Top-Leichtathlet Friedhelm Adorf und die verzögerte Problematik des Älterwerdens
Jeder Mensch altert. Das Wie ist indes unterschiedlich. Manche merken fast gar nichts von dem Prozess, andere wiederum sind stark betroffen. Krankheiten häufen sich, die zunehmende Zahl an Wehwehchen macht deutlich, dass die Sturm- und Drangzeit ausgedient hat. Aber es gibt sie auch, die bis ins hohe Alter hinein ungemein fit sind: Senioren-Leichtathlet Friedhelm Adorf ist das beste Beispiel.
Heupelzen. „Ton ab“, heißt die Ansage, „Ton läuft“, kommt als Antwort. Langsam richtet Patrick Waldmann seine Kamera auf den Hauptdarsteller aus, während Jule Vari das große Mikrofon in Position und aus dem Sichtfeld des Objektivs bringt sowie per Kopfhörer überwacht, welche Töne parallel zu den bewegten Bildern aufgezeichnet werden. Im Hintergrund verfolgt Andrea Wieheger-Philippi auf einem kleinen Bildschirm, wie Friedhelm Adorf sich auf der Rüttelplatte in seinem Gymnastikkeller durchschütteln lässt und parallel mit einer langstieligen Holzbürste „kasteit“, um die Blutzirkulation in seinem Körper anzukurbeln. Dann senkt Waldmann sein Arbeitsgerät, unterbricht das Recording. Auch Vari legt ihr Headset ab, drückt die Stopp-Taste am Aufnahmegerät und weiß, dass die Szene im Kasten ist. Wieheger-Philippi hat auch keine Einwände gegen die aufs Speichermedium gebannte Sequenz, so dass Adorf per Fußdruck die Zitterpartie beenden, die Bürste, die ursprünglich für die Körperreinigung gedacht ist, an den ihm gegenüber an der Wand angebrachten Haken hängen kann. Wieder ist ein weiterer Schnipsel für einen neuen, 45 Minuten umfassenden Teil der Serie im Ersten „ARD Wissen – Mein Körper“ unter Dach und Fach. Gleich an drei Tagen ist der 82-jährige Top-Leichtathlet aus Heupelzen, der bereits so unendlich viele Medaillen auf deutscher, europäischer als auch auf weltweiter Bühne gesammelt hat, Wieheger-Philippis „Objekt der Begierde“, um dem Älterwerden und was es mit einem macht, auf den Grund zu gehen. Bei ihrer Recherche im Internet sei sie, auch dank Veröffentlichungen im AK-Kurier, auf Adorf gestoßen, nennt die freie Autorin den Grund für den Abstecher von Kempen (Niederrhein) in den Westerwald. Fix habe sie das Autohaus angeschrieben, „so sind wir zusammengekommen“. Und sie hat in Adorf genau den passenden Kandidaten gefunden, der beinahe noch wie ein Jungspund über die unterschiedlich langen Sprintstrecken zwischen 60 und 400 Metern sowie in Staffeln so gut wie immer als Erster das Ziel erreicht, die Wettbewerbe in seiner Altersklasse nach Belieben dominiert, der jedoch auch eine gewisse Portion Erfahrung hat, was das Tête-à-Tête mit einer Kamera betrifft, da er sich bereits ausführlich für eine Produktion der Deutschen Welle „ablichten“ ließ. Und last but not least weiß Adorf schon geraume Zeit, dass seine Physiologie nicht der von Otto Normalverbraucher entspricht, sondern geradezu prädestiniert ist, sich vom Durchschnitt nach oben abzuheben.
