„Gemeindeschwester plus“ Lena Mertgen: Kostenloser Rat für Senioren ab 70 Jahren
Das Angebot „Gemeindeschwester plus“ richtet sich an ältere Menschen, die noch keine Pflege brauchen, sondern Unterstützung und Beratung in ihrem aktuellen Lebensabschnitt. Die Fachkraft besucht Senioren nach deren vorheriger Zustimmung zu Hause und berät sie kostenlos und individuell. Auch in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld gibt es inzwischen dieses Angebot.

Altenkirchen. Wer erwartet hat, dass Lena Mertgen von Kopf bis Fuß in einer speziellen Tracht à la Ordensfrau daherkommt, wird enttäuscht. Lediglich das Wappen der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld ziert ihr Poloshirt und die farblich identische leichte Jacke, die sie an diesem Morgen trägt, von spezieller Kluft kann also nicht die Rede sein. „Ja, danach bin ich schon oft gefragt worden, aber ich komme ohne ein spezielles Outfit aus“, bemerkt sie lächelnd. Seit dem 1. März ist Mertgen „Gemeindeschwester plus“ für den großen Bereich zwischen Helmeroth und Willroth. Von Hause ist Mertgen gelernte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin: „Die Ausbildung habe ich 2014 begonnen und 2017 erfolgreich am Universitätsklinikum Bonn abgeschlossen.“ Danach habe sie unter anderem auch im Hachenburger Krankenhaus gearbeitet, „bis die Entbindungsstation geschlossen wurde“, fügt die 32-Jährige an, sie sei aber nicht mit nach Kirchen umgezogen, sondern habe ihre berufliche Laufbahn im Kinderkrankenhaus in St. Augustin fortgesetzt. Durch einen Freund sei sie auf die Stelle der Gemeindeschwester plus aufmerksam gemacht worden. „Das hat sich so toll angehört, das ,Zeit nehmen’ und das ,regional arbeiten können’.“ Die Aussicht, dem Klinikalltag entfliehen zu können und bei der präventiven Arbeit nicht mehr auf die Uhr gucken zu müssen, sei so schön gewesen, dass für Mertgen der Wechsel schnell zur beschlossenen Sache wurde. Und sie ist bislang nicht enttäuscht worden: „Es ist ein total schöner Job, das Präventive ist total toll, nachdem ich zuvor immer kurativ unterwegs war, also mit Dingen zu tun hatte, die bereits passiert waren.“
Café-Nachmittage „total schön“
Nach einem „holprigen Start“ (O-Ton) bei den inzwischen über 20 Hausbesuchen und dem Fakt, dass sie sich selbst alles beibringen musste, sieht sich Mertgen auf einem guten Weg. Sie habe bereits zwei Café-Nachmittage in Altenkirchen und Flammersfeld ausgerichtet, „die total schön waren“. Grundsätzlich wendet sich die gebürtige Bad Honneferin an Menschen jenseits der 70, die nicht pflegebedürftig sind und die sie in deren eigenen Wänden besucht, mit ihnen Dinge des täglichen Lebens bespricht und eventuell Kontakte zu anderen unterstützenden Institutionen knüpft. „Ziel ist es, dass die Senioren und Seniorinnen so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben“, verdeutlicht sie, „ich gehe mit ihnen in der Wohnung herum, natürlich nur, wenn sie einverstanden sind, und betreibe unter anderem eine Sturzprophylaxe, schaue also, ob es irgendwo Stolperfallen gibt wie beispielsweise einen dicken Teppich, den man aus dem Weg räumen könnte, oder ob irgendwo eine Haltegriff vonnöten ist. Es gilt sicherzustellen, möglichst sicher durchs Wohnumfeld zu kommen, so dass das Risiko hinzufallen minimiert wird“. Darüber hinaus ist Mertgen firm, was die Hilfsangebote in der Region betrifft. Darunter fallen die Nachbarschaftshilfe in Flammersfeld oder die Seniorenhilfe in Altenkirchen, die Fahrdienste oder die Erledigung von Einkäufen anbieten. „Ich kann Kontakte zum Pflegestützpunkt in Altenkirchen herstellen, der sich um viele bürokratische Dinge zugunsten der Senioren kümmert“, beschreibt Mertgen einen weiteren Part ihrer Aufgaben, ohne sich auf gar keinen Fall als Konkurrenz zu ihm zu sehen, „da der Pflegestützpunkt sich um Leute kümmert, die pflegebedürftig sind, während meine Adressaten noch relativ fit sind. Ich sehe mich in einer vermittelnden Funktion“. Die Mitarbeiter des Pflegestützpunktes hätten sich sehr erfreut gezeigt, dass es nunmehr die Stelle der Gemeindeschwester plus gebe. Bei jeder Stippvisite offeriert Mertgen darüber hinaus eine Menge an Info-Material inklusive einer kleinen grün-weißen Notfalldose. Per Liste verschwinden in ihr relevante Angaben wie medizinische Diagnosen, ehe sie im Kühlschrank deponiert und ein Sticker auf der Rückseite der Wohnungstür angebracht wird, damit der Rettungsdienst schnell weiß, wo im Falle eines Falles womöglich lebensrettende Informationen aufbewahrt werden. Der Kühlschrank wurde für diese Funktion als Postfach als am besten geeignet deklariert, weil wohl jeder einen solchen besitzt.
