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Nachricht vom 07.09.2025    

In 39 Monaten um die Welt – Wie ein Unkeler die Welt auf weniger als 50 m² umsegelte

Von Niklas Hövelmann

Im Mai 2022 startete Christoph Rechmann in das Abenteuer Weltumsegelung. Vor einer Woche erfolgte die Rückkehr in die Unkel-Scheurener Heimat. Im Interview erzählt der 58-jährige Handwerksmeister die Geschichte seiner Reise.

Unvergleichliche Einblicke in Landschaft und Kulturen der Welt. (Alle Fotos: Christoph Rechmann)

Unkel. 42.000 Seemeilen legte Christoph Rechmann in den vergangenen drei Jahren auf seinem 12,63 Meter mal 3,80 Meter großen Aluminium-Segler "Tin Lizzy" zurück – einmal um die Welt. Zwar wurde er auf diversen Passagen dabei von Familie und Freunden begleitet, den größten Teil der Reise legte er jedoch alleine zurück. Was für die meisten nach dem blanken Horror klingt, war der langgehegte Traum des Unkelers.

Atlantiküberquerung
Nach langer Vorbereitung lief er im Mai 2022 aus dem Hafen von Colijnsplaat in den Niederlanden aus. Entlang der europäischen Küste segelte er zunächst über Portugal bis nach Teneriffa. Von hier aus stand die erste größere Herausforderung an. Eine Herausforderung, an der schon die antiken Zivilisationen gescheitert waren: Die Überquerung des Atlantiks.

Durch den Panamakanal
Knapp drei Wochen sollte die Überfahrt bis zum Inselstaat Sankt Lucia dauern. Begleitet wurde er hierbei von einem befreundeten Pärchen. Nach Stationen in der Karibik folgte mit der Passierung des Panama-Kanals die nächste Herkulesaufgabe. Mithilfe seiner Töchter musste er sein Schiff durch den Kanal schleusen – kein einfaches Unterfangen, sind die Schleusen doch eher für große Frachter ausgelegt.

Gegen Wind und Wetter
31 Tage sollte er im Anschluss über den Pazifik schippern. Über die kleinen Inseln Ozeaniens gelangte er nach Neuseeland, wo sein Boot die Hurrikan-Saison des Pazifiks abwartete. Über Indonesien und Mauritius segelte er durch den berüchtigten Agulhas-Strom an der Südspitze Afrikas.

Es folgten Stationen unter anderem in Namibia und auf der geschichtsträchtigen Insel St. Helena, wo damals Napoleon Bonaparte den Tod fand, ehe er auf Fernando de Noronha vor dem brasilianischen Festland ankerte. Entlang der amerikanischen Ostküste ging es hoch bis in die Karibik, ehe die Weltumseglung nach der erneuten Landung auf Sankt Lucia perfekt war.

Im Interview gewährt Rechmann hochspannende Einblicke in das Leben auf See, interkulturelle Zusammenarbeit und einer Begegnung mit einem Buckelwal.

Hallo Herr Rechmann, erzählen Sie doch mal:
Mit welchen Segelerfahrungen startet man in eine Weltumsegelung?

Als Kind sind wir Jollen gesegelt. Kleine Segelboote – und dann lange Zeit nichts mehr. Mit ungefähr 35 Jahren habe ich dann wieder angefangen. Zunächst mit Charterfahrten im Mittelmeer. Mit wachsender Begeisterung wurden dann die entsprechenden Befähigungsnachweise erworben. Und dann war letztlich der logische Weg zum eigenen Boot. Das war ein Boot mit 28 Fuß. 2012 haben wir unser aktuelles Boot erworben und in der Folge für zwei Jahre nach Schottland verlegt, um zu lernen, mit mehr Wind und starken Strömungen umzugehen.

Wie lange dauerte die tatsächliche Vorbereitung dann auf das Projekt? Ungefähr.
So etwa fünf Jahre.

Wie viel Zeit investiert man dann pro Monat?
Wir sind ungefähr alle 14 Tage für die Wochenenden in die Niederlande zum Boot gefahren. Und die Sommer- und Herbsturlaube sowieso. Gegen Ende, im letzten Jahr, war es dann wirklich sehr intensiv, jede freie Minute auch zuhause ging für die Vorbereitung drauf.

Okay, hat man dann auch schon längere Touren geprobt?
Urlaubsfahrten im englischen Kanal überwiegend. In die Normandie, Kanalinseln, Bretagne und entlang der englischen Südküste. Und zur Vorbereitung gehören natürlich auch diverse Kurse.

