75 Jahre Westerwald-Gymnasium Altenkirchen: Festakt beendet das Jubiläum
Diejenigen, die es nicht bis zum Ende geschafft haben, werden es womöglich verfluchen, diejenigen, die mit dem Abitur in der Tasche diese Schule verlassen konnten, werden wahrscheinlich glücklich über ihr „Zeugnis der Reife“ sein. Seit nunmehr 75 Jahren bietet das heutige Westerwald-Gymnasium in Altenkirchen jungen Menschen die Möglichkeit des Abschlusses, mit dem die Bildung an einer Universität fortgesetzt werden kann.
Altenkirchen. Großer Bahnhof am späten Donnerstagvormittag (18. Dezember) im Forum des Westerwald-Gymnasiums in Altenkirchen: Der Festakt zum 75-jährigen Bestehen beendete vor zahlreichen geladenen Gästen das von vielen Veranstaltungen geprägte Jubiläumsjahr 2025. „Am 21. Juni 1950 erhielten hier die 16 ersten Abiturienten – das waren alles Jungs – ihr Abitur“, blickte Schulleiter, Oberstudiendirektor Heiko Schnare, auf die Premiere zurück, nachdem als „Geburtstag“ der Schule der 1. Juni 1950 gilt. Beim Abitur vor wenigen Monaten sei bereits das 5000. Abitur überreicht worden, was einen Durchschnitt von 67 Abiturientinnen und Abiturienten pro Jahr ergebe. Schnare bemühte einen Blick in die Historie, um zu erklären, dass der Start nicht gleich mit der Reifeprüfungsgelegenheit als Abschluss erfolgt sei. „Aus der Höheren Stadtschule des 19. Jahrhunderts wurde vom 25. November 1939 an die städtische Oberschule für Jungen in Altenkirchen, wobei der Unterricht auch für Mädchen genehmigt wurde“, berichtete er, „von November 1945 an wurde die Schule als Real-pro-Gymnasium und Zurbringerschule als berechtigte Anstalt bezeichnet und an jenem 21. Juni 1950 dann zur Vollanstalt.“ In den dann folgenden Jahren seien zahlreiche weitere Änderungen erfolgt. So sei die gemeinsame Orientierungsstufe für die Klassen 5 und 6, bestehend aus Haupt-, Realschule und Gymnasium, eingeführt worden, die Bildung der staatlichen kooperativen Gesamtschule Altenkirchen und die Einführung der Mainzer Studienstufe (MSS) hätten sich angeschlossen bis hin zum Alleinstellungsmerkmal in Rheinland-Pfalz, dem Abitur nach zwölfeinhalb Schuljahren. Die Auflösung der gemeinsamen Orientierungsstufe – sie hatte zu dem Zeitpunkt 13 fünfte und 13 sechste Klassen -, die Umbenennung der Kooperativen Gesamtschule Altenkirchen in ein Schulzentrum sowie das Aus der Hauptschule und die Bildung der Realschule plus hätten sich angeschlossen.
Kindern eine Perspektive geben
„Mal schauen, was künftig noch so alles auf uns zurollt“, meinte Schnare mit einem Augenzwinkern. Trotz vieler negativer Begleitumstände wie Corono oder dem Überfall Russlands auf die Ukraine „haben wir als Schule und Gesellschaft immer versucht, bestmöglich zu helfen und zu unterstützen und besonders versucht, den Kindern eine Perspektive zu geben“, fügte er an. Schule habe sich in den zurückliegenden Jahren immer verändert und werde das auch weiter tun. Die Nürnberger Trichter-Methode sei glücklicherweise Geschichte. Offene und alternative Unterrichtsformen mit kompetenzorientierten Inhalten seien „in“. Durch Künstliche Intelligenz werde sich die Schule gravierenden Veränderungen stellen müssen, „die unser aller Handeln beeinflussen. Ich gehe davon aus, dass wir zukünftig weniger auf eine Wissensvermittlung und Überprüfung, sondern wir uns noch mehr auf den wertenden Umgang digitaler Information sowie auf die Vermittlung sozialer Kompetenzen einstellen müssen. Der Lehrerberuf wird sich mehr in Richtung eines Lerncoaches oder Lernbegleiters entwickeln. Eines ist jedoch ganz sicher: Unsere Schülerinnen und Schüler werden den Lernort ,Schule’ auch weiterhin dringend benötigen“, erläuterte Schnare.
