Pressemitteilung vom 01.07.2025
Neue Ausstellung in der Stadtbibliothek Kreuztal
Vom 1. Juli bis zum 14. September sind im Foyer der Stadtbibliothek Kreuztal historische Messbildaufnahmen von Albrecht Meydenbauer zu sehen. Kuratiert wurde die Ausstellung von Prof. Dipl.-Ing. Albrecht Grimm aus Hilchenbach mit Unterstützung durch Dieter Wörster aus Ferndorf. Highlights der Ausstellung sind zwei historische Aufnahmen der Nikolaikirche in Siegen von 1892, über deren Herstellung auch die Siegener Zeitung am 13. August 1892 berichtete
Kreuztal. Albrecht Meydenbauer kam 1834 in Tholey/Saarland auf die Welt. Nach dem Schulbesuch in Trier konnte er mittels eines Stipendiums in Berlin Bauwesen studieren. Als Bauführer arbeitete er bei verschiedenen Eisenbahnprojekten. Am Krieg 1870/71 nahm er als Eisenbahn-Baumeister teil und war beteiligt am Bau der Umgehungsbahn zur Festung Metz sowie an der Wiederherstellung von zerstörten Tunneln und Eisenbahnstrecken in Frankreich. Nach Kriegsende führte er Vermessungsarbeiten an der Strecke Koblenz – Cochem aus und steckte den damals längsten Eisenbahn-Tunnel in Deutschland, den späteren Kaiser Wilhelm Tunnel, ab. Auf einer Schiffsfahrt am Rhein lernte er die in Ehrenbreitsten lebende Mathilde von Beughem, die Tochter des früheren Berggerichtsrates in Siegen, kennen, die er im November 1872 heiratete. Von Koblenz wurde Meydenbauer als Kreisbaumeister nach Iserlohn und Meschede versetzt. Seine berufliche Laufbahn führte ihn dann als Univeritäts-Architekt nach Marburg. Hier kümmerte er sich hauptsächlich um Aufgaben der Bauaufsicht. Von Marburg ging es 1885 nach Berlin. Er wurde Vorsteher der „Königlich Preussischen Messbild-Anstalt Berlin“, die er bis 1909 leitete. Seinen Lebensabend verbrachte er, wie es sich für einen höheren preußischen Beamten gehörte, in Godesberg am Rhein. Er starb 1921 und wurde auf dem Rüngsdorfer Friedhof begraben.
Meydenbauer und die Photogrammetrie
Albrecht Meydenbauer gilt als Begründer der Photogrammetrie, auch Bildmessung genannt. Es ist ein berührungsloses Messverfahren, um aus speziellen Fotografien eines Objektes seine Lage und Form exakt dreidimensional bestimmen zu können sowie durch Bildinterpretation dessen Inhalt zu beschreiben. Mit Hilfe der Architektur-Photogrammetrie können hochgenaue Bauaufnahmen von Gebäuden erstellt werden. Für alle photogrammetrischen Aufnahmen kommen spezielle Kameras zum Einsatz. Die damit gemachten Messbildaufnahmen ermöglichten bereits zu Meydenbauers Lebzeiten eine Vermessung von Gebäuden bis auf den Dezimeter genau.
Als Prüfungsteil seines Bau-Studiums in Berlin, mußte Meydenbauer auch eine händische Bauaufnahme leisten. Seine zeichnerische Aufnahme der Nikolaikirche in Brandenburg scheint auch auf den ersten Konservator der Denkmäler in Preußen, Ferdinand von Quast, Eindruck gemacht zu haben. Er sandte den jungen Bauführer Meydenbauer nach Wetzlar, um dort vom Wetzlarer Dom eine händische Bauaufnahme anzufertigen. Dabei wäre er im September 1858 beinahe aus 25m Höhe abgestürzt. Nach diesem ernsten Erlebnis kam er zu dem Schluss, dass die direkte Messung an der Fassade durch eine indirekte Messung mit Hilfe photographischer Bilder ersetzt werden müsse. Seither arbeitete er mit Nachdruck an der technischen Verwirklichung seiner Idee, mit der er auch ein Denkmälerarchiv aufbauen wollte, damit diese im Fall einer Zerstörung wiedererrichtet werden könnten. Aus heutiger Sicht war Meydenbauer nicht nur ein erfolgreicher Erfinder der Photogrammetrie, sondern auch ein Pionier in der Dokumentation des Kulturerbes.