Welche Kurse sind das etwa?
Ein Seminar "Medizin auf See", um auch tiefergehende medizinische Kenntnisse zu erlernen. Seminare für Wetterkunde, Astronavigation, Motorentechnik. Und mit der Bundespolizei, um Informationen über gefährliche Gegenden und Piraterie zu bekommen. Piraterie ist unter anderem ein großes Thema auf dem Weg zum Suezkanal, am Horn von Afrika.

Ist Piraterie tatsächlich noch so ein großes Problem?
Je nachdem, ja. Bei den Philippinen, Indonesien, Papua-Neuguinea und den Louisiaden beispielsweise kann es gefährlich sein. Die Lage ist dynamisch und verändert sich laufend.

Hat man da Geschichten mitbekommen von den anderen Seglern?
Man ist ja in einer Community, und je näher man diesen Gebieten kommt erfährst du immer mehr von den anderen. Als erste Referenz ist auch das auswärtige Amt eine gute Quelle. Präzisere Informationen kriegst du dann unterwegs. Man braucht aber auch etwas Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und glücklicherweise musste ich keine Erfahrungen in der Hinsicht machen.

Stellen wir mal die zentrale Frage:
Warum wollten Sie sich überhaupt die Mühen einer Weltumsegelung antun?

Es war ein Traum den ich schon seit mehr als 20 Jahren hege. Vor 13 Jahren haben wir dann das passende Boot gekauft. Damals war noch geplant, dass meine Partnerin Gunda mich begleiten sollte.

Was kam dazwischen?
Wir haben festgestellt, dass sie ihre Ängste vor dem Segeln bei Nacht nicht ablegen konnte. Deswegen wurden längeren Strecken für Sie unmöglich. Für mich war aber klar, dass ich es machen muss, solange ich gesundheitlich fit bin und ich wollte es nicht bis zum Rentenalter aufschieben.

Ist Ihre Partnerin im Laufe der Reise trotzdem irgendwann dazugestoßen?
Ja, zeitweise ist sie dabei gewesen.

Und der Rest der Familie?
Meine Kinder, mein Vater, meine Schwestern und mein Onkel haben mich besucht. Meine Mädchen haben mir ja zum Beispiel bei der Durchquerung des Panama-Kanals geholfen.

Wie habe ich mir diese Besuche vorzustellen?
In Europa war es natürlich kein Problem. Jede Destination ist mit den gängigen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Schwieriger wurde es im Pazifik und in der Folge. Mein Sohn ist zu den Marquesa-Inseln gekommen, das heißt, eine Flugreise mit Zwischenstopp in den USA, dann nach Tahiti und von dort aus weiter mit einer kleinen Maschine nach Nuku Hiva (die Hauptinsel der Marquesas-Inseln). Ähnlich lang war es für meine Schwester, die mich auf Tonga besucht hat. Wieder ging es zunächst in die USA, weiter nach Neuseeland und von da nach Nuku’alofa auf Tonga. Abgesehen von den Kosten musste man sehr flexibel sein, da es für mich wegen des Wetters schwierig war, nach Fahrplan zu segeln.

Das klingt, als wäre die gesamte Familie begeistert gewesen von Ihrem Abenteuer.
Ja!

Haben Sie sie denn auch in die Planungen eingeweiht oder wurde sie vor vollendete Tatsachen gestellt?
Meine Familie wusste die ganze Zeit von dem Plan und hat mich großartig unterstützt, auch bei der Vorbereitung des Bootes.

Hat man in der Zeit auf See auch Kontakt nach Hause, oder lediglich auf dem Festland?
In meinem Fall hatte ich für das Herunterladen von Wetterdaten ein Satellitentelefon, über das ich mich auch einmal pro Tag per SMS bei meiner Partnerin gemeldet habe, die dann meine Familie informiert hat. Mittlerweile sind sehr viele Fahrtenjachten mit Starlink ausgerüstet. Dann hast du schnelles Internet wie an Land an Bord und Social Media und beispielsweise Netflix sind möglich. Aber ich habe mich ganz bewusst dagegen entschieden. Zum einen, weil die Technik bei meiner Abfahrt so weit noch nicht war, und zum anderen war auch einer der Gründe loszufahren entkoppelt zu sein und sich nicht von Nachrichten, Social Media und anderen Dingen ablenken zu lassen. Das würde ich auch jederzeit wieder so tun.

