Bürgermeisterwahl in der VG Hamm am Sonntag: Dietmar Henrich einziger Kandidat
Wie schnell doch die Zeit vergeht! Das könnte auch Dietmar Henrich sagen, der nun schon rund siebeneinhalb Jahre Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hamm ist. Und wie es so Usus ist, muss er, wenn er eine weitere Amtszeit diesen Posten inne haben möchte, sich erneut wählen lassen, um zusätzliche acht Jahre die Geschicke der kleinen VG zu lenken.

Hamm. Er steht allein auf weiter Flur, denn einen weiteren Kandidaten gibt es nicht: Dietmar Henrich (56) ist der einzige Bewerber um den Posten des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde (VG) Hamm, deren rund 9500 Wahlberechtigte am Sonntag, 15. Juni, bestimmen, ob Henrich, seit 1. Januar 2018 schon in diesem Amt, vom 1. Januar 2026 an noch einmal acht Jahre „dranhängen“ darf. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt er lediglich eine Ja-Stimme mehr als Nein-Voten abgegeben werden. Was die Beteiligung an diesem einzigen Urnengang an diesem Tag betrifft, hat sich Henrich ein „ambitioniertes“ Ziel gesetzt. Er möchte gerne mindestens 40 Prozent erreichen. Im Interview mit dem AK-Kurier lässt der Chef der VG-Verwaltung seine erste Amtszeit Revue passieren und blickt ein wenig auf die kommenden Jahre voraus – immer mit der Maßgabe, dass er in seiner Funktion bestätigt wird. Henrich (parteilos) kam in Wissen zur Welt, ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Bruchertseifen. Von Hause ist er Diplom-Verwaltungswirt (FH), Verwaltungs- und Betriebswirt sowie Wirtschaftsförderer (VWA). Vor dem „Aufstieg“ war er 20 Jahre lang als Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste, Wirtschaftsförderung und Strukturentwickklung im Rathaus Hamm tätig. Das Gespräch im Wortlaut:
Sie haben vor beinahe acht Jahren Rainer Buttstedt als Bürgermeister abgelöst, der große Spuren in der VG Hamm hinterlassen hat: Haben Sie Ihrer Meinung nach diese Abdrücke ausfüllen können?
Schwierige Frage. Ich glaube, man kann nicht so einfach einen Vergleich ziehen, obwohl Rainer Buttstedt und ich bereits einige Themen im Vorfeld in einem engen Austausch bearbeitet haben und ich so in viele Dinge eingebunden war. Ich mag das nicht einschätzen, ob ich diese ausgefüllt habe. Ich bin sicherlich meinen eigenen Weg gegangen. Mit dem Erreichten, wenn ich jetzt über die fast acht Jahre zurückblicke, bin ich auch nicht ganz unzufrieden. Aber letztlich müssen das andere beurteilen.
Haben Sie Ihre Kandidatur von damals je bereut?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt natürlich immer schwierige Phasen wie in jedem anderen Beruf auch. Aber insgesamt hat sich das passend oder richtig angefühlt.
Sie haben sich bei Amtsantritt gewiss Ziele gesetzt: Haben Sie alle erreicht?
Nein, natürlich nicht. Ein Credo von mir war, ich möchte mich als Mensch nicht verändern oder verbiegen lassen. Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit natürlich einige Dinge auf der Agenda gehabt. Vieles haben wir gemeinsam auch umgesetzt oder jedoch zumindest begonnen, alles aber hat nicht geklappt. Insbesondere war ein Kernziel, mit dem ich auch gestartet bin, den Flächennutzungsplan zu überarbeiten und mehr gewerbliche Flächen zu schaffen, also mehr Potenzial zu haben für unsere Betriebe, um ihnen ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Das Verfahren hat aus den unterschiedlichsten Gründen sehr, sehr lange gedauert. Daneben stehen zahlreiche Restriktionen, sodass wir bei der Flächennutzungsplanänderung nicht an dem Punkt stehen, den ich mir gewünscht hätte. Ansonsten haben wir bei wichtigen Themen, ich denke dabei an die Kita- und Schullandschaft, unsere Hausaufgaben auch machen können. Ich muss unsere Möglichkeiten immer im Kontext zu unseren Finanzen sehen, und in diesem Bereich haben wir uns positiv entwickelt. Ich konnte dabei auch von Dingen profitieren, die Rainer Buttstedt angestoßen oder vorbereitet hatte. Viel Wünschenswertes kann ich erst einmal in einen Prospekt reinschreiben, aber mein Credo ist dann eher, das Machbare im Blick zu behalten.
