Eulenturm und Uhrturm Dierdorf: Mittelalterliche Türme voller Geschichte
Von Katharina Kugelmeier
Die beiden mittelalterlichen Türme von Dierdorf sind stumme Zeugen einer über 650-jährigen Stadtgeschichte. Der imposante Eulenturm und der markante Uhrturm prägen bis heute das Stadtbild und erzählen von Wehrhaftigkeit, dunklen Zeiten der Hexenprozesse und modernem Kulturleben.

Dierdorf. Wer die beiden Wahrzeichen Dierdorfs besucht, taucht ein in die faszinierende Geschichte einer kleinen Westerwälder Stadt, die einst von einer mächtigen Stadtmauer umgeben war. Die Geschichte beider Türme beginnt mit der Verleihung der Stadtrechte an Dierdorf im Jahr 1357 durch Graf Wilhelm I. zu Wied. Als wesentliches Kennzeichen einer mittelalterlichen Stadt erhielt Dierdorf eine Stadtbefestigung mit mehreren Türmen und Toren. Von dieser einst imposanten Wehranlage sind heute noch der Eulenturm als "Untertorturm" und der Uhrturm als "Obertorturm" erhalten - zwei architektonische Denkmäler, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch untrennbar zur Stadtgeschichte Dierdorfs gehören.

Der Eulenturm ist ein etwa 27 Meter hoher Rundturm am Damm des Holzbaches, der als typischer mittelalterlicher Wehrturm das Untertor der Stadt bewachte. Seine runde Form und die mächtigen Mauern von 1,8 Meter Stärke machten ihn gegen Geschosse gut gewappnet. Der untere Teil diente als Verlies, in das die unfreiwilligen Bewohner nur durch ein rundes Loch in der Decke an Stricken hinabgelassen wurden. Die Turmbesatzung erreichte das erste Stockwerk über eine Treppe zum Wehrgang, der sich oberhalb des Tores erstreckte.
Von der oberen Plattform und aus den drei nach außen gerichteten Scharten hatten die Verteidiger ein gutes Schussfeld gegen Angreifer. Sein heutiges spitzes Dach mit Dachfenstern und damit seine markante Form erhielt der Eulenturm in der Renaissance-Zeit. Vor etwa 300 Jahren ließ der Stadtrat auf der Turmspitze eine Wetterfahne mit den Buchstaben A.J. und der Jahreszahl 1724 anbringen - sie erinnert an den Stadtschultheiß Andreas Jungblut, der damals mutig Frauen und Fuhrwerk aus dem hochwasserführenden Holzbach gerettet hatte.

Ganz anders präsentiert sich der etwa 24 Meter hohe Uhrturm, der als kubischer Mittelturm das Dierdorfer Stadtbild bestimmt. Ursprünglich hieß er "Oberturm", später nach Erweiterung der Stadtbefestigung "Mittelturm", und seit Anfang des 17. Jahrhunderts trägt er den Namen "Uhrturm". Seine Geschichte ist geprägt von dunklen Kapiteln: Im 17. Jahrhundert fanden hier zahlreiche Hexenprozesse statt, im Turm befanden sich Kellerverlies und Folterkammer. Insgesamt sollen 91 Menschen in Dierdorf angeklagt und verbrannt worden sein. Erst 1653 endeten die Hexenprozesse durch ein Urteil des Reichskammergerichts in Speyer. Den unteren mittelalterlichen Bruchsteinetagen wurde 1716 die Wohnung des Stadtwächters aufgesetzt, der bis 1903 im Turm lebte und dessen wichtigste Aufgabe die Pflege und das tägliche Aufziehen der Uhr war.
Die Turmuhr, die dem Uhrturm seinen Namen gab, ist eine echte Besonderheit. Bereits 1601 gab es auf dem Turm eine Stadtuhr - ein selbstbewusstes Wahrzeichen der Städter, die ihre Zeitmessung nicht in der Kirche, sondern im eigenen Turm installierten. Die heutige Uhr wurde 1772 von Christian Kinzing aus Neuwied geschaffen, einem der berühmtesten Uhrmacher seiner Zeit. Wie knapp die Stadt bei Kasse war, zeigt der Umstand, dass sich die Gemeinde Dierdorf bei der Wiedischen Hofverwaltung und bei den Bürgern Geld leihen musste. Diese historische Kinzing-Uhr ist im Original erhalten und verkündet noch heute die Zeit - ein technisches Denkmal von unschätzbarem Wert.

Bis zum Jahr 2022 hatte der Uhrturm eine neue Bestimmung gefunden: Seit 1976 wurde er von einem kleinen Kreis kunstinteressierter Bürger mit viel Engagement zur "Galerie im Uhrturm" als Ort kultureller Begegnung ausgebaut. Der alte Turm wurde aufgeräumt, Fenster und Wände ausgebessert, Beleuchtung und Aufhängevorrichtungen montiert. Viele Jahre fanden hier mehrere Ausstellungen pro Jahr statt, die Malerei, Grafik, Plastik und Fotografie präsentierten. Das einzigartige historische Gemäuer bot einen atmosphärischen Rahmen für Kunstwerke regionaler und überregionaler Künstler.
Der Eulenturm beherbergt heute ein Feuerwehrmuseum und kann nach Vereinbarung besichtigt werden. Beide Türme sind wichtige Stationen auf kulturhistorischen Stadtrundgängen und beliebte Fotomotive für Besucher. Sie stehen als Denkmäler für die wechselvolle Geschichte einer kleinen Westerwälder Stadt, die von der mittelalterlichen Wehrhaftigkeit über dunkle Zeiten der Hexenverfolgung bis hin zum modernen Kulturleben alle Epochen durchlebte. Beide Türme sind nur wenige hundert Meter voneinander entfernt.
Informationen:
Eulenturm: Damm des Holzbaches, 27 Meter hoch, Feuerwehrmuseum, Besichtigung nach Vereinbarung
Uhrturm: Turmgasse, 24 Meter hoch
Kontakt: Tourist Information Dierdorf, Poststraße 5, Telefon 02689/291-0
Hinweis: Öffnungszeiten, Preise oder Fahrpläne bitte tagesaktuell prüfen!
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