1885 hatte Meydenbauer mit seinem Projekt endlich Erfolg und in Berlin wurde die weltweit erste Anstalt für photogrammetrische Dokumentation der Kulturdenkmäler aufgebaut. Zwischen 1885 und 1920 nahm die "Meßbildanstalt" ungefähr 2.600 Kulturdenkmäler auf. Es entstanden 20.000 Meßbilder auf Glasplatten, von denen einige nun in Kreuztal zu sehen sind. Die Sammlung historischer photogrammetrischer Bilder, unter denen eben auch Aufnahmen der Siegener Nikolaikirche und der Fürstengruft zu finden sind, ist absolut einzigartig und befindet sich als "Meydenbauer Archiv" unter dem Obdach des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege in Waldstadt.
Meydenbauer in Siegen?
Auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II., waren im August 1892 Mitarbeiter der Messbild-Anstalt in Siegen, um dort die Fürstengruft am Unteren Schloss photogrammetrisch aufzunehmen. Hier war die Grabstätte einer Ur-Ahnin von Wilhelm's Frau begraben, die Gräfin Margarethe Helene, Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg. Sie war die zweite Frau des Grafen Johann VII. von Nassau-Dillenburg und Mutter des späteren Fürsten Johann-Moritz von Nassau-Oranien. In Siegen wurden von der Fürstengruft im Unteren Schloss neun Messbildaufnahmen (außen eine, innen acht) und von der Nikolai-Kirche 13 Aufnahmen (außen fünf, innen acht) auf 40x40cm großen Spiegelglasplatten gemacht, die noch heute über das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege bezogen werden können und mit einer hohen Abbildungsqualität beeindrucken. Über die Tätigkeit der Messbild-Anstalt in Siegen berichtete die Siegener Zeitung Nr. 126 vom 13.August 1892. Ob Meydenbauer selbst in Siegen war, ist nicht bekannt. Da seine Frau, eine geborene "von Beughem", in Siegen auf die Welt kam und mehrere Jahre dort lebte, der Vater war dort Berggerichtsrat, könnte dies jedoch der Fall gewesen sein.
Über den Kurator Albrecht Grimm
Albrecht Grimm kam 1938 in Weidenau auf die Welt. Er besuchte die "Stockweg Schule" und dann das FJMG. Sein Weg führte ihn weiter zur Uni Bonn, wo er Geodäsie/Vermessung studierte. Er schloss ab mit einer Dipl.-Arbeit auf dem Gebiet der Photogrammetrie. Nach drei Jahren Referendarzeit und Prüfung in Frankfurt war er Assessor des Vermessungsdienstes. Seine erste Arbeitstelle erhielt er bei der Emschergenossenschaft in Essen. Nach dortigter Tätigkeit wechselte er zum ÖBVermIng Ohde nach Recklinghausen.
Seit Beginn 1969 war er an Samstagen Hilfslehrer an der Bauschule Siegen. Im Herbst des Jahres wurde er zum Baurat i.t.S. ernannt. Ihm wurde die Ausbildung der Architektur-Studenten im Fach Vermessung übertragen. Da es sich beim Fach Bauaufnahme nicht nur um eine künstlerische sondern auch um vermessungstechnische Tätigkeit handelt, bot er den Architektur-Studenten die photogrammetrische Bauaufnahme an, was auf große Resonanz, leider nur bei den Studenten, stieß. Das Kultusministerium unterstützte Herrn Grimm mit der Lieferung eines großen photogrammetrischen Auswertegerätes. Leider erlitt Herr Grimm in der Bauschule einen Unfall und konnte mit dem linken Auge nicht mehr sehen. So wurde das Großgerät - Stereosehen mit zwei Augen erforderlich - von Weidenau abgezogen und zur Uni Wuppertal gebracht. Schon während der Zeit an der Uni Siegen, besonders aber seit seiner Pensionierung, befasst sich Herr Grimm intensiv mit der Geschichte der Photogrammetrie in Deutschland und besonders mit dem Leben und Werk von Albrecht Meydenbauer. Seine Recherchen führten ihn unter anderem auch nach Berlin, Dresden und in die Schweiz, wo er die letzten beiden erhaltenen Meydenbauer-Kameras wiederentdeckte, die sich heute in der Graphischen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek befinden. (PM)
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