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Nachricht vom 14.06.2025    

Fachklinik Altenkirchen als Ort der Suchtrehabilitation für Frauen und Mütter

Millionen Menschen konsumieren in Deutschland Tabak, Alkohol, Medikamente oder Drogen – viele in kritischen Mengen, so dass sie abhängig werden. Stoffliche Sucht führt zu erheblichen gesundheitlichen Schäden, die enorme volkswirtschaftliche Kosten nach sich ziehen. Gezielte Unterstützung hilft, die Problematik in den Griff zu bekommen wie in der Fachklinik Altenkirchen.

Dr. Silvia-Ancuta Rai (rechts) und Corina Elsenheimer wissen die idyllische Lage der Fachklinik im Waldgebiet „Auf dem Dorn“ zu schätzen. (Foto: vh)

Altenkirchen. Die Lage im Waldgebiet „Auf dem Dorn“ und mit dem Bismarckturm vis-à-vis ist wunderschön. Die Hektik und der Krach Altenkirchens bleiben außen vor, die Ruhe wird nur gestört durch die hin und wieder in der Distanz zu hörenden Signale des Eisenbahnverkehrs. Gepflegt kommen die Bereiche im Umfeld der beiden Gebäude (das ältere ist als ehemaliges Westerwaldheim bekannt) daher, in denen der „Ort für die Suchtrehabilitation von Frauen und Müttern, einem geschützten Rückzugsort in idyllischer Lage“ untergebracht ist. „Wir offerieren unseren Patientinnen ab 18 Jahren individuell angepasste Therapiemöglichkeiten“, beschreibt Dr. Silvia-Ancuta Rai, die ärztliche Leiterin, das Angebot, „aber erst nach einer Entgiftung“, ergänzt Verwaltungsleiterin und Qualitätsmanagerin Corina Elsenheimer. Die Einrichtung kümmert sich um Frauen, die an stoffgebundenen Abhängigkeiten sowie affektiven Störungen, posttraumatischen Belastungs-, Ess-, Zwangs-, Angst- und Persönlichkeitsstörungen sowie psychischen Unregelmäßigkeiten leiden. Insgesamt stehen 57 Plätze in dem Wohntrakt in Doppel- und Einzelzimmern (jeweils mit eigenem Bad) zur Verfügung. 15 davon sind speziell für Mütter mit Kindern ausgelegt. Deswegen existiert an Ort und Stelle auch ein Ganztagskindergarten (Betreuung durch hauseigene Erzieherinnen) mit Spielplatz, besuchen Jungen und Mädchen im Grundschulalter die Pestalozzi-Grundschule am Ziegelweg. Betreut werden die Patientinnen 24 Stunden am Tag, im Notfall ist ärztliche Expertise „im Hintergrund“ verfügbar. Die Aufenthaltsdauer kann je nach Krankheitsbild bis zu 22 Wochen betragen. Plätze werden unter anderem über die Rentenversicherungen Bund und Rheinland sowie Krankenkassen und Sozialhilfeträger zugewiesen, die somit auch als Kostenträger agieren. Die Ziele eines Aufenthalts sind klar umrissen, wie Rai darstellt: „Die Patientinnen sollen im Anschluss wieder ein abstinentes Leben führen können, sie sollen selbstschädigendes Verhalten verbannen, sie sollen ihre Selbstsicherheit wieder erlangen.“

„Männer bilden die Ausnahme“
Auf dem Weg hin zu diesen Zielen steht ein Team von vor allen Dingen Therapeutinnen bereit. „Männer bilden die Ausnahme“, fügt Elsenheimer an. Die Patientinnen lernen zunächst einmal anhand eines „Stundenplanes“ mit verschiedenen Maßnahmen, wieder einem strukturierten Tagesablauf zu folgen. Selbstsicherheitstraining, soziale Rehabilitation, eine Stabilisierungsgruppe für traumatisierte Frauen, Ergotherapie unter anderem mit Bewerbungstraining im Hinblick auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, Freizeitgestaltung oder eine Schuldnerberatung sind während eines Aufenthaltes vorgesehen. Arbeit mit Pferden und bald mit einem Hund sollen ebenfalls dazu beitragen, den Heilungsprozess zu intensivieren, zu dem gleichfalls Gruppen- wie auch Einzelgespräche gehören. An Sams- und Sonntagen wird zudem ein etwas abgespeckteres Programm vorgehalten. Ein Saunabereich, eine Sporthalle mit einem Fitnessraum sowie ein Backhaus mit großem Ofen zeigen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung auf. In der hauseigenen Küche und der Caféteria werden frische und regionale Produkte als Hauptbestandteile der Mahlzeiten verarbeitet.

