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Nachricht vom 20.09.2025    

Memorabilia III: Die Zerstörung Altenkirchens

Von Niklas Hövelmann

KOLUMNE | Kaum zur freien Stadt erhoben und schon durch den übermächtigen Nachbarn dem Erdboden gleichgemacht: Der Start Altenkirchens in die Selbstständigkeit verlief alles andere als glücklich. Wie ein Spiel der Egos im Spätmittelalter beinahe das Ende der heutigen Kreisstadt bedeutet hätte.

Altenkirchen im 19. Jahrhundert. (Archivbild/Gemeinfrei)

Altenkirchen. Bereits in der letzten Folge der Memorabilia sind wir auf das Terrier-Phänomen gestoßen: kleiner Hund provoziert großen Hund in Folge massiver Selbstüberschätzung, bekommt dafür eine heftige Abreibung … und provoziert dann bei der nächsten Begegnung direkt wieder, als wäre nichts gewesen. Hatte zuletzt Caesar die Rolle des großen Hundes übernommen, der die aufmüpfigen Germanen mit dem Bau der ersten Rheinbrücke in Angst und Schrecken versetzte, wird es in dieser Episode das Erzbistum Köln sein, das mit drastischen Mitteln die Grafen von Sayn auf den Platz hin zurückverweisen wollte, wo sie deren Meinung nach hingehörten.

Eine vergessene Geschichte
Schaut man sich den Wikipedia-Artikel der Stadt Altenkirchen an, so wird man feststellen, dass zwischen dem Jahr 1357 und dem Jahr 1574 eine mehr als zweihundertjährige Lücke klafft, in der wohl denklogisch nichts von Relevanz passiert sein sollte. Die Altenkirchener Stadtwebsite hingegen weist in einem Abriss auf die "Zerstörung der befestigten Stadt durch Truppen des Erzbischofs von Köln" im Jahr 1361 hin. Klingt eigentlich ziemlich relevant. Dennoch lässt sich ad hoc kaum ein Hinweis darauf finden, wie es zu diesem Gewaltakt kam. Noch wunderlicher wird der Fall, wenn man sich anschaut, wer der damalige Erzbischof Kölns war.

Beschreibt die Nachwelt diesen Wilhelm von Gennep doch als einen außerordentlich friedfertigen Menschen, der seine Ziele auf diplomatischem Wege erreichte und auf Freundschaft und Landfrieden aus gewesen sein soll. Was also brachte Wilhelm dazu, Altenkirchen einzuäschern, und warum scheint diese Geschichte derart in Vergessenheit geraten zu sein?

Quellenprobleme
Die Antwort darauf liefert das Projekt AKdia. Dieses von Lokalhistorikern betriebene Portal hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte Altenkirchens minutiös aufzuarbeiten. In einem Beitrag aus dem Oktober 2009 schildert Dieter Sommerfeld die Hintergründe. So ist der Großteil der potenziellen Quellen über die Jahre verloren gegangen. Die noch existente Hauptquelle für die Zerstörung der Stadt bildet die in Mittellatein abgefasste Kölner Bischofschronik. Ergänzt werden muss diese für etwa acht Personen lesbare Chronik durch diverse Urkunden – abgefasst in ähnlich toten Sprachen, verteilt in unzähligen Archiven.

Doch genug der Einführung - Gehen wir zurück ins 14. Jahrhundert:

Politische Hintergründe
Nach dem Tode Heinrichs VII. brach im Jahr 1314 ein Bürgerkrieg um die Nachfolge auf dem römisch-deutschen Thron aus. Mit Ludwig dem Bayern und Friedrich III. waren zwei Könige gewählt worden, die beide auf mächtige Unterstützer bauen konnten. Wie es der Zufall wollte, schlug sich das Kurfürstentum Köln auf die Seite Friedrichs, während die Trierer Kollegen auf Ludwig setzten. Die Grafen von Sayn, deren Ländereien zwischen den beiden Großmächten lagen, schlossen sich früh der Partei Ludwigs an. Dieser wiederum belohnte sie prompt mit diversen Privilegien, wie den Stadtrechten für ihre Besitztümer Hachenburg, Weltersberg und Altenkirchen, die damit den Status als "reichsunmittelbare freie Städte" inne hatten. Dadurch war es den Grafen von Sayn unter anderem erlaubt, diese Städte militärisch zu befestigen.

Umstrittene Herrschaft
1322 konnte Ludwig seinen Konkurrenten nach der Schlacht bei Mühldorf gefangen nehmen. Hiermit beendete er den Thronstreit, nicht jedoch die Spannungen innerhalb des Reichs. 1324 exkommunizierte Papst Johannes XXII. Ludwig schließlich nach längerem Streit, der daraufhin gegen Rom zog, sich durch oppositionelle Bischöfe zum Kaiser krönen und Papst Johannes absetzen ließ.

