Wolfsdebatte im Westerwald: Tierhalter berichten von Angriffen
Von Thomas Sonnenschein
In Flammersfeld versammelten sich über 300 Menschen, darunter Politiker und Verbandsvertreter, um über die Herausforderungen der zunehmenden Wolfspopulation zu diskutieren. Die Veranstaltung bot betroffenen Tierhaltern eine Plattform, ihre Erfahrungen mit Wolfsangriffen zu teilen.
Flammersfeld. Ellen Demuth, die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Neuwied-Altenkirchen begrüßt den Kabinettsbeschluss zur Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht. Die Vorfälle der vergangenen Monate in der Region hätten den Menschen vor Augen geführt, wie groß das Problem durch den Wolf inzwischen sei.
Im neu renovierten Bürgerhaus von Flammersfeld organisierte die Bürgerinitiative Wolfsprävention Westerwald deshalb auch einen Bürgerdialog, der live auf YouTube übertragen wurde. Bianca Belleflamme, Vorsitzende der Initiative und Besitzerin eines Ponyhofs, begrüßte die zahlreichen Besucher, darunter viele Politiker aus Land- und Bundestag sowie Vertreter wichtiger Verbände.
Landrat Peter Enders eröffnete die Diskussion und warnte vor einer unkontrollierten Ausbreitung des Wolfs, die an mittelalterliche Zustände erinnern könnte. Er plädierte für eine sachliche Auseinandersetzung ohne Romantisierung des Raubtiers. In einer anschließenden Podiumsdiskussion berichteten Tierhalter von ihren Erlebnissen mit Wolfsrissen.
Wolf überwindet alle Schutzmaßnahmen
Norbert Anhalt, Bürgermeister von Rettersen und Damwildhalter, berichtete von seiner Situation im Zentrum des Leuscheider Rudels. Dort begann 2021 eine Serie von Übergriffen durch den Problemwolf 1896, dessen genetische Spuren regelmäßig an den Tatorten gefunden werden. Trotz umfassender Schutzmaßnahmen, einschließlich Zäunen von 1,6 Metern Höhe, gelang es dem Wolf immer wieder, Anhalts Herde anzugreifen.
Ein weiteres Problem sieht Julian Sandrini von der KLUWO in der unzureichenden Eignung von abschüssigen Flächen für wolfsabweisende Zäune. Nutzwiesen, die ebenerdig sind, werden aber fast immer für den Anbau verwendet, während Flächen für die Tiere oft in die Natur eingebunden sind.
Anhalt selbst ärgert sich deshalb auch über Vorwürfe, er sichere seine Gehege nicht ausreichend, obwohl diese direkt mit seinem Haus verbunden sind und er einen Hund hält. Der Wolf griff dennoch seine Tiere an und verletzte sie schwer.
Marco Weber vom Kreisbauernverband Rheinland-Nassau äußerte Verständnis für die Frustration der Tierhalter, da die Gerichte den Abschuss des Problemwolfs trotz Freigabe durch Ministerin Daniela Schmitt untersagten.
Selbst ein Elektrozaun mit 1,60 Metern Höhe reicht nicht
Auch Reinhard Kramer nutzte die Gelegenheit, vor den zahlreichen Politikern seine Geschichte zu erzählen. Wie sein Vorgänger blieb auch er sachlich und strukturiert, doch die Verzweiflung über den besonderen Schutzstatus des Wolfs war spürbar. Bereits 2020 hatte Kramer einen Antrag für einen Schutzzaun gestellt, der von einem zertifizierten Zaunbauer errichtet wurde. Trotzdem gelang es dem Wolf, in das Gehege einzudringen. Mehrere behördliche Überprüfungen bestätigten, dass alle Vorgaben eingehalten wurden. Bis heute ist unklar, wie der Wolf den Zaun überwinden konnte.
Kramer erhöhte seinen Zaun bis 2023 kontinuierlich, sodass dieser immer den Normen entsprach. "Wenn er Hunger hat, springt der Wolf auch da hinüber", bemerkte Kramer. Nicht einmal eine Höhe von 1,6 Metern unter Strom hält das Tier ab. Eine Zuschauerin berichtete, dass sogar ihr Hund über einen solchen Elektrozaun gesprungen sei.
Kramer hielt Schafe, doch der Wolf kam zweimal mühelos über die Absperrung und riss beim zweiten Mal vier Tiere. Ein weiteres Schaf musste nach diesem Angriff in das Schaftraumazentrum nach Hennef gebracht werden, auch Tiere leiden seelisch. Heute hält Kramer keine Schafe mehr, um solche Angriffe zu vermeiden.
Marco Weber betonte, dass Rheinland-Pfalz erst 2027 den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen könne, obwohl fast alle Fraktionen dafür seien. Der Bund sei hier schneller. Wenn die Zäune weiter erhöht werden sollen, müsse das Land mehr finanzielle Mittel bereitstellen.
Matthias Reuber: "Wenn man Euch in die Augen schaut, dann versteht man!"