Patientinnen erscheinen erst gar nicht
Immer wieder müssen sich Rai und Elsenheimer mit der Tatsache abfinden, dass Behandlungen abgebrochen werden oder Patientinnen erst gar nicht erscheinen. „Dann versuchen wir umgehend, den frei gewordenen Platz wieder neu zu besetzen“, erläutert Rai, um die Auslastung des Hauses zu garantieren. Wie in einem Gefängnis müssen sich die Frauen nicht fühlen. Ausgang ist gestattet, zu Beginn der Maßnahme mindestens zu dritt, später allein. Im Anschluss kann auch die Möglichkeit offeriert werden, einmal zwei Nächte zuhause zu verbringen, wenn es die Situation erlaubt. Rai und Elsenheimer schätzen, dass die Gruppe der bis 30-Jährigen den Hauptanteil der Erkrankten ausmacht, wobei es nicht einfach sei, „junge Frauen in eine Therapie zu bekommen“. Auch bis 65 Jahre sei ein Aufenthalt möglich, lautet ein weiterer Eckpunkt. Die meisten Abhängigkeiten, die im Haus unter der Trägerschaft der ESG Clinic Altenkirchen GmbH (Achim/Landkreis Verden) behandelt werden, rühren vom übermäßigen Gebrauch von Alkohol, THC (Cannabis) und Amphetaminen her. Vor diesem Hintergrund ist mit Ankunft und Einzug ein negatives Drogenscreening erforderlich. Persönliche Dinge, die die Patientinnen mitbringen, werden genauestens gecheckt, um einen weiteren Konsum unerwünschter Stoffe während der Behandlung auszuschließen. Darüber hinaus gilt es für die Verantwortlichen zum Start einer jeden Kur, in einem Dialog Wahrheit und Schwindel über den Lebenslauf des Neuankömmlings fein säuberlich auseinander zu dividieren.



Seminare für Angehörige
Mit Seminaren für Angehörige und Partnergesprächen sollen die Weichen noch besser für die Rückkehr ins „normale“ Leben gestellt werden. Die Kurse erstrecken sich in der Regel zwischen donnerstags und samstags, wobei die (männlichen) Teilnehmer nicht vor Ort nächtigen dürfen, sich also eine Bleibe in oder rund um Altenkirchen suchen müssen. Wenn Probleme der Begleitkinder auftreten, besteht ein Kontakt zur Kinder- und Jugendpsychiatrie unter Chefarzt Dr. med. Andreas Vidal im Altenkirchener MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum/ehemals DRK-Krankenhaus). Grundsätzlich habe „die Mama die Verantwortung für ihr Kind“, erklärt Rai. Das trage auch zu einem strukturierten Tagesablauf bei. Sollte ein Schützling einmal krank werden, können ortsansässige Mediziner aufgesucht werden. Den Fahrdienst übernehmen die Haustechniker. Rai, die nunmehr seit fast einem Jahr die ärztliche Leitung inne hat (Start am 1. Juli 2024), ist „offen für neue Ideen“, die bei der Behandlung helfen können. Das könnten Referate von Menschen sein, die sich dem Diktat der Abhängigkeit erfolgreich entzogen haben. Erst gar nicht in diesen Teufelskreis zu gelangen, machten Patientinnen und Therapeuten auch schon in der August-Sander-Realschule plus auf der Glockenspitze bei einer Stippvisite in zwei zehnten Klassen deutlich. Mit Blick auf die Zukunft haben Rai und Elsenheimer schon jetzt ein Datum fest im Blick: 16. Mai 2026: „Dann feiern wir 50 Jahre Suchtbehandlung hier in Altenkirchen, denn damals, im April 1976, wurde die erste Patientin aufgenommen.“

Ein Blick in die Geschichte
Die beiden Gebäude der Fachklinik weisen unterschiedliche Geschichten auf: Die des ehemaligen Westerwaldheims, in dem vor allem die Verwaltung untergebracht ist, reicht bis knapp vor Beginn des Ersten Weltkriegs mit der Einweihung am 12. Juli 1914 zurück. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es für unterschiedliche Zwecke genutzt. So fungierte es unter anderem als Kindererholungsheim der evangelischen Gemeinde Düsseldorf, als Genesungsort für lungenkranke Soldaten (Erster Weltkrieg), als Notunterkunft für Bewohner eines Altenheims in Prüm (Zerstörung durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg) oder als lokales Krankenhaus während der Endphase der kriegerischen Handlungen vor mehr als 80 Jahren. In direkter Nachbarschaft befindet sich das gelblich verklinkerte Haus mit unter anderem den Zimmern. Es steht auf dem Gelände des ehemaligen Westerwald-Freizeitheims, das 1926 als Kindererholungsheim eröffnet und 1967 abgerissen wurde. Dieses Objekt diente unter anderem auch als Quartier für Waisenkinder aus Düsseldorf, deren Bleibe in der Großstadt am Rhein ausgebombt worden war, und als Durchgangslager und Wohnheim für Flüchtlinge. Ein Neubau an gleicher Stelle fungierte von 1970 an als Kurheim für Jungen und Mädchen aus Düsseldorf, wurde jedoch von 1973 an immer spärlicher genutzt. Die Umnutzung folgte auf dem Fuße: 1976 zogen die ersten Patientinnen einer Fachklinik für suchtkranke Frauen ein. Überregional Schlagzeilen machte die Einrichtung im Jahr 2018, nachdem eine damals 22-Jährige ihren vier Monate alten Säugling getötet hatte. Die Frau wurde im Juni 2020 vom Landgericht Koblenz wegen Totschlags unter Einbeziehung einer früheren Strafe zu elfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der erste Richterspruch zu sechs Jahren Haft (2019) war vom Bundesgerichtshof unter Verweis auf Rechtsfehler und Widersprüche aufgehoben worden. (vh)


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