Cyberbetrug auf Social Media: Jeder Vierte in Deutschland bereits betroffen
Von Axel Griebling
Internetbetrug nimmt in Deutschland weiter zu – besonders ältere Menschen sind gefährdet. Jeder vierte Bundesbürger war laut BSI bereits Opfer von Cyberkriminalität.

Günter H. ist aufgeregt. Er hat auf einer Social-Media-Plattform eine Anzeige entdeckt, die ein wahres Schnäppchen zu sein scheint. Denn dort wird eine fabrikneue Motorsäge eines führenden deutschen Markenherstellers, deren regulärer Marktpreis 850 Euro beträgt, zum Preis von 150 Euro angeboten. Und genau diese Motorsäge war schon immer sein Traum. Sofort schreibt Günter H. eine E-Mail an den Anbieter und bekundet sein Interesse. Und da er ein wenig misstrauisch ist, möchte er wissen, wieso die Motorsäge so billig angeboten werden kann.
Bereits nach wenigen Minuten erhält er eine Antwort. Darin steht, dass die Motorsäge aus einer Überproduktion stamme, die für den Auslandsmarkt bestimmt war, aber vom Empfänger nicht abgenommen wurde. Und er erhält außerdem die Mitteilung, dass vom gleichen Motorsägentyp noch mehr Exemplare vorhanden seien. Gleichzeitig weist der Verkäufer darauf hin, dass eine Abholung der Säge aus logistischen Gründen nicht möglich sei und die Säge deshalb mit der Post verschickt werden müsse.
Als Rentner und ehemaliger Buchhalter eines mittelständischen Unternehmens wittert Günter H. nun das große Geschäft. Angenommen, er kauft zwei Motorsägen je 150 Euro, zahlt dafür insgesamt 300 Euro, behält sich davon eine Säge und verkauft die andere für 450 Euro in seinem Bekanntenkreis oder über eBay weiter. Dann erhält er nicht nur seine Wunschsäge kostenlos, sondern hat noch zusätzlich 150 Euro verdient. Ohne zu zögern, überweist Günter H. die 300 Euro auf das Konto des Anbieters. Da ist es ihm auch egal, dass sich das Konto des Empfängers bei einer Bank im Ausland befindet.
Voller Vorfreude wartet Günter H. indessen auf seine Lieferung. Und er wartet und wartet. Schon vier Wochen sind nach dem vermeintlichen Deal vergangen, und Günter H. hat immer noch keine Ware erhalten. Das Seltsame daran ist, dass der Verkäufer auf keine weitere Mail von ihm reagiert und die Anzeige in der Social-Media-Plattform auch nicht mehr erscheint. Nach zwei weiteren Wochen vergeblicher Wartezeit bekommt Günter H. Panik und erstattet bei der Polizei Anzeige. Doch die Beamten machen ihm wenig Hoffnung und erklären Günter H., dass er offensichtlich einem Betrüger aufgesessen ist. Diese Betrüger, die oft bandenmäßig organisiert sind, zu ermitteln, ist nahezu unmöglich, da diese Bankkonten mit falschem Namen eröffnen, das Geld nach Eingang abheben und anschließend das Konto sofort wieder löschen.
Genau wie Günter H. wurde laut Auskunft des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) allein in Deutschland bereits ein Viertel der Bevölkerung Opfer von Cyberkriminalität. Und die Tendenz ist steigend, denn immer mehr Menschen erhalten Zugang zur digitalen Kommunikation per Internet. Dabei scheint es so, dass gerade ältere Menschen auf diese Art der Betrugsmaschen hereinfallen.
Ein Selbsttest zeigt: Auf einer Social-Media-Plattform finden sich zahlreiche Anzeigen, die angesichts des Preises sofort auf eine betrügerische Absicht schließen lassen. In Dortmund beispielsweise wird eine neue Motorsäge, deren Katalogpreis etwa 1.200 Euro beträgt, für 195 Euro angeboten. In Köln ein neuer Trennschleifer, Marktwert 950 Euro, für 150 Euro. Und es tauchen immer mehr dubiose Anzeigen auf. Fast alle Anbieter haben sich auf der Plattform erst seit Kurzem registriert.
Etwa 30 dieser Anzeigen werden als betrügerisch und unseriös gemeldet. Zunächst scheint dies Erfolg zu haben, denn anschließend werden kaum noch ähnliche Angebote angezeigt. Doch dann folgt die Ernüchterung: Per Antwort wird mitgeteilt, dass keine einzige der gemeldeten Anzeigen gegen die Anbieterrichtlinien der Social-Media-Plattform verstoße und deshalb nicht gelöscht werde. Stattdessen werden die Anzeigen für den meldenden Nutzer unsichtbar ausgeblendet – ein typischer Fall algorithmischer Filterung.
Wie man sich schützen kann:
Misstrauen ist angebracht, wenn ein Artikel erheblich unter dem Marktwert angeboten wird oder anderweitig nicht verfügbar ist.
Vorsicht bei Verkäufern, die sich erst kürzlich angemeldet haben oder keine bzw. überwiegend negative Bewertungen aufweisen.
Fehlt bei ausländischen Anbietern eine Anbieteradresse oder bei deutschen Firmen ein Impressum, ist Skepsis angebracht.
Niemals Geld im Voraus überweisen, wenn kein Käuferschutz besteht – es sei denn, der Anbieter ist persönlich bekannt.
Auch bei Lieferung per Nachnahme ist Vorsicht geboten – der Paketinhalt kann stark vom erwarteten Produkt abweichen.
Niemals vorab Geld für angebliche Transportkisten, Zollabwicklung oder Versicherungskosten zahlen.
Seien Sie misstrauisch, wenn Verkäufer binnen weniger Minuten auf Anfragen reagieren – das kann auf automatisierte Abläufe hindeuten. (GRI/Red)
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