Neustadt: Tanzfestival "Neue Welle" erfasste wieder die Wiedparkhalle
Die Zahlen haben wieder einmal für sich gesprochen: rund 900 Teilnehmer, 480 Auftritte und 120 Siegerehrungen. Das Tanzfestival „Neue Welle“ in der Wiedparkhalle in Neustadt gab drei Tage lang Einblicke in die faszinierende Welt der unterschiedlichsten Stilrichtungen abseits von Walzer, Rumba oder Tango. Angesagt waren Hip-Hop, Folklore oder Jazz, am Start vier- bis 40-jährige Eleven in unterschiedlichsten Formationen.
Neustadt/Altenkirchen. Die Bürde, alles bestens umgesetzt zu haben, fiel am Sonntagabend (12. Mai) einfach nur ab. „Wunderbar“, blickte Viktor Scherf, Cheforganisator des Tanzfestivals „Neue Welle – Wir tanzen um die Welt“, in einem ersten knappen Statement auf den „Marathon“ zurück. Nach drei Tagen mit einem pickepackevollen Programm in der Wiedparkhalle in Neustadt wurde die zwölfte Auflage der großen Veranstaltung, die der Verein „Neue Welle“ mit Scherf an der Spitze ausrichtet, zur Vergangenheit. Ist die RTL-Show „Let’s Dance“ in erster Linie ein Wettbewerb für Standardtänze, öffnete sich beim Gegenstück wie immer fast die gesamte Palette der Stilrichtungen, die nicht über die Mattscheibe flimmern. So setzten rund 900 Mitmachende aus 44 Tanzschulen und -vereinen, die aus der gesamten Bundesrepublik (und sogar eine aus Italien) angereist waren, mit rund 480 Tänzen aus den Kategorien Ballett, Hip-Hop/Streetdance, Breakdance, Jazz, Folklore, Kindertanz, Showtanz, Fusion-Ballett, Open, Lyrik, moderner und zeitgenössischer Tanz den Gegenpol zu Walzer, Rumba oder Tango. „Wir haben tänzerisch ein sehr hohes Niveau gesehen“, betonten Tobias Ehinger, geschäftsführender Direktor des Theaters Dortmund, und Scherf unisono, nachdem alle die Heimreise angetreten hatten. „Ich kenne Viktor schon lange und bin beeindruckt, was er hier in der Region auf die Beine stellt“, lobte Ehinger, der immer auf der Suche nach Talenten ist und unter dieser Voraussetzung auch schon mehrmals Gast in Scherfs Tanzschule „Let’s Dance“ in Altenkirchen war. Scherf betonte, dass der sportliche Wert deutlich nach oben gegangen sei. Vor allem im Bereich der Folklore-Tänze sei das klar sichtbar geworden, „sehr professionell“, beschrieb er, „immer mehr Kinder wollen Folklore tanzen.“ War der Zeitplan der ersten beiden Abschnitte einigermaßen eingehalten worden, war Scherf am finalen Tag wegen den vielen Siegerehrungen und der Übergabe der Geschenke („Ich bin selbst schuld“) in Rückstand geraten – mit der Folge, dass er zusätzliches Personal für die Jury verpflichten musste, weil mehrere Wertungsrichter am späten Sonntagnachmittag noch ihre Flieger gen Heimat erreichen und deswegen früher abreisen mussten. Er hätte immer einen Plan B, meinte Scherf, „der Wettbewerb muss durchkommen, professionell bis zum Schluss“.
Die Wiedparkhalle passt
Erneut war Scherf mit der Auswahl der „Location“ zufrieden. Das Gebäude, die Umgebung passe, meinte er, zumal in Altenkirchen, dem Stammsitz von „Let’s Dance“, keine so richtig geeignete Halle zur Verfügung steht. Denn die Stadthalle, in der Scherf schon zahlreiche Jahresaufführungen in Szene gesetzt hatte, ist nach seinen Angaben auch wegen den Ausmaßen der Bühne zu klein und darüber hinaus „dank“ asbestbelasteter Lüftungsklappen auf unbestimmte Zeit sowieso geschlossen. Möglich sei vielleicht, die große Sporthalle im Sportzentrum auf der Glockenspitze zu nutzen. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, hatten die Ausrichter direkt an der Wiedparkhalle sechs Zelte mit einer Fläche von rund 300 Quadratmetern aufgestellt, in denen sich die Teilnehmer jeweils für den Auftritt in „Schale“ werfen, also das passende Outfit anziehen konnten. So sei das Gewusel im Zuschauerbereich doch erheblich reduziert worden, wertete Scherf die Maßnahme als richtigen Schritt, nachdem bei der Premiere in Neustadt im Vorjahr so gut wie kein Platz mehr für Zuschauer ob des ständigen Kommen und Gehens gewesen sei.