Ein großes Ziel ist nicht unbedingt auf der Strecke geblieben?
Nein, das kann ich so nicht sagen.
Wenn Sie 2018 und mit Mitte 2025 vergleichen: Wie hat sich Ihre Arbeit verändert?
Ich weiß gar nicht, ob sie sich wirklich viel verändert hat, es gibt ja immer so Wellenbewegungen. Ich denke zurück an Corona, also die Phase im Mittelteil der Amtszeit. Erst einmal musste ich mich zurechtfinden, trotz meiner Verwaltungserfahrung. Ich denke aber, das ist mir ganz gut gelungen, und es hat ganz gut geklappt. Dann kam die Corona-Phase, die sehr herausfordernd war, weil sie die ganze Bandbreite der Sorgen und Ängste der Menschen offenbart hat und die ungebremst dann auch hier aufgelaufen sind. Das alles aufzufangen und auszugleichen war nicht einfach. Ich weiß nicht, ob ich mich während meiner Amtszeit als Person verändert habe. Das kann ich schlecht beurteilen. Ich jedenfalls habe nichts Markantes festgestellt, das deutlich anders ist als 2018.
Also haben sich die Gestaltungsmöglichkeiten für Sie als Bürgermeister und den VG-Rat nicht großartig geändert?
Bezogen auf die finanziellen Spielräume sind wir es in der Verbandsgemeinde Hamm (Sieg) von jeher gewohnt, mit knappen Mitteln haushalten zu müssen. Ich glaube, Sie sprechen aber auch die Arbeit im VG-Rat an, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist. Ich denke, dass wir in diesem Gremium zusammen sehr gut harmoniert haben und dass dies auch ein wesentlicher Grund dafür ist, dass wir sehr stringent an den Dingen gearbeitet, gute Wege gefunden und Ergebnisse erzielt haben und diese auch umsetzen konnten. Wir haben nicht die Zeit damit verbracht, uns gegenseitig zu bekämpfen, sondern sachorientiert voranzukommen. Und das ist nicht selbstverständlich. Die Leute wollen das ja ebenfalls nicht. Sie möchten, dass für die Verbandsgemeinde gearbeitet wird, dass auch wirklich etwas dabei herumkommt. Da bin ich richtig stolz, dass wir so ein gutes Klima haben, dass wir die Dinge wirklich sachlich zu Ende bringen und zu Entscheidungen kommen.
Bund und Land möchten immer wieder neue Maßstäbe im Kita- und Grundschulbereich umgesetzt wissen (Ganztagsbetreuung), lassen die Kommunen jedoch oft im Regen stehen, weil die finanzielle Unterstützung eher bescheiden ausfällt (Stichwort: Konnexität). Wie stemmt die VG Hamm die erforderlichen Maßnahmen?
Mit der Faust in der Tasche, könnte ich jetzt sagen. Wir müssen natürlich unsere
kommunale Position dazu deutlich machen. Dies geschieht insbesondere durch unseren kommunalen Spitzenverband, den Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz (GStB). Aber es ist natürlich ungemein schwierig. Die Anforderungen werden immer größer, Ansprüche werden ausgeweitet, die Standards immer höher und die Mittel knapper. Man wird wahnsinnig, und alles kostet unglaublich viel Geld, was aber natürlich nicht in Gänze übernommen oder an uns weitergereicht wird, sodass die kommunal zu stemmenden Eigenanteile steigen. Das ist schon herausfordernd. Wir haben in der Vergangenheit gerade im Kita-Bereich auch immer nur so gebaut, wie wir mussten, nicht größer, immer am Limit. Da unsere Bauabteilung sehr viele Dinge auch selbst gemacht hat, sind wir mit den Kostenschätzungen immer klargekommen. Ich erinnere mich im Besonderen an die Kita Breitscheidt, bei der wir von sehr, sehr hohen Förderungen profitiert haben. Nie vergessen werde ich, als wir in der Corona-Zeit zum Jahresende dringend einen Ratsbeschluss benötigten, aber die Ratsmitglieder nach und nach absagten. Selbst in der Großsporthalle mit großen Abständen zwischen den Tischen wollte niemand aus Angst vor einer möglichen Ansteckung tagen. Während ich dann morgens zu Hause auf meinem Crosstrainer trainierte, fiel mir ein, wir könnten doch eine Autositzung an der Sporthalle machen. Ich rief meinen Büroleiter an, der zunächst in Schweigen verfiel. Das haben wir dann aber auch durchgezogen, jeder blieb bei der Abstimmung mit Kärtchen in seinem Auto sitzen. Der so gefasste Beschluss war die Grundlage für eine sehr hohe Förderung für die Kita Breitscheidt. Ein Beispiel dafür, wie wir versuchen, flexibel zu agieren und sich bietende Chancen zu nutzen.
