Pressemitteilung vom 05.06.2025
Raubkunst aus der Nazizeit: Rheinland-Pfälzische Museen unter der Lupe
Die Provenienzforschung in Rheinland-Pfalz rückt Objekte aus der NS-Zeit ins Rampenlicht. Ein aktuelles Pilotprojekt des Museumsverbands zeigt erste Ergebnisse und wirft neue Fragen auf.

Neuwied. Der Museumsverband Rheinland-Pfalz hat ein zweijähriges Pilotprojekt zur Provenienzforschung an vier kleinen und mittelgroßen Museen abgeschlossen. Im Mittelpunkt stehen mögliche Verdachtsmomente auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut. Bei den Untersuchungen im Erkenbert-Museum Frankenthal, dem Roentgen-Museum Neuwied, dem Stadtmuseum Bad Dürkheim und dem Eifelmuseum Mayen wurden zahlreiche Objekte identifiziert, deren Herkunft unklar oder belastet ist. "Es liegen Anhaltspunkte auf NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter vor."
In Neuwied wurden 31 höchstwahrscheinlich belastete Objekte gefunden, darunter ein Konvolut aus 28 Zinnobjekten. In Frankenthal umfasst der Verdacht 15 Objekte, darunter eine Sammlung ethnologischer Objekte. In Bad Dürkheim sind zehn Objekte betroffen, die jedoch nicht mehr auffindbar waren. Mayen verzeichnete keine bedenklichen Objekte.
Die Wege, wie diese Objekte in die Museen gelangten, sind vielfältig. In Neuwied stammen einige aus Beutebeständen des Finanzamtes, während andere vom Speicher der ehemaligen Synagoge Neuwied ins Museum kamen. In Frankenthal wurde eine Sammlung 2004 aus Privatbesitz erworben und könnte mit kolonialem Unrecht verbunden sein.
Ist der Aufsatzschreibtisch in Neuwied NS-Raubgut?
Ein konkretes Beispiel liefert ein Aufsatzschreibtisch von Georg Rudolph Gambs, der 1940 vom Roentgen-Museum erworben wurde. Bereits zwei Jahre zuvor war er bei einer Auktion angeboten worden. Der Auktionskatalog nennt den Namen "Überall", was mehrere ungelöste Fragen aufwirft - etwa ob es sich um Heinrich Ueberall, einen deportierten jüdischen Kunsthändler, handelt.
Der Erstcheck zielt darauf ab, Prüffälle zu identifizieren, die weiter untersucht werden sollen. Der Museumsverband empfiehlt in allen vier Häusern vertiefende Recherchen. "Wir haben heute sozusagen den Ball ins Feld geworfen", sagte Maria Lucia Weigel vom Erkenbert-Museum Frankenthal.
Eine landesweite Umfrage ergab, dass rund 86 Prozent der rheinland-pfälzischen Museen bisher keine Provenienzforschung betrieben haben. Nur große Museen hatten bereits Untersuchungen durchgeführt.
Für Kulturministerin Katharina Binz (Grüne) ist das Projekt ein wichtiger Schritt zur systematischen Aufarbeitung von NS-Raubgut. "Provenienzforschung bedeutet, Verantwortung für unsere Geschichte zu übernehmen und die Schicksale hinter den Objekten anzuerkennen." Das Kulturministerium förderte das Projekt mit 165.000 Euro und richtete gemeinsam mit dem Museumsverband die Koordinierungsstelle ein. Die Aufarbeitung im Land sei noch nicht beendet.
(dpa/bearbeitet durch Red)
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