Verbindung auch über Außenstehende
Bislang hat Mertgen wenig Widerstand bei „ihren Kunden“ ausgemacht, wenn es um irgendwelche Ansätze für die Verbesserung von Alltagssituationen ging. „Sie rufen mich an, sind also eingestellt darauf, dass ich komme“, beleuchtet Mertgen einen Aspekt ihrer Tätigkeit, „ich habe bis jetzt das Gefühl, dass das gut aufgefasst wird.“ Ihnen sei bewusst, dass „ich ihnen unter die Arme greifen möchte, sie verstehen, dass es Sinn macht, wenn ich ihnen helfen möchte“. Darüber hinaus hält Mertgen Kontakt zum Hausnotruf, über den rasche Hilfe angefordert werden kann, wenn das kleine Gerät mit dem Button auch wirklich an der Frau oder dem Mann getragen wird. Im Regelfall sollen die Senioren den Kontakt zu Mertgen aus eigenem Antrieb herstellen, auch, um eine Barriere weniger überwinden zu müssen, Hilfe zu erhalten. „Ich glaube, dass das wirklich gut ist, wenn ich angerufen werde“, ergänzt sie, weiß aber auch, dass in wenigen Fällen die Verbindung über „Außenstehende“ wie Verwandte, Nachbarn, Ortsbürgermeister oder Mitarbeiter der Altenkirchener Tafel zustande kam. Die meiste Zeit ihrer halben Stelle (19,5 Wochenstunden) verbringt Mertgen bei den Hausbesuchen, die „Minimum anderthalb Stunden in Anspruch nehmen, die ich aber auch brauche“. Hin und wieder stelle sie fest, dass der eine oder die andere sich nicht so recht aus der Reserve locken lasse, aber die „meisten sind doch recht offen, andere wiederum erzählen mir ihre ganze Lebensgeschichte, um sich ihren ganzen Ballast von der Seele zu reden“. In einigen Fällen bleibt es indes nicht bei nur einem Gespräch. „Ich habe eine Seniorin, bei der ich schon mehrmals war“, charakterisiert Mertgen, die seit dem Alter von zwei Jahren schon im Westerwald lebt und daher mit dem Menschenschlag doch gut vertraut ist, zurück, einen Teil ihrer Klienten.
Immer für ein Jahr finanziert
Im Hinterkopf hat Mertgen immer, dass ihre 50-Prozent-Stelle zeitlich begrenzt ist. Derzeit wird die Position vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung für zunächst ein Jahr finanziert: „Wenn die Förderung weitergeht, gehen auch die Stellen weiter.“ Auf der anderen Seite ist das Land parallel bekannt dafür, Anschubfinanzierungen einfach auslaufen zu lassen. Sollte dies geschehen, setzt Mertgen auf die Verbandsgemeinde und hofft, dass der Geldgeber im Altenkirchener Rathaus sitzt. Sie sei aber optimistisch, dass die Förderung fortgesetzt werde, die Stelle sei nämlich etwas Positives und gut für die Gesundheitsförderung. Den Blick auf eine Landkarte gerichtet, erachtet Mertgen den Bereich, den sie abdeckt, als noch nicht zu groß, „weil mein Bekanntheitsgrad auch noch nicht so riesig ist. Ich könnte mir aber vorstellen, wenn alle wissen, dass es mich gibt, es schwieriger wird, die Aufgabe zu stemmen, so dass man auf der anderen Seite die Stelle noch ausbauen könnte“. In der großen VG leben rund 5800 Menschen, die älter als 70 Jahre sind, von denen sie aber so gut wie nichts über deren unterschiedlichen Lebensumstände weiß. Null zu kritisieren hat Mertgen an der Unterstützung im Haus (angedockt an die Wirtschaftsförderung der Verbandsgemeindeverwaltung). Sie schwärmt von einem „fantastischen Arbeitgeber“. Die Kollegen seien alle total hilfsbereit, „ich kann mich nicht beschweren“.
Modellprojekt zwischen 2015 und 2018
Das Angebot Gemeindeschwester plus soll bis zum Jahr 2026 flächendeckend eingeführt und die Anzahl der Vollzeitkräfte auf 54 erhöht werden. Aktuell sind 79 dieser Fachkräfte angestellt, dies entspricht 48 Vollzeitstellen (Stand November 2024). In der aktuellen Förderphase erfolgt die Finanzierung aus Landesmitteln. Im Doppelhaushalt standen Mittel in Höhe von 3,1 Millionen Euro (2023) und 3,35 Millionen Euro (2024) zur Verfügung. Das Beratungsangebot geht zurück auf ein Modellprojekt, das in der Zeit von 2015 bis 2018 in ausgewählten rheinland-pfälzischen Kommunen erprobt, wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurde. Zum Projektstart nahmen neun Modellkommunen und 19 Fachkräfte teil. Die Finanzierung erfolgte über das Land. In der sogenannten Verstetigungsphase (2019 bis 2022) wurde das Projekt in Kooperation zwischen dem Land Rheinland-Pfalz, den gesetzlichen Krankenkassen und Krankenkassenverbänden getragen, wobei sich letztere mit einem Betrag von 350.000 Euro pro Jahr am Projekt beteiligten. (vh)
Lena Mertgen ist unter Tel. 02681/85 111 zu erreichen: montags, dienstags, donnerstags von 8.30 bis 13 Uhr, mittwochs von 11.30 bis 16 Uhr, E-Mail: gemeindeschwester@vg-ak-ff.de Mertgen vermittelt auch Interessierte, die sich ehrenamtlich in Fahrdiensten engagieren möchten.
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