Die Erhöhung der Realsteuersätze fällt nicht in den Aufgabenbereich einer VG. Dennoch: Kommen Sie in Erklärungsnot, wenn Sie einem wütenden Grundsteuer-B-Zahler erklären müssen, warum sich der von ihm zu zahlende Betrag verdoppelt hat?
Bei uns in der VG ist vor allen die Ortsgemeinde Hamm betroffen, da hat es auch ganz viele Widersprüche gegeben. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, den Menschen im persönlichen Gespräch zu erläutern, warum die Erhöhung unausweichlich ist. Das ist eigentlich auch der Weg, den ich bevorzuge. Der Bürger bekommt etwas „hingeknallt“. Viele macht das natürlich nicht froh, erst recht, wenn man mehr bezahlen muss. Wenn man den Hintergrund erfährt, reduziert das zwar noch nicht die Steuerlast – aber man hat vielleicht ein anderes Verständnis dafür. Mir ist es in einem Telefonat ähnlich ergangen, als ich einem unzufriedenen Bürger dazu mehr Informationen geben konnte. Ich denke, es ist hilfreich, den Zusammenhang zu kennen und ein Verständnis zu entwickeln, dass es sich um notwendige Entscheidungen handelt. Schön ist das natürlich nicht, aber es ist unvermeidbar, und das gehört, so glaube ich, heute auch zur Politik: Dinge dann auch so zu benennen, wie sie sind und nicht um den heißen Brei herum zu reden.
Das Land hat die jüngste Gebietsreform abgeschlossen. Trauern Sie der Möglichkeit nach, nicht mit der VG Altenkirchen zusammengegangen zu sein?
Man hätte bei uns eher Wissen gesagt, wobei Altenkirchen natürlich auch gepasst hätte. Ich habe in der heißen Phase des Wahlkampfs 2017 gesagt, dass, wenn man mich davon überzeugt, dass wir mit einer anderen VG besser und wirtschaftlicher aufgestellt sind, ich einen solchen Schritt nicht kategorisch ablehnen würde. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass größere Einheiten nicht unbedingt besser sind. Ich muss aber auch zugeben, dass wir als kleinste Verwaltung im Kreis an unsere Grenzen stoßen, denn hier müssen Beschäftigte immer gleich mit mehreren Aufgabengebieten betraut werden, sodass eine Spezialisierung kaum möglich ist. Zudem fehlen mir die personellen Kapazitäten für Sonderaufgaben. Kleinsein hat aber auch Vorteile. Wir können auf manche Dinge deutlich schneller reagieren, die Wege sind kürzer. Ich trauere dem nicht nach, wenn es darum geht, VGs zu fusionieren. Ich glaube, dass hier auch viel Porzellan zerschlagen worden ist. Viele Zwangsehen sind entstanden, die auch nach Jahren noch nicht zu einer Einheit verschmolzen und noch nicht an dem Punkt angelangt sind, an dem Einspareffekte sichtbar werden. Grundsätzlich sage ich: Schenkt den Kommunen mehr Vertrauen, lasst die Kommunen machen!
Noch einmal zur Gebietsreform: Wäre es nicht sinnvoller gewesen, „unten“ anzufangen, sprich Ortsgemeinden zusammenzulegen?
Das ist immer noch ein Thema, von dem ich glaube, dass man an dieses „ran“ muss. Aber da sind die Voraussetzungen auch in jeder Verbandsgemeinde anders. Mein Kollege in Altenkirchen hat mit 67 Ortsgemeinden eine ganz andere Situation als wir mit 12 Ortsgemeinden. Das ist bei uns in dieser Konstellation mit zwei kleinen überhaupt kein Thema, damit können wir hervorragend arbeiten. Mit 67 Ortsgemeinden ist es der Wahnsinn.
Der Wahltermin ist kein glücklicher, weil keine weitere Wahl angesetzt ist. Welche Beteiligung erwarten Sie, und ab welcher Zustimmungsquote sehen Sie einen Erfolg für sich?