Bildung als Schlüsselinstrument
„Heute bedeutet gymnasiale Bildung mehr denn je: Sie vermittelt fachliche Grundlagen, analytisches Denken, wissenschaftliche Methoden und kulturelle Urteilskraft. Sie bereitet auf Studium, Beruf und ein verantwortungsvolles Leben vor“, stellte Landrat Dr. Peter Enders als oberster Dienstherr des Schulträgers fest. In einer Gesellschaft, die von globalen Herausforderungen, digitalen Transformationsprozessen und sozialer Diversität geprägt sei, „sind die Kompetenzen, die hier erworben werden, zentral: Problemlösungsfähigkeit, hohe soziale Kompetenz, Kooperation, Reflexion und Verantwortungsbewusstsein. Unsere Schülerinnen und Schüler lernen nicht nur Fakten, sondern sie lernen, wie man Wissensbestände kritisch hinterfragt und gemeinsam Lösungen entwickelt. So wird Bildung zu einem Schlüsselinstrument für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit.“ „Das Areal hier oben ist ein Juwel. Das ist zum einen der schulische Komplex, das sind die Sportanlagen, das ist das neue Hallenbad, das wir vor kurzem eröffnen durften. Ich bin sehr, sehr dankbar, das wir das haben“, nahm Fred Jüngerich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld zunächst einmal die Infrastruktur in den Fokus, zu der auch das „Geburtstagskind“ zählt, „in diesem Bereich spielt das Westerwald-Gymnasium eine ganz gewichtige Rolle.“ Jüngerich erinnerte an die vielen Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer, die diese Schule geprägt hätten, und stellte fest: „Wir dürfen Dank sagen all denjenigen, die das geschaffen haben, was sich im Laufe der siebeneinhalb Jahrzehnte hier entwickelt hat. Wir dürfen auch Dank sagen an den Schulträger, den Landkreis. Auch der ADD darf man mal Dank aussprechen. Ich weiß, dass die ADD oftmals gescholten wird. In diesem Fall macht sie aber einen guten Job.“
Meilenstein für Altenkirchen
„1950, als hier das erste Abitur von 16 Herren abgelegt wurde, war das sicherlich ein Meilenstein für Altenkirchen“, nahm der Leitende Regierungsschuldirektor Christian Etzkorn den geschichtlichen Faden wieder auf. Wenn er auf das Altenkirchener Gymnasium blicke, sehe er eine Schule, die innovationsfreudig sei, die klare Visionen habe und die sich als Schule verstehe, jedem einzelnen zu helfen, um das volle Potenzial zu entfalten, um das „Zeugnis der Reife“ hier zu erwerben. „Ich bin überzeugt, dass das Westerwald-Gymnasium in seiner breiten Aufstellung, mit seinen vielfältigen Angeboten und der starken Schulgemeinschaft den Herausforderungen auch in den kommenden Jahrzehnten gewachsen sein wird“, fügte Etzkorn an, „seien es die gesellschaftlichen Veränderungen, die wir täglich spüren, wie sie auf uns zukommen oder schon da sind. Neue pädagogische Anforderungen, aber auch natürlich die digitale Bildung, wird die Schule meistern. Da bin ich mir ganz sicher. Möge das Westerwald-Gymnasium ein Ort bleiben, an dem Lernen Freude macht, Talente heranwachsen und die Horizonte der Schülerinnen und Schüler geweitet werden.“ Altenkirchens Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz erinnerte an die Gründerzeit des Landes Rheinland-Pfalz nach dem Zweiten Weltkrieg und dessen Schritt, in Altenkirchen ein Gymnasium zu etablieren. „Das war wirklich eine gute Entscheidung, und sie ist konstant. Die Kreisstadt Altenkirchen hat d a s Westerwald-Gymnasium“, rekapitulierte er. Darüber hinaus sei es in den 1950er-Jahren auch Aufgabe gewesen, die demokratischen Werte zu vermitteln. Vehement forderte Lindenpütz in Zeiten des Eroberungsfeldzuges der Künstlichen Intelligenz, die natürliche nicht zu vernachlässigen. Die natürliche dürfe nicht zu kurz kommen, „damit wir die Künstliche anwenden können“.