Der neue Papst konnte sich jedoch nicht lange behaupten und dankte schon kurze Zeit später wieder zugunsten Johannes XXII. ab. Auch im Inneren blieb der Bayer nie unumstritten. 1346, kurz vor Ludwigs Tod, wurde mit dem Luxemburger Karl IV. ein Gegenkönig gewählt, der sich schlussendlich als Regent durchsetzen konnte. Nachdem sich schließlich die Parteien ausgesöhnt hatten, herrschte in den nächsten Jahren tatsächlich eine Art Einigkeit im Reich. Allerdings wurde gegen den Willen Karls Wilhelm von Genneps auf den Kurfürstenstuhl Kölns gewählt.



Inkompetenter Opportunismus
Hier scheinen die Grafen von Sayn ihre Chance gewittert zu haben: Nachdem sie sich durch die Bestätigung ihrer Stadtrechte nochmals der Gunst des Königs versichert hatten, begannen sie eine aggressive Außenpolitik gegen die umliegenden Kölner Ländereien. Offensichtlich erwarteten die Westerwälder hierbei die Hilfe des Königs, obgleich sich dieser bereits mit Wilhelm arrangiert hatte.

Nach Jahren der Reibereien wurde 1359 ein Frieden geschlossen zwischen Kurfürst Wilhelm und Johann III., der bereits seit Jahren als Mitregent mit seinem gleichnamigen Vater im Hause Sayn waltete und nach dem Tod seines Vaters zum Familienoberhaupt aufgestiegen war.

Große Pläne
Johann III. sah sich zu Größerem bestimmt: Von seinen Residenzen in Hachenburg und Altenkirchen aus betrieb er eine intensive Expansionspolitik. Kaufte er zunächst nur möglichst weiträumige Landstriche auf, begann er schon im nächsten Jahr eine erneute Invasion kölnischen Bodens. Altenwied, das gut 100 Jahre zuvor vom Haus Sayn an die Kölner verkauft worden war, versuchte Johann nun vergeblich, sowohl mit kriegerischen Mitteln als auch mit Intrigen wieder in seinen Besitz einzugliedern.

Eine glückliche Fügung?
Dem angedachten Vergeltungsschlag entgingen die Sayner lediglich durch einen bemerkenswerten Zufall: Der Wilhelm unterstehende Amtmann von Altenwied hatte seine Truppen schon in Bewegung gesetzt, als er auf ein durchziehendes Heer traf, das in Richtung Isenburg zog. Fälschlicherweise hielt dieses Heer ihn für den gesuchten Feind und griff unvermittelt an. Hierdurch zurückgeworfen legte der Amtmann, Ritter Rolmann von Sinzig, seine Vergeltungspläne ad acta und zog sich nach Altenwied zurück.

Statt indessen für diese glückliche Fügung dankbar zu sein, scheint Johann dies als himmlisches Zeichen gesehen zu haben. Zunächst rüstete er Altenkirchen massiv auf. Dann attackierte er Altenwied erneut – dieses Mal alleine militärisch. Er fiel in die Stadt ein, nahm die Nobilität um den Amtmann gefangen und raubte sie aus.

Aktion - Reaktion
Jetzt hatte Kurfürst Wilhelm von Gennep endgültig genug. Im September 1361 rief er Ritter und ihr Gefolge aus Köln und Umgebung zusammen, stellte ein mächtiges Heer auf und ließ es unter Führung von Johann von Schleiden gegen Altenkirchen ziehen. Im Handstreich nahm von Schleiden die Stadt ein, zerstörte Gebäude, tötete Verteidiger und ließ alles in Schutt und Asche legen. Johann III. entging der Katastrophe augenscheinlich durch Flucht, oder er weilte gerade in Hachenburg – die Quellen schweigen hierzu. Tatsache ist, dass für Wilhelm der Gerechtigkeit mit der Zerstörung Altenkirchens Genüge getan worden war. Das Heer kehrte nach Köln zurück. Wilhelm starb ein Jahr später aus natürlichen Gründen und wurde im Dom bestattet.

Der Preis des Starrsinns
Johann scheint aus diesem Ereignis hingegen wenig bis gar nichts gelernt zu haben: Kaum zwei Jahre später begann er schon wieder eine Fehde mit dem neuen Kölner Erzbischof, Engelbert. Dieses Mal nahm er vor Hachenburg Edelleute gefangen und beraubte sie ihrer Habe. Was daraufhin geschah, ist bislang nicht sicher.

Gesichert ist aber, dass Johann eine Entschädigung zahlen musste. Weiterhin ist eine Quelle aus dem Folgejahr bekannt, wonach Johann durch den Kölner Erzbischof mit der Stadt Hachenburg und der zugehörigen Burg belehnt wurde. Ob das bedeutet, dass Johann beides zuvor an Kurköln abtreten musste, ist nicht ganz klar. 1367 unterstellte Johann seine Besitztümer dann dem Schutze des Bistums Trier, nachdem er Anfang des Jahres erneut in eine Auseinandersetzung mit Köln geraten war.

Mit der Schutzstellung enden die kriegerischen Auseinandersetzungen beider Seiten endlich. (Niklas Hövelmann)


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