Es ist in der Tat bedauerlich, dass die Bürgermeisterwahl isoliert stattfinden muss. Wir haben uns darum bemüht, unsere Wahl parallel mit der Bundestagswahl durchzuführen. Das war aber rechtlich nicht zulässig. Wir haben diesen Fakt auch nochmals mit der Kommunalaufsicht und der ADD besprochen, obwohl wir wussten, dass es rechtlich nicht passt. Einer Ausnahmeregelung wurde nicht zugestimmt. Deswegen mussten wir einen isolierten Termin wählen. Die Stelle des Bürgermeisters wird zum 1. Januar 2026 besetzt, und dann darf die Wahl nicht länger als neun Monate vorher und nicht kürzer als drei Monate vorher stattfinden. Und die Bundestagswahl war letztendlich schon im Februar. Ab 1. April wäre es rechtlich möglich gewesen. Dieser jetzige Termin wird maßgeblich die Wahlbeteiligung drücken. Eine isolierte Wahl mit nur einem Kandidaten: Da ist es schwer, eine ordentliche Wahlbeteiligung zu erreichen. In vergleichbaren Fällen liegt diese zwischen 25 und 35 Prozent. Ich habe zu meinen Kollegen hier im Haus gesagt: Ich erwarte eine 4 vorne, was diese für sehr ambitioniert halten. Um das Ziel zu erreichen, war ich bereits in vielen Ortsgemeinden unterwegs, um für eine Wahlbeteiligung zu werben. Mein Anspruch ist es nicht, mich zuhause hinzusetzen und abzuwarten. Ich möchte zu den Bürgerinnen und Bürgern gehen. Den Weg, den ich jetzt beschreite, beschreite ich unabhängig davon, ob ich allein kandidiere oder ob es weitere Kandidaten gibt. Das steht den Leuten im Übrigen auch zu, dass ich mich da zeige. Jede Stimme ist in der Demokratie wichtig. Wählen zu gehen ist auch eine Wertschätzung gegenüber unserer demokratischen Grundordnung.
Ab welcher Zustimmungsquote sehen Sie die Wahl als erfolgreich an? Gibt es eine Quote, um zu sagen: Ich nehme die Wahl nicht an!?
Ich mache das nicht an Prozenten fest. Wichtiger ist mir, eine ordentliche und aussagekräftige Wahlbeteiligung zu erreichen. Bei einer Wahlbeteiligung von unter 30 Prozent wäre ich, losgelöst von der Zustimmungsquote für meine Person, schon deprimiert und würde mich fragen, warum es nur so wenige interessiert hat. Zur Quote: Also damit habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt, ich weiß nicht, ob das zielführend wäre. Das müsste man aber sicher tatsächlich von dem konkreten Ergebnis nachher abhängig machen. Darüber habe ich mir jetzt noch keinen
Kopf gemacht.
Was ist Ihr größter beruflicher Wunsch für die Zeit von 2026 bis 2034, wenn Sie gewählt worden sind?
Die Wahrscheinlichkeit, gewählt zu werden, ist etwas höher, als nicht gewählt zu werden. Trotzdem, das will ich schon einfügen, und deshalb bin ich auch unterwegs: Ich habe höchsten Respekt vor einer Wahl. Ich merke, dass es kribbelt. Es ist eine gewisse Aufregung, und ich bin froh, dass es so ist. Das zeugt von einer gewissen Demut und großem Respekt vor dem Amt. Ich halte es nicht für selbstverständlich, dass ich in diesem Büro sitze. Wenn die Mehrheit der Menschen sagt, wir wollen mit Henrich als Bürgermeister weiterarbeiten, freut mich das. Wir werden das natürlich an dem Machbaren ausrichten müssen. Ich hoffe, dass wir unsere Hausaufgaben, die jetzt schon angestoßen sind – zur Erweiterung der Grundschule Hamm mit Mensabau fürs Ganztagsangebot – hinbekommen, und ich bin ich sehr stolz, weil sich beide Grundschulen, also auch die in Etzbach, gut entwickelt haben. Vor der Brust steht auch die Feuerwehr, für die es Veränderungen geben wird. Wir haben bis 2028 Zeit, einen Bedarfsplan zu erstellen. Das wird sicherlich mit Konsequenzen für uns verbunden sein, weil es wieder neue Standards gibt. Das ist notwendig, und das müssen wir machen. Es wird herausfordernd, das auch finanziell zu stemmen. Im Bereich der Jugend möchte ich „dichter“ an diese herankommen, was ich schon in der jetzigen Wahlperiode versucht habe, Corona mir aber einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Ich wünsche mir, dass wir die Jugend besser abholen. (vh)
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