Das klingt doch gut. Eben haben Sie eine Community erwähnt.
Wie habe ich mir ein solches Netzwerk vorzustellen?

Oft erfährt man von einem Nachbarn am Ankerplatz oder Freunden, die schon voraus sind, von WhatsApp- oder Facebook-Gruppen für die jeweilige nächste oder übernächste Region oder Inselgruppe. Wenn man erst mal eine Weile in der Community unterwegs ist, wird es fast zum Selbstläufer. Man informiert andere und wird informiert. Es kommt aber auch auf die Gegend an: Je entlegener, umso spärlicher die Informationen.

Und die Kommunikation mit den Behörden? Klärt man das dann alles schon im Vornherein oder auch noch während der Fahrt?
Nein, während der Fahrt überwiegend.

Angenommen, Sie haben sich für einen Zielpunkt entschieden: Wie sieht dann der bürokratische Ablauf bis zur Einfahrt in den Zielhafen aus?
Zunächst informiert man sich über die Einreisevorschriften, die ja von Land zu Land unterschiedlich sind, und ob ein Visum beantragt werden muss. Sind alle Informationen zusammengetragen, muss oft eine elektronische Vorankündigung mit diversen Formularen bei den Behörden des neuen Ziels erfolgen. Und abschließend – meist 24 bis 48 Stunden vor der Abreise – wird man bei den Ämtern des Ausreiselandes vorstellig, um auszuklarieren: Hafenamt, Zoll, Einwanderungsbehörde und gegebenenfalls Gesundheitsamt. Bei Ankunft am Ziel muss zuerst wieder einklariert werden bei den vorgenannten Stellen. Die Herausforderung ist oft, die richtige Reihenfolge einzuhalten und den Standort der Ämter herauszufinden, da diese oft nicht zusammenliegen. Gelegentlich gilt es auch, einen Dresscode einzuhalten. Das Ganze dauert dann zwischen einer Stunde und mehreren Tagen.

Okay, also ist es gar nicht so, dass man sich direkt schon eine feste Route raussucht, bevor man lossegelt, sondern eher nur bis zum nächsten oder übernächsten Hafen plant?
Im Grunde genommen schon. Also, die wesentliche Route war mir schon klar. Ich wollte auf der Barfußroute reisen, das heißt, mehr oder weniger entlang des Äquators. Mit Umwegen dann und wann, oder Ausweichen wegen den Hurrikan-Saisons. Ansonsten ergibt sich vieles auch unterwegs, dass man von Dingen erfährt, die man vorher nicht wusste, also wo besonders schöne Stellen sind, wo man gut tauchen oder schnorcheln kann. Oder dass man Gegenden bewusst auslässt, die mittlerweile gefährlich sind, oder weil dort ein Zyklon durchgegangen ist und die Gegend zerstört hat. Auf der anderen Seite erfährt man aber auch gerade im Pazifik von Ecken, die sehr entlegen sind. Da sind die Bewohner der Inseln froh, wenn die Segler unter Umständen Waren mitbringen. Lebensmittel, einen Kühlschrank, Ersatzteile, ein Stromaggregat oder solche Sachen.

Wo Sie grade Hurrikan-Saison sagen: Wie bereitet man sich darauf vor? Wie verbringt man die Zwischenzeit? Weitersegeln kann man ja wahrscheinlich so lange nicht.
Es ist einer der Hauptaspekte bei der Planung, die gewünschten Ziele zur besten Jahreszeit zu besuchen. Informationen über die Hurrikan-Saison in den Gebieten entlang der Route erhält man aus Revierführern und Seehandbüchern. Man bewegt sich im Rhythmus der Jahreszeiten und versucht sich im ‚Sommer‘ zu halten. Ich habe mich nie in einem Gebiet zur Hurrikanzeit aufgehalten.

Und an welchen Punkten haben Sie dann überwintert?
Überwintern ist vielleicht das falsche Wort, ein längerer Break von sechs Monaten war in Neuseeland von Dezember bis Mai, also dem Sommer auf der Südhalbkugel. Das war eine phantastische Möglichkeit, dieses tolle Land ausgiebig zu bereisen und natürlich das Schiff nach eineinhalb Jahren gründlich zu überholen. Die zweite notwendige Unterbrechung habe ich in Südafrika verbracht, diesmal von November bis Januar.