Der Landtagsabgeordnete Dr. Matthias Reuber forderte, dass Rheinland-Pfalz schnell handeln müsse, sobald der Bund das Jagdrecht geregelt habe. Problemwölfe müssten entfernt werden.
Die Bundestagsabgeordnete Ellen Demuth wies darauf hin, dass der Bund das Gesetz zur Entnahme von Wölfen ab dem Frühjahr 2026 in Kraft treten lasse. Rheinland-Pfalz werde dann zügig einen Wolfsmanagementplan entwickeln müssen, um sicherzustellen, dass Wölfe entnommen werden dürfen, ohne den Erhalt der Art zu gefährden.
In Zukunft soll dann auch die Höhe der wolfsabweisenden Zäune keine Rolle mehr spielen. "Sogar meine Katze kann über einen Meter hoch springen, um über einen Zaun zu kommen", äußerte Demuth ihr Verständnis für den Unmut der Herdenhalter.
Andreas Bleck von der AfD wies darauf hin, dass Wölfe im Zoo hinter einem 2,5 Meter hohen Zaun mit Stacheldraht und Betonverankerung gesichert sind. Er befürchtet, dass ideologische Barrieren die Gesetzgebung behindern könnten.
Jagdverband fordert Reglementierung der Wolfsbestände
Aus dem Publikum, das aus einem Umkreis von über 100 Kilometern angereist war, kamen kritische Stimmen. Man befürchtet, dass die EU-Rechtsprechung das Jagdrecht kippen könnte und Klagen mit Sicherheit bereits vorbereitet seien.
Jörg Wirths, Kreisjagdmeister aus Altenkirchen, argumentierte, dass der Wolf wie alle anderen Wildtiere bejagt werden sollte, um den Bestand zu regulieren. "So schnell erschießt man keinen Wolf, aber wenn er merkt, dass er bejagt wird, zieht er ab", erklärte Wirths. Er warnte vor einer unkontrollierten Vermehrung des Wolfsbestands und erinnerte an historische Vorfälle, darunter verschwundene Kinder im Wald, was damals zur Ausrottung des Wolfs führte.
Sandrini betonte, dass auch Mitarbeiter der KLUWO bei der Begutachtung der Schadensfälle mit schrecklichen Szenen konfrontiert würden. In Brandenburg gäbe es 60 Rudel, während in Rheinland-Pfalz derzeit nur vier existieren, was die Rechtfertigung der Bejagung komplizierter mache.
Nicht einmal Pferde sind mehr sicher
Vanessa Schramm, eine Pferdehalterin aus Plittersdorf in der Verbandsgemeinde Altenahr, schilderte emotional, wie ihr Pferd im April 2024 von Wölfen angegriffen wurde. Sie berichtete, dass sowohl das Pferd als auch ihr Hund sich an diesem Abend ungewöhnlich verhielten. Im Dunkeln kam es dann zu einem Kampf mit den Wölfen. Das Pferd überlebte zunächst, erlag jedoch bis zum Morgengrauen seinen schweren Verletzungen.
Der Verlust des Tieres ist nicht nur emotional belastend, sondern auch finanziell ein Problem, da es keine Entschädigung für Pferde gibt. Trotz steigender Angriffe auf Großtiere durch Wölfe existiert keine Förderung. Allein im Jahr 2023 wurden europaweit etwa 3.000 Übergriffe auf Pferde verzeichnet.
Matthias Müller vom Kreisbauernverband plädiert für die Festlegung eines Mindestbestands an Wölfen, um deren Bejagung zu erleichtern. "Eine rein friedliche Koexistenz wird es nicht geben", erklärte er. Wölfe könnten Rinder in Panik versetzen, was dazu führen könne, dass ganze Zäune von den Herden niedergerissen werden.
Mangelnde Kooperation zwischen den Bundesländern
Eine Zuschauerin kritisierte die fehlende Abstimmung zwischen den Bundesländern bezüglich der Wolfspopulationen. Vanessa Schramm bestätigte diese Problematik, da sie nur einen Kilometer von Nordrhein-Westfalen entfernt lebt, wo es ebenfalls Wölfe gibt. Diese werden jedoch in Rheinland-Pfalz nicht erfasst.
Trotz des Vorfalls hält Vanessa Schramm weiterhin Pferde. Ihr Gelände wird nun mit Nachtsichtkameras überwacht. Als Hobbyhalterin darf sie ihre Pferde gesetzlich nicht über Nacht im Stall einsperren - eine Regelung, die noch vor der Rückkehr der Wölfe entstand und heute als hinderlich empfunden wird. Eine Posse der Bürokratie.
Klagen werden kommen
Die Naturschutzinitiative e.V. äußert sich zur Änderung des Bundesjagdgesetzes äußerst kritisch. Demnach verstoße dieses mit angestrebter Wolfsvernichtung gegen EU-Rechtd. Die Wiederausrottung des Wolfs sei offensichtlich geplant, zumindest werde diese aber in Kauf genommen, so die Naturschutzinitiative. (TS)
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