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Nachricht vom 08.10.2025    

Motown-Theater in Altenkirchen: "Der dritte Mann" hält einiges bereit

Von Niklas Hövelmann

Am Sonntagabend gastierte das Motown-Theater im Kultursalon der Altenkirchener Stadthalle. Bei der Bühnenadaption des Film-Noir-Klassikers "Der Dritte Mann" versuchte das niedersächsische Ensemble den Spagat zwischen spannender Unterhaltung, Witz und ernsthafter kultureller Kritik.

Fotos: Niklas Hövelmann

Altenkirchen. „In Italien, unter den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut. Aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe. 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!“ - Dieser legendäre, improvisierte Monolog Orson Wels’ aus dem 1949er-Filmklassiker "Der dritte Mann" durfte natürlich auch in der Theateradaption des Motown Theaters nicht fehlen. Die niedersächsische Schauspieltruppe, die sich in ihrem Repertoire auf kultige Kriminalgeschichten spezialisiert hat, war am Sonntagabend im neu geschaffenen KulturSalon der Kreisstadt Altenkirchen zu Gast.

Perfekte Atmosphäre für das Historiendrama
Mit dem innenarchitektonisch an einen Jazzclub der 20er-Jahre angelehnten KulturSalon in den Mauern der Stadthalle war (fast) das perfekte Ambiente für die im besetzten Wien der Nachkriegsjahre spielende multimediale Vorstellung gefunden worden. Der kunstvolle klassische Innenbereich, das Bühnenbild, welches die architektonische Pracht der Wiener Altstadt ideal einfasste, und nicht zuletzt die gelungene Kostümierung der Darsteller ließen den Zuschauer für einen kurzen Moment der tristen Bauhaushölle der Gegenwart entfliehen. In krassem Kontrast zur Ästhetik stand jedoch die politische und gesellschaftliche Realität im damaligen Wien: Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, mit all seinen Toten und Verbrechen, lag die österreichische Hauptstadt ähnlich geteilt wie Berlin unter der Kontrolle der alliierten Siegermächte. Diesen oblag nun die Wiederherstellung der vollkommen zerstörten Infrastruktur. Allerorts herrschte Mangel an den notwendigsten Dingen des Alltags. Überall taten sich die Schwarzmärkte auf, während die Verwalter der Alliierten im Dauerstreit über Zuständigkeiten, Wiederaufbaumaßnahmen und Umerziehung lagen.

Rollo Martins – ein spontaner Detektiv
In diesen Wirren folgt der erfolglose Schund-Autor Rollo Martins – das Motown Theater hält sich hier bei der Namensgebung und auch im weiteren Verlauf an die literarische Vorlage, die in einigen Details vom Film abweicht - dem Ruf seines Jugendfreunds Harry Lime nach Wien. Mit lediglich 5 Pfund Restgeld, das er aufgrund der bürokratischen Umwälzungen durch die Besatzer nicht ausgeben darf, erreicht er die Wohnung seines Freundes in der britischen Zone und muss erfahren, dass dieser kurz zuvor bei einem mysteriösen Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein soll. Auf Limes Beerdigung erfährt er durch den britischen Major Calloway von angeblichen Verstrickungen seines Freundes in den Penicillin-Schwarzhandel. Martins wittert einen Komplott und versucht, dem rätselhaften Tod Limes auf den Grund zu gehen. Hierbei trifft er auf zwielichtige Charaktere, korrupte Militärs und überraschende Wendungen.

Eigentümliche Ideen wissen zu unterhalten
Mit viel Witz und Kreativität nahm sich das Motown Theater den beiden Vorlagen – der cinematischen und der literarischen – an. So begleitete Johannes Schubert das Stück phasenweise an der Zither, womit er den authentischen Charakter nochmal stärkte. Auch wurden hin und wieder Szenen aus dem Film über eine Leinwand eingespielt. Hierbei konnte allerdings die optische Unähnlichkeit der Bühnen- mit den Filmschauspielern für einige Verwirrung sorgen. Humoristisch war die Vorstellung durchaus gemischt – auch was die Zielgruppe betraf. Während das Overacting einiger Figuren noch für jeden verständlich war, dürfte die Umgestaltung des ruhigen, intellektuellen "Dr. Winkel" zu "Dr. Winkler", einem cholerischen Grobian, insbesondere den älteren Gästen entgangen sein.



Das Stück greift kontroverse Thematik auf
Zwischen den Zeilen nahm sich das Motown Theater der kontroversen Thematik der Umerziehung und eines daraus resultierenden kulturellen Verfalls an. Ein weniger subtiles Beispiel hierfür war etwa die Figur des "Coolers", eines hochrangigen US-Militärs, der – obgleich offen korrupt – mehrmals auf seinen noblen Ethos und die Notwendigkeit, den Wienern seine amerikanischen Werte anzutrainieren, zu sprechen kam. Auch die Figur des "Crabbin" schlug in diese Kerbe, doch aus einem anderen Winkel: Als Direktor für "kulturelle Umerziehung" agierte er grotesk unbeholfen und bewies das ganze Stück über, dass seine Belesenheit lediglich Fassade war. Etwa schenkte er Martins große Mengen Geld, weil er ihn aufgrund einer Namensähnlichkeit mit einem englischen Dichter verwechselte. Nachdem er Martins zu einer Frage- und Signierstunde überreden konnte, bewies er in dieser, überhaupt kein eigenständiges Urteilsvermögen für Literatur zu haben.
Generell schlug das Stück stark antiautoritäre Töne an, stellte die alliierten Militärs mehr als Hindernis denn als Lösung dar, deren Legalismus den Wiederaufbau der Gesellschaft unnötig herauszögerte. So wurde der gewöhnliche Schwarzmarkthandel wie auch geringfügige Gewalt von den meisten – wenn nicht allen – zivilen Figuren nicht weiter skandalisiert.

Am Ende fehlt die Konsequenz
Gegen Ende verkehrte sich diese Darstellung aber ins Gegenteil: Statt seinen illegalen Penicillin-Handel mit einem durchaus konstruierbaren moralischen Argument zu begründen, rechtfertigte sich der totgeglaubte Harry Lime im Wesentlichen gar nicht, schob monetäre Gründe vor und agierte generell zu sehr wie ein wahnsinniger Bond-Schurke. Hierdurch nahmen die Autoren dem Finale kurz darauf leider grade die Tiefe, die "Der dritte Mann" perfekt gemacht hätte. Auch das eingangs erwähnte Zitat Limes’, das er fälschlicherweise Mussolini zuschrieb, verlor so deutlich an Kraft – und Sinn.

Der nächste Sonntag wird laut
Im KulturSalon jedenfalls geht es am Sonntag, dem 12. Oktober, weiter mit Nirvana – Symphonic Tribute. Niklas Hövelmann


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