Wir haben noch gar nicht so viel über das wirkliche Leben an Bord gesprochen: Was ist das erst einmal für ein Gefühl über Wochen – ihre Pazifiküberquerung hat sogar einen kompletten Monat in Anspruch genommen – auf dem Ozean zu schippern, mit nichts als Wasser um sich herum?
Es ist alles an Gefühlen dabei. Vor allem wird einem die eigene Bedeutungslosigkeit bewusst, angesichts der gewaltigen Größe des Ozeans und der Kräfte der Natur. Nach einigen Tagen hat man das Gefühl, aus der Zeit zu fallen, manches erscheint unendlich lange zu dauern und anderes schnell zu vergehen. Es ist mir eine nie endende Freude, die Farben des Meeres, der Sonnenauf- und -untergänge sowie des Himmels zu beobachten. So leicht manches an einem Tag im Sonnenschein ist, so schwer kann es am nächsten Tag mit viel Wind und Welle sein. Überwiegend ist es aber wunderbar und großartig.

Wie genau verbringt man seine Zeit auf dem Schiff, wenn Sie sagen, dass Sie den Atlantik in 20 und den Pazifik in 31 Tagen am Stück durchquert haben?
In den Tropen herrscht annähernd Tag- und Nachtgleiche. Die Tage sind recht kurz. Meist startet der Tag bei Sonnenaufgang mit einem Becher Kaffee im Cockpit. Anschließend gibt es das Frühstücksmüsli. Dann Download der Wetterdaten über das Satellitentelefon und Auswertung der Daten. Je nachdem muss die Route dem Wetter angepasst werden. Versenden der Textnachricht an meine Partnerin in der Heimat. Kontrollgang über Deck; Segel und Rig checken; Solarpaneele ausrichten; Angelleinen auslegen; etwas Podcast hören. Zwischendrin immer wieder Überprüfung und Korrektur von Kurs und Segelstellung. Je nachdem etwas Schlaf nachholen; Musik hören, lesen, Log- und Tagebuch führen. Bei Bedarf Reparatur- und Reinigungsarbeiten, alle vier bis fünf Tage Brot backen. Am frühen Abend Essen zubereiten. Schließlich noch etwas lesen oder auch schon mal einen Film schauen. Kurz nach Sonnenuntergang beginnt der Nachtrhythmus, das heißt, Intervallschlafen zwischen 30 Minuten und drei Stunden – je nach Wetter, Seegebiet und Schiffsverkehr. Und dann ist schon wieder Zeit für den Morgenkaffee.

Interessant. War Ihre Reise eigentlich auch kulturell motiviert?
Unbedingt, ja natürlich. Die Länder, Menschen und ihre Kulturen kennenzulernen, ist einer der Hauptgründe, loszufahren. Und natürlich die Natur. Alles, was sich in und um das Wasser abspielt. Das alles war so interessant und unterschiedlich in seiner Ausprägung. Eine der schönsten Erfahrungen war die Freundlichkeit der Menschen überall auf der Welt, ihre Hilfsbereitschaft und Offenheit.

Wie verständigt man sich mit denen? Sind ja wahrscheinlich doch einige verschiedene Sprachen.
Die allerwichtigste Sprache ist Englisch, gefolgt von Französisch und Spanisch. Englisch spreche ich ganz gut, Französisch und Spanisch leider sehr eingeschränkt. Aber wenn du über die Sprache nicht weiterkommst, kannst du dich auch mit Händen, Füßen und Zeichen verständigen. Dann ist natürlich eine tiefere Konversation nicht möglich, aber es geht. Der eine spricht ein bisschen Englisch, der andere ein bisschen Französisch. Dazu Gesten und ein Lächeln. Wenn man wirklich Kontakt möchte, funktioniert es auch.

Bekommt man dann vor den Einheimischen auch ganz gerne einen geheimen Tipp, wo man sich touristisch mal umsehen könnte?
Das kommt immer darauf an, wie nah man den Einheimischen kommt. In der Regel aber schon. Vor allen Dingen was die Versorgung angeht. Manchmal begleiten dich die Einheimischen und zeigen dir schöne Stellen oder helfen bei der Versorgung, zum Beispiel um sauberes Wasser zu bekommen. Sehr wichtig, ich hatte nämlich keinen Wassermacher an Bord.

Gibt es da vielleicht einen Geheimtipp, den Sie gesehen haben?
Es gab so viele wunderbare Ecken und Ankerbuchten. Ich könnte da eigentlich keinen herausheben und ich würde das auch gar nicht an die große Glocke hängen wollen, weil es dann ja kein Geheimtipp mehr wäre.

