietern und Menschen ohne Wohnraum.

Hoher Zuschuss von „Aktion Mensch“
Aufgabe dieser neu und mit Unterstützung der „Aktion Mensch“ in Trägerschaft des Caritasverbandes Rhein-Sieg eingerichteten Anlaufstelle (80-prozentige Förderung für fünf Jahre) sei es, so Harald Klippel, Vorstand des Caritasverbandes Rhein-Sieg, Menschen, die bereits ohne feste Wohnung lebten und oder akut oder mittelfristig von Wohnungslosigkeit bedroht seien, bestmöglich zu beraten und zu unterstützen. „Wir möchten Menschen aus der Ecke holen, damit es nicht mehr so viele Wohnungslose gibt“, sagt Klippel. Dazu gehöre auch, ein ganzheitlich agierendes Netzwerk zwischen Behörden, Ämtern und anderen relevanten Stellen wie etwa Jobcenter, Kommunalverwaltung, Energieversorger oder auch Vermietenden aufzubauen, um die Hürden bei der Versorgung wohnungsloser Menschen zu erkennen und an deren Behebung gemeinsam zu arbeiten. Bär-Otto habe sich in diesen ersten Monaten ihrer Beschäftigung deshalb intensiv mit der Situation im Kreisgebiet vertraut gemacht, Daten und Fakten gesichtet und mit zahlreichen wichtigen Stellen im Kreisgebiet Kontakt aufgenommen. Während der Begleitung erster Ratsuchender habe ihr die praktische Erfahrung zudem gezeigt, wo die größten Hindernisse bei der Suche oder dem Erhalt bezahlbaren Wohnraums lägen. (vh)

Tatjana Bär-Otto ist zu erreichen in der Caritas-Geschäftsstelle (Rathausstraße 5/57610 Altenkirchen) unter Tel. 0152/22888218 oder per Mail an tatjana.baer-otto@caritas-rheinsieg.de


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