Professionelle Jurys mit internationaler Erfahrung
Während in der gleichnamigen Show im TV-Privatsender RTL nicht nur die Tanzpaare im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Jury mit Motsi Mabuse, Jorge Gonzáles und Joachim Llambi stets einen gewichtigen Part spielt, ließ Scherf seine Wertungsrichter im Hintergrund agieren. „Alles professionelle Leute mit großer internationaler Erfahrung“, skizzierte er kurz und knapp die Frauen und Männer, die über Sieg und Platzierung entschieden. Ein Trio leistete freitags die immens wichtige Arbeit, während ein zweites samstags und sonntags im Dauereinsatz war. Scherf hatte sie auch mit ein paar Hintergedanken verpflichtet, um den Top-Tänzern womöglich ein Sprungbrett für höhere Weihen zu bieten. „Ein Praktikum oder ganz einfach nur einmal vortanzen bei der einen oder anderen hoch anerkannten Schule können Möglichkeiten der weiteren Ausbildung bieten“, war für den 59-Jährigen, der mit seiner Schule schon 22 Jahre am Markt ist, ein wichtiger Aspekt, wohl wissend, dass die Luft, um ganz nach oben zu kommen, sehr, sehr dünn ist.
„Nicht der Mensch, um zu betteln“
Überaus froh war Scherf, dass das Budget in Höhe von rund 12.000 Euro wieder einmal eingehalten werden konnte. Großsponsoren waren Mangelware, lediglich ein lokaler Bankfilialist steuerte 250 Euro bei. „Ich bin nicht der Mensch, um zu betteln“, störte ihn wohl eher wenig die Resonanz auf die zahlreich verschickten Briefe, in denen auf das Großevent hingewiesen worden war. Den Hauptpart der Finanzierung fiel wiederum dem Startgeld zu. Zu dieser Gebühr wurde zudem pro Tänzer ein einmaliger Medienobolus in Höhe von 8 Euro fällig, im Gegenzug gab es einen Zugangscode zu einer Internetpräsenz, über die Fotos und Videos des gesamten Wettbewerbs abgerufen werden konnten. Kein Wort verlor Scherf über die unzähligen Stunden, die die Mitglieder des Organisationsteams allen voran Renate Schmidt, die schon viele Jahre an Scherfs Seite auch in der Tanzschule mitwirkt, ehrenamtlich leisteten. Da musste beispielsweise an der Bühne gewerkelt werden, um sie zu vergrößern, da mussten die rund 480 Musikstücke auf einem Stick zusammengestellt werden, um auf der musikalischen Seite den planmäßigen Ablauf zu gewährleisten. Summa summarum waren am Wochenende knapp 50 Ehrenamtler vor Ort gefordert. Die Ableger der Lebensmitteleinzelhandelskette Mix-Markt aus Waldbröl und Koblenz steuerten für alle Teilnehmer unentgeltlich 800 bzw. 190, Mini Mix aus Bad Marienberg 200 Geschenke bei, deren „Überlebensdauer“ wohl nicht allzu lang war, weil das Verschmähen von Nascherei doch schwer fällt. Mix-Markt hat sich nach eigenen Angaben auf den Verkauf osteuropäischer Produkte spezialisiert und gehört in diesem Segment deutschlandweit zu den Marktführern nach der Gründung im Jahr 1997. Inzwischen zählen 362 Supermärkte in Deutschland und Europa zur Kette, während Mini Max der kleinere Bruder von Mix-Markt ist.
Es geht auch ganz ohne Schirmherr
Den Besten einer jeden Kategorie (Solo, Duett, Trio, Quartett, kleine Gruppe bis zehn Tänzer/innen, große Gruppe ab elf Tänzer/innen) in den unterschiedlichsten Stilrichtungen wurden Pokale und Medaillen überreicht. Für die „begabtesten Starter“ gab es zusätzlich zehn „Diamanten“, auf denen jeweils das Ereignis eingraviert worden war. Auf einen Schirmherren hatte Scherf bewusst verzichtet, denn die „Eltern der Kinder üben diesen Part am besten aus“, lautete die simple Begründung. Um die Unterbringung, falls erforderlich oder gewünscht, mussten die Teilnehmer sich selbst kümmern. Die Geburt hatte die „Neue Welle“ in der Stadthalle in Duisburg-Walsum im Jahr 2011 gefeiert, weitere sieben Konkurrenzen schlossen sich an diesem Schauplatz an. 2019 und 2020 musste das Festival coronabedingt pausieren. Scherf kehrte mit der „Neuen Welle“ im Oktober 2021 und einer abgespeckten Version (geschuldet den immer noch existierenden Corona-Vorgaben) auf die Bühne seiner Tanzschule unter dem Altenkirchener „Fernsehturm“ und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zurück. 2022 ging es nach Windhagen, ehe im zurückliegenden Jahr zum ersten Mal die Wiedparkhalle in Neustadt als Gastgeber fungierte. Apropos Duisburg-Walsum: Aufgrund einer Zusammenarbeit mit dem Neusser Ehepaar Alexander und Ella Kühl war die Veranstaltung in der Stadt an der Mündung der Ruhr in den Rhein während den Anfangsjahren angesiedelt. (vh)
Feedback: Hinweise an die Redaktion