Vielleicht doch ein Beispiel?
Der Wasserfall auf Fatu Hiva - den hätte ich alleine nicht gefunden - in dem lebte ein großer Aal. Der Aal ist in der polynesischen Mythologie ein heiliges Tier und auch ein Indikator für sauberes Wasser. Wenn die Aale da sind, dann ist das Wasser sauber. Das wäre ein Beispiel. Ansonsten Strandabschnitte, die sehr schön sind. Weiterhin Tipps wie z.B. wo und wann die Moskitos zuschlagen und einen auffressen oder nette Lokale.

Vielleicht ein besonderes Erlebnis, das Sie erzählen möchten? Das werden wahrscheinlich viele sein. Vielleicht nehmen sie eins raus.
Es gab so unglaublich viele besondere Erlebnisse. Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen oder aufhören sollte. Das ist unglaublich schwer. Besondere Erlebnisse waren insbesondere die Tauch- und Schnorchelgänge mit den Meerestieren. Mit einer Buckelwalkuh und ihrem Kalb bei Tonga zu schwimmen, diesem riesigen, eleganten Tier, das ist beispielsweise unfassbar.
Oder in Fakarava, im Turmoto-Atoll: Hunderte Haie und eine unvergleichliche Fischvielfalt. Auf St. Helena hatte ich die Möglichkeit, mit einem Walhai zu schnorcheln, dem größten lebenden Fisch. Das waren sehr beeindruckende Erlebnisse, die Tierwelt unter Wasser.

Wie nah kommt man so einem Buckelwal?
Bis auf wenige Meter.

Gab es auch Erlebnisse, die besonders herausfordernd waren?
Oh ja, unter anderem ein Schaden am Rig auf dem Boot meines schwedischen Freundes PE. Wir segelten mit wenigen Meilen Abstand zueinander im Indischen Ozean, als an seinem Mast ein Want brach - das ist ein starker Edelstahldraht, der den Mast hält. Ich konnte ihm helfen, weil ich das richtige Reparaturmaterial an Bord hatte. Wir haben mein Schiff in Schlepp genommen und ich bin mit meinem SUP-Board zu ihm rüber. Gemeinsam haben wir das Want reparieren können und das Provisorium hat bis Südafrika gehalten. Gegen Ende der Reise habe ich auf den Azoren einen Riss im Mast festgestellt, den ich aber nach Rücksprache mit dem Masthersteller mit Bordmitteln reparieren konnte.

Sie haben erwähnt, dass Ihre Töchter Ihnen beim Passieren des Panama-Kanals geholfen haben. Das klingt auch nach einer schwierigen Herausforderung. Können Sie beschreiben, wie das ablief?
Zuerst muss man sich bei der Kanalbehörde registrieren, das geschieht in der Regel durch einen örtlichen Agenten. Dann wird das Schiff vermessen und man bekommt einen Durchfahrttermin. Das kann in Tagen oder Wochen sein, je nach Betrieb und Wasserstand im Gatunsee. Am Abend vor der Durchfahrt verlegt man sich in einen speziellen Bereich in Schleusennähe. An Bord sind dann schon die vier vorgeschriebenen Leinenhelfer (in meinem Fall meine beiden Töchter und Freunde), vier lange und dicke Schleusenleinen und extra große Fender. Um 3 Uhr Früh ging es, unterstützt von einem Lotsen an Bord, für uns in die erste der drei Schleusen auf der Atlantikseite und um 8 Uhr waren wir im Gatunsee. Nach mehrstündiger Fahrt in großer Hitze durch den See und Kanal, am Nachmittag dann die drei Schleusen der Pazifikseiten. Am frühen Abend öffnete sich das letzte Tor und Tin Lizzy schwamm im Pazifik. Ein großer Moment!

Wie sind Sie dann durch den berüchtigten Agulhasstrom in Südafrika gekommen? Das muss auch eine echte Herausforderung gewesen sein.
Das war von der Anspannung her der schwierigste Reiseabschnitt. Da man sich von Mauritius kommend der Ostküste Südafrikas und damit dem Agulhasstrom von hoher See aus nähert, weiß man nicht, welches Wetter einen bei der Ankunft erwarten wird. Der Agulhasstrom ist eine starke Meeresströmung, die entlang der afrikanischen Ostküste nach Südwesten läuft. Wenn dieser auf die oft sehr starken Südwestwinde aus der Antarktis trifft, bilden sich hohe, steile Wellen, die extrem gefährlich sind. Man darf also auf keinen Fall mit starkem Südwest in den Strom fahren. In der Regel ziehen die Wettersysteme mit Starkwind alle fünf Tage die Küste hoch. Man muss das Wetter sehr genau beobachten und trotz der täglich aktuellen Wetterdaten ist das unglaublich nervenzehrend. Sollte man im Strom von Starkwind oder Sturm überrascht werden, muss man umkehren - so schwer das angesichts der nahen Käste auch ist.