Abstecher in die Werkstatt
Es bleibt aber nicht nur bei den Mitschnitten aus dem Alltagsleben in Adorfs eigenen vier Wänden. Auf der Hand liegt, dass der Raiffeisenturm auf dem Beulskopf und eine Laufstrecke um ihn herum, beste Möglichkeiten für weitere Einblicke in das Dasein des spätberufenen Akteurs geben, der erst vor weniger als drei Jahrzehnten die Lust am wettbewerbsmäßigen Wettrennen entdeckt hat. Ein Gespräch auf der Aussichtsplattform an der Spitze des touristischen Highlights, nachdem es im Sauseschritt bestiegen worden ist, die Begleitung seiner Joggingrunde durch die herbstlichen Wälder oder die Stippvisite bei einer Übungseinheit im Neuwieder Stadion (Adorf startet für die LG Rhein-Wied und die ASG Altenkirchen) stehen ebenfalls auf dem Ablaufplan, den Adorf im Vorfeld des Drehs Wieheger-Philippi als Vorschlag übermittelt hat und der schließlich von ihr sogar teilweise akzeptiert wird. „So etwas war neu für mich“, fügt sie mit einem Lächeln an. Da ist aber nicht nur die sportliche Betätigung, die beleuchtet wird. Da ist auch Adorfs ehemaliger Beruf als Schmiede- und Kfz-Meister und Chef eines Autohauses, das er schräg gegenüber seines Domizils gegründet und aufgebaut hat und das nunmehr von seinem Sohn Dirk in Altenkirchen weitergeführt wird. Deswegen fängt die Kamera ihn in der ehemaligen Werkstatthalle ein, die er nunmehr als Unterschlupf für diverse Oldtimer nutzt und in der er beim Schrauben an einem betagten Wagen von seiner „früheren Verlobten“ (natürlich inzwischen längst seine Frau) Eleonore, Dirk und Enkel Matti beobachtet wird. Wieheger-Philippis Vorgabe kann der „Probant“ leicht umsetzen: „Ich soll so bleiben wie ich bin“, zitiert Adorf, was ihm nach eigener Aussage nicht schwerfällt; tja und Lampenfieber habe er sowie schon keines. Zudem sei der Umgang mit- und untereinander schön „locker“.
Spitzenforscher kommen zu Wort
Wieheger-Philippi verlässt sich bei ihrer Produktion (Sendetermin womöglich Ende April des kommenden Jahres) nicht allein auf die Aussagen Adorfs, sondern betont, dass ebenfalls auch „Spitzenforscher zu Wort kommen“, da sie herausarbeiten möchte, was so „alles genau im Körper“ während dieser späteren Lebensphase passiere. Auch soll unter dem Strich nach Möglichkeit die Beantwortung der Frage stehen, was „man selbst beim Älterwerden in der Hand hat und was nicht“. Als hilfreich erachtet sie, dass sie wieder mit Waldmann und Vari zusammenarbeiten kann, die ebenfalls beide als Freiberufler unterwegs sind und mit denen sie schon mehrmals gemeinsam tätig gewesen ist. Unter anderem zählt dazu die Dokumentation in der ZDF-Reihe „37 Grad Leben: Überleben im Wald – Frauen im Survivaltraining“. Wert legt Wieheger-Philippi auf standardisierte Abläufe bei jeder ihrer Realisierungen. „Ich bin von der Idee bis zur Abgabe immer dabei“, nennt sie ihr Credo und freut sich, dass sie inzwischen nicht mehr zum Schneiden eines Films in irgendein Studio einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt fahren muss (sie arbeitet nur für ARD und ZDF), sondern dieser Part inzwischen auch bequem von zu Hause aus online möglich ist. Dem weltweiten Netz sei dank. Dass jeder Dreh hin und wieder für ein wenig Erheiterung sorgen kann, gehört zum Geschäft und wird gerade bei der Einstellung im Gymnastikkeller und mit der Rüttelplatte als Komparse deutlich: Der Versuch Waldmanns, seine auf einem Stativ montierte Kamera aus einer Höhe von rund anderthalb Metern nur auf Adorfs Füße auszurichten, bedingt, dass sich der Protagonist beinahe wie eine Fragezeichen verbiegen muss, um Waldmanns Vorgabe zu erfüllen – was jedoch nicht im Sinne des Erfinders ist und keine Zukunft hat. Denn einen Limbo tanzenden Senior schreibt das Drehbuch nun einmal nicht vor. Das gilt auch für den 19. Januar des nächsten Jahres, wenn noch ein weiterer Drehtag in Köln ansteht, ehe Adorf zum Abschluss in Düsseldorf wieder in die Rolle der Schlüsselperson schlüpfen wird.
Dokumentationen seit 2023
Die Sendung „ARD Wissen – Mein Körper“ geht seit dem Jahr 2023 diesen Fragen nach: „Was macht uns Menschen einzigartig? Wozu sind wir fähig? Und wie können wir unseren Körper und seine Kräfte besser verstehen?“ Unter anderem wurden bereits diese Themen dargestellt: Meine Persönlichkeit, Meine Haare, Meine Zähne, Mein Herz oder Mein Darm. Friedhelm Adorf (geboren am 25. September 1943) sammelt seit 2010 Medaillen in Leichtathletik-Konkurrenzen. Bis zum Ende der Freiluftsaison 2025 sind nach einer Aufstellung von Dietrich Rockenfeller, einem ehemaligen Läuferkollegen über etwas längere Distanzen, 131 Platzierungen auf den Rängen eins bis drei bei Welt-, Europa- und nationalen Titelkämpfen (70 goldene, 38 silberne und 23 bronzene Plaketten) zusammengekommen. (vh)
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