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Kultur |


Nachricht vom 29.12.2007    

Silvesterbräuche geraten mehr und mehr in Vergessenheit

Silvesterbräuche gibt es in der ganzen Welt. Viele der heimischen Bräuche allerdings sind mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Rolf-Dieter Rötzel erinnert an einige von ihnen.

bleigießen

Region. Das Kleeblatt, das Schwein, der Schornsteinfeger, der Marienkäfer und das Hufeisen sind wohl die häufigsten und bekanntesten Glücksbringer. Wenn in der Silvesternacht um Mitternacht die Sektkorken knallen, ist für viele Mitmenschen der Moment gekommen, besondere Wünsche oder Vorhaben für das neue Jahr zu formulieren. Das alte Jahr geht, ein neues Jahr kommt und damit beginnt für viele ein unbekannter Lebensabschnitt. Diesen gilt es dann für zwölf Monate so zu gestalten, dass der eigene Gemütszustand im Gleichgewicht und der äußere und innere Frieden gewahrt bleiben. In der heutigen Zeit geraten traditionelle Bräuche zu Silvester immer mehr in Vergessenheit. Dabei sind die meisten Bräuche schon sehr alt. Lautes Knallen und Lärmen sollte bei den Germanen böse Geister vertreiben, damals noch mit Peitschen und Dreschflegeln.
Im Mittelalter wurden Kirchengeläut, Pauken und Trompeten eingesetzt. "Früher" sollte "zwischen den Jahren" nicht gewaschen, gesponnen oder gemahlen werden, da das Kummer und Sorgen im neuen Jahr bereite. Unglück brachte es angeblich auch, wenn man in dieser Zeit unter einer Wäscheleine hindurch ging. Damit das Glück nicht fortfliegt, kam kein Geflügel auf den Tisch. Viele solcher Regeln stammten aus der heidnisch-germanischer Zeit, als man glaubte, dass in den "Raunächten" die Sonne still stehe und daher auch alles auf Erden ruhen müsse.
In Westfalen herrschte der Brauch des Neujahrs-Hämmerns, bei dem der Schmied sich mit seinen Gesellen um den Amboss versammelte, um das alte Jahr mit Schlägen auszuhämmern. Segen bringende Bräuche kannte man natürlich auch zum Jahreswechsel. So wurde am Silvesterabend nochmals das Vieh ausgiebig gefüttert, damit es im neuen Jahr weiter gut gedeihen konnte. Scherben brachten ebenfalls Glück. Um Mitternacht tranken alle Hausbewohner glückverheißend aus dem gleichen Glas, das der Hausherr anschließend rückwärts über die Schulter vor die Haustür warf.
Sekt gab es bei den Vorfahren noch nicht. Das klassische Silvestergetränk war der heiße Punsch. Dieser wurde Ende des 18. Jahrhunderts in Europa populär und bestand aus Wasser, Tee, Arrak, Zitrone und Zucker. Das Wasser wurde auch oft durch Wein ersetzt. Mit den Jahren kamen immer neue Punschrezepte hinzu. Ein Brauch, bei dem es auch um Geselligkeit geht, ist das heute noch in der heimischen Region bekannte Kränzewürfeln.
Der Silvestertag wurde von der Kirche nach Papst Silvester I. benannt, dem Oberhaupt der Kirche von 314-335. Gefeiert wird dieser Festtag seit dem Jahr 345. "Prosit Neujahr" kommt aus dem lateinischen und heißt so viel wie "Es möge gelingen/nützen". Der Ausdruck "guter Rutsch" wird vom jüdischen "Rosh Hashana" abgeleitet und heißt Jahresanfang.
Seit jeher ist Neujahr auch ein Anlass zum Orakeln. Immer noch beliebt und bekannt ist das Bleigießen. In Vergessenheit geraten ist dagegen das "Bibelstechen", wobei in der Silvesternacht die Bibel seitlich "blind" geöffnet und auf eine Textstelle gedeutet wurde. Sie sollte Aufschluss über das nächste Jahr geben. Silvesterbräuche gibt es in der ganzen Welt. Um Mitternacht tanzt man in Wien, wenn die große Pummerin (Glocke) vom Wiener Dom traditionell das neue Jahr einläutet, auf dem Rathausplatz mit einem Walzer dem neuen Jahr entgegen. In den Bergtälern der Alpen gibt es viele Bräuche. Dazu gehören das Neujahrssingen, das "Räuchern", das Begehen der Wohn- und Arbeitsräume und Stallungen mit gesegnetem Weihrauch, sowie das Umhertreiben als vermummte Gestalten mit schaurigen Masken. In Spanien feiert man bei einem ausgiebigen Essen im Kreis der Familie und verbringt die Mitternachtsstunden zumeist auf der Straße. Wie die Italienerinnen und Chileninnen versuchen auch die Spanierinnen mit Sinn Brauchtum ihr Glück im neuen Jahr auf kuriose Weise zu beschwören: Sie tragen am Silvester- und Neujahrstag rote Dessous. Der 31. Dezember ist in Russland der wichtigste Festtag, an dem in vielen Familien Weihnachten und Silvester zugleich gefeiert wird. Die Argentinier verfolgen eine besondere Tradition. Sie schreddern am letzten Tag im Jahr alle alten Unterlagen und Papiere und kippen diese gegen Mittag aus den Fenstern. Den ganzen Tag rieseln Papierschnitzelchen wie Schneeflocken aus den Fenstern der Hochhäuser.
In China, Korea und Vietnam begrüßt man das neue Jahr erst im Februar, nämlich am Tag des ersten Vollmonds nach dem 21. Januar. Nach alter Tradition muss in China vor Beginn des Neujahrsfestes das Haus mit Bambuszweigen, die die bösen Geister vertreiben, gründlich geputzt werden. Gleichzeitig wird von der Bettwäsche bis zur Kleidung alles erneuert und das Haus mit roten Papierstreifen und goldenen Glückszeichen dekoriert. In verschiedenen Regionen werfen Unverheiratete auch Mandarinen ins Meer, um gute Ehepartner zu finden.
Das japanische Neujahrsfest dauert bis zum 7. Januar. Die ersten drei Neujahrstage sind Ruhetage, die mit der Familie und den Verwandten verbracht werden. Ähnlich wie in China wird bis kurz vor Silvester die Wohnung oder das Haus aufgeräumt und geputzt. (Rolf-Dieter Rötzel)
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Das Bleigießen zu Silvester hat sich als Brauch noch halten können. Foto: Alexandra Bucurescu/Pixelio



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