War das der gefährlichste Teil der Reise?
Letztlich war es der Forderndste. Wir hatten dann Wetterbedingungen mit Nordostwind von bis zu 30 Knoten. Das heißt, Wind und Strom liefen in die gleiche Richtung. Von daher war das nicht wirklich gefährlich. Insgesamt hatte ich während der Reise großes Wetterglück. Es gab längere Perioden mit starkem Wind und hohem, unbequemem Seegang, aber mein Schiff ist stark und es kam nie wirklich schlimm. Einmal, bei der Annäherung an Panama, ist nachts vollkommen unverhofft eine große Welle durch das geöffnete Schiebeluk des Niedergangs bis ins Schiffsinnere gekommen. Wie aus dem Nichts. Sie hat dann den Kartentisch und die Elektronik überflutet. Außerdem hat sie das Schiff stark auf die Seite gedrückt. Das war eine Situation, die schlimm hätte enden können.

Das hat sich von alleine wieder gelöst?
Von alleine löst sich nichts auf See. Ich musste schon sehen, wie ich das Wasser wieder rauskriege. Unter anderem war mein Logbuch vollkommen nass. Ich habe sofort die Seiten fotografiert, damit mir mein Tagebuch erhalten blieb. Von der Elektronik her hatte ich Glück. Nur das Kassettenradio ist kaputtgegangen. Alles andere konnte ich trocknen und reinigen.

Wie genau bekommt man das Wasser aus dem Boot wieder raus?
Es gibt fest eingebaute Pumpen in der Bilge, dem tiefsten Ort im Schiff. Damit kann man das Wasser wieder hinauspumpen. Und natürlich mit Schwamm, Eimer und Lappen. Dann musste mit viel Süßwasser und geeigneten Pflegeölen nachbehandelt werden, damit sich keine Korrosion bildet.

So viel zu Ihrer Weltumsegelung. Wurden Sie denn auch gebührend begrüßt, als Sie wieder im Heimathafen ankamen?
Ja, auf jeden Fall. Meine Familie und Freunde haben uns wirklich einen wunderschönen Empfang bereitet.

Sind Ihre Erwartungen an die Reise im Großen und Ganzen erfüllt worden?
Ja, voll und ganz.

Die Abenteuerlust ist gestillt, oder stehen schon die nächsten Projekte an?
Ich bin jetzt froh, wieder zu Hause zu sein und auch wieder in meinen Beruf zurückzukehren. Obwohl es sich nach mehr als drei Jahren der Ungebundenheit doch alles etwas ungewohnt anfühlt. Aber es sind auch noch einige Träume übrig geblieben.

Wie war die Reise überhaupt mit dem Beruf vereinbar?
Dadurch, dass mein Sohn und ich die Firma zu gleichen Teilen führen, konnte er mich in der Zeit vertreten. Das war natürlich eine unglaubliche Hilfe, für die ich sehr dankbar bin.

Sie dürfen sich ja bald ins goldene Buch der Stadt Unkel eintragen…
Ja, als die Stadt Unkel das an mich herangetragen hat, war ich absolut überrascht, das hat mich vollkommen unvorbereitet getroffen. Nie hätte ich gedacht, dass die Leute so daran Anteil nehmen. Das ist eine große Ehre, ich freue mich sehr darüber.

Haben Sie noch ein paar abschließende Worte?
Ja, ich kann nur jedem raten, der von einer Fernreise träumt - egal ob mit dem Fahrrad, dem Boot oder zu Fuß - die Träume nicht aufzuschieben, sondern sie wahr werden zu lassen. Weil das, was man unterwegs erlebt, ist so unglaublich schön. Insbesondere, das möchte ich noch mal sagen, die Begegnungen mit den Menschen. Ich habe sehr, sehr wenige negative Erfahrungen gemacht. Überwiegend waren alle Menschen zugewandt und freundlich.

Vielen Dank für das Interview.
(Artikel und Interview: Niklas Hövelmann)



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