63 Kinder in einer Klasse
Norbert Grüttner, ehemaliger Studiendirektor als auch Schüler (Abitur 1966) des Westerwald-Gymnasiums, rief sich Zeiten ins Gedächtnis, in denen sie zunächst im Jahr 1957 bis zu 63 Kinder in der Klasse 5 (damals noch Sexta genannt) gewesen seien und der Unterricht noch in Baracken mit einem großen Schulhof erfolgt sei („Es klingt nicht so schlimm, wie es sich anhört“). Er lobte den damaligen Hausmeister Fetzer, der es immer geschafft habe, im Winter zu Schulbeginn um 7.45 Uhr in jedem Klassenraum den Ofen angefeuert zu haben. Nicht nur er habe sich gefragt, „wie der Mann das geschafft hat“. Zudem habe Fetzer in den Pausen Limonaden in großen Flaschen verkauft – die große Flasche für 25 Pfennig. Grüttner verwies unter anderem auf Schülerfahrten nach Frankreich und auf den von Lehrer Hans Viehmeyer 1951 gegründeten Theaterring, dessen Mitglieder zehn Vorstellungen pro Jahr in Bonn besuchten und dessen Organisation über viele Jahre auch Grüttner inne hatte. Teilweise sei sogar mit bis zu fünf Bussen an einem Abend in die ehemalige Bundeshauptstadt gefahren worden, „teils waren 150 Schüler dabei“. Als Schülersprecher fasste Janne Rößling zusammen: „Wir feiern 75 Jahre Bildung, Wandel und gemeinsame Arbeit. Was macht eine Schule eigentlich aus, was lässt einen Ort über Jahrzehnte bestehen, ohne an Bedeutung zu verlieren?“ Die Antwort sei, und das werde in diesem Jahr besonders sichtbar, eine Gemeinschaft, die Verantwortung füreinander übernehme, die bereits sei, sich immer weiterzuentwickeln. Klaus Riebeth, Sprecher des Schulelternbeirates und gerade zugezogen, sprach von 75 Jahren als einer langen Zeit, in der „unsere Gesellschaft einiges an Höhen und Tiefen durchlebt hat, so möchte man fast von einer halben Ewigkeit sprechen. Wir haben kein Relikt der Vergangenheit vorgefunden, sondern eine moderne Schule mit jungen Kollegen, mit hellen Räumlichkeiten und einer zeitgemäßen Ausstattung.“ Zum „Bergfest“ der 75 Jahre habe er sein Abitur hier gemacht, betonte Torsten Löhr als Vorsitzender des Fördervereins, er sei alt genug, um Kreide zu kennen, und jung genug, um nicht darüber zu klagen, dass alles digital werde. Er stehe genau zwischen den Anfängen der Schule und den heutigen modernen Formen. „Diese Perspektive macht mir bewusst, wie eindrucksvoll der Weg war“, wertete Löhr, „das Westerwald-Gymnasium hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm entwickelt. Aus einer Schule mit überschaubaren Räumen und überschaubarer Technik ist ein richtiges Schulzentrum geworden. Diese Schule ist nach 75 Jahren noch erstaunlich jung geblieben.“
Videoclip übers Jubiläumsjahr
Schmückendes Beiwerk war ein Videoclip von Alexander Stahl, der in sechs Minuten, also im Zeitraffer, das Jubiläumsjahr Revue passieren ließ. Dazu gesellten sich die musikalischen Beiträge der Bläserklasse 6, der Bläserklasse plus, von Maja Demuth am Klavier, der Schulband „Decibel Division“, des Ori-Chors (Singklassen 5 und 6) sowie ein Solo (André Willmeroth und Levin Stricker). (vh)
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