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Nachricht vom 12.03.2013    

Raiffeisen-Gedenkveranstaltung in Hamm zum 125. Todestag

Am 11. März jährte sich zum 125. Mal der Todestag des in Hamm an der Sieg geborenen Friedrich Wilhelm Raiffeisen. In einer von der Ortsgemeinde Hamm und den Heimatfreunden im Hammer Land am Montagabend initiierten Gedenkfeier standen Ausführungen von Pfarrer Prof. Dr. Dr. Michael Klein zur Person und zum Werk des Begründers des ländlichen Genossenschaftswesens in einem besonderen Fokus im vollbesetzen KulturHaus. Abgerundet wurde der Gedächtnistag mit einer Ausstellung, in der Original-Exponate Raiffeisens und Dokumente aus dessen Zeit zu sehen waren.

Gedenkfeier anlässlich des 125. Todestages von Friedrich Wilhelm Raiffeisen im KulturHausHamm. Von links: Werner Böhnke (Vorsitzender der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft), Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen, Pfarrer Professor Dr. Dr. Michael Klein und Klaus Thiesbonenkamp (Vorsitzender der Hammer Heimatfreunde). In der Glasvitrine waren die Hochzeits-Bibel, die Totenmaske, der rote Adlerorden und weitere persönliche Utensilien Raiffeisen zu sehen. Fotos: Rolf-Dieter Rötzel

Hamm. In seiner Begrüßung ging Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen auf den größten Hammer Sohn ein. Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte im Westerwald große Not, von der vor allem Bauern und Handwerker betroffen waren. Durch sein solidarisches Handeln habe Raiffeisen den Armen Hilfe zum Überleben zu kommen lassen. Die unter seinem Leitgedanken „Selbsthilfe–Selbstverantwortung–Selbstverwaltung“ geborene und verwirklichte Idee der genossenschaftlichen Selbsthilfe umspanne den gesamten Erdball. „Seine Grundideen sind heute aktueller denn je“, so Niederhausen.

Werner Böhnke (Vorsitzender der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft) bekundete in seinem Grußwort, dass Raiffeisens Ideen die gesamte Welt eroberten. Im asiatischen Raum seien sie zur Zeit aktueller denn je. Auch in Deutschland könnte sicherlich noch manches getan werden, „besser gesagt, müsste getan werden.“

Pfarrer Prof. Dr. Dr. Michael Klein, ein überregional bekannter und anerkannter Raiffeisenkenner, betonte in seinen Ausführungen, Raiffeisen "sei es nicht in die Wiege gelegt worden", später einmal Genossenschaften und Banken zu gründen. Wohl sei er aber mit einem hohen Pflichtbegriff erzogen worden. In dieser Einstellung habe er jeweils das getan, was von ihm für nötig erachtet wurde. Amtspflichten als Bürgermeister setzte er gleich mit Christenpflichten.

In Weyerbusch brachte der junge 27-jährige Bürgermeister zunächst den Schul- und den Straßenbau voran, um die Bildungssituation und die Infrastruktur zu verbessern. Als die Hungersnot sich mehr und mehr ausdehnte, gründete er, um auf diese aktuelle Notsituation zu reagieren, den "Brodverein".
In Flammersfeld habe er sich dem strukturellen Problem der Wucherer (heute: Kredithaie) zugewandt und den "Hülfsverein" ins Leben gerufen. In Heddesdorf schließlich hätten neben der Kreditfrage auch die Verwahrlosung der Jugend, die Strafentlassenenfürsorge und wiederum die Bildungssituation eine Rolle gespielt, merkte Klein weiter an.
Raiffeisen gab Investitions- und keine Konsumkredite. All diesen Notlagen sollte der "Wohlthätigkeitsverein" abhelfen. Auf Dauer bewährte sich dann aber nur die Kreditvergabe. Um die Darlehnskassen herum seien Bezugs- und Absatzgenossenschaften installiert worden. Die von Raiffeisen beabsichtigte Hinzunahme von Versicherungen – darunter auch eine Krankenversicherung - hätte die Regierung jedoch nicht genehmigt.

In seinen weiteren Ausführungen fragte Klein: „Würde Raiffeisen heute wieder Genossenschaften gründen?“. Diesbezüglich sprach er die Entstehung der sogenannten Sozialgenossenschaften, die letztlich als Selbsthilfevereine funktionieren, an. Mit dem Hinweis auf das Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Altenzentrum in Hamm äußerte Klein die Vermutung, dass Raiffeisen heute neben Bildungsinitiativen eventuell Seniorengenossenschaften schaffen würde.

Der Referent ging weiter auf aktuelle bestehende Beispiele in Süddeutschland ein. Hier hätten sich Senioren zusammengeschlossen, um sich gegenseitig zu helfen. Die jeweiligen Einsätze für andere würden dort auf einem Zeit- oder Geldkonto verbucht und könnten bei der Inanspruchnahme eigener Hilfestellungen dann wieder abgerufen werden.

Der Pfarrer schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung, die vielfältige Genossenschaftsidee schaffe immer wieder neue Formen von Genossenschaften, die Idee an sich aber bleibe zeitlos aktuell: "Einer für alle - alle für einen".

Klaus Thiesbonenkamp, Vorsitzender der Heimatfreunde im Hammer Land, leitete abschließend zu einer Ausstellung mit Raiffeisen- und Genossenschaftsexponaten über. Er zitierte aus dem „Landwirtschaftlichen Genossenschaftsblatt vom 1. April 1888“, das über Vaters Raiffeisens letzten Gang ausführlich berichtete.

Die musikalische Umrahmung gestalteten Lea Lohmeyer und Adam Lenart in hervorragender Weise vierhändig am Klavier. (Rolf-Dieter Rötzel)

Raiffeisen trifft Musik
Anlässlich des 125. Todestages von Raiffeisen findet am Samstag, 4. Mai, 18.30 Uhr, in der Raiffeisenhalle Hamm unter dem Motto „Raiffeisen trifft Musik“ eine weitere Veranstaltung zum Gedenken an den Begründer des ländlichen Genossenschaftswesens mit Darbietungen der Big-Band der IGS Hamm, den Raiffeisenmusikanten und der Theatergruppe „Lampenfieber“ mit Szenen aus „Raiffeisens Leben“ statt.

Festakt im Schloss Montabaur
Am Dienstag, 7. Mai, findet im Schloss Montabaur ein Festakt zum Gedenken an Friedrich Wilhelm Raiffeisen in Anwesenheit des Bundestagspräsidenten Norbert Lammerz statt.

Landwirtschaftliches Genossenschaftsblatt, 1. April 1888, Originaltext
Vater Raiffeisens letzter Gang
Am 11. März, Mittags 12 1/4 Uhr, war unser Vater Raiffeisen verschieden, umgeben von seiner trauernden Familie und von seinen langjährigen, treuesten Mitarbeitern. Sein Körper wurde zuerst in dem Zimmer aufgebettet, in welchem er bei Lebzeiten so viele Pläne durchdacht, so viele gewichtige Entschlüsse gefasst hat.
Am folgenden Tage war Se. Durchlaucht der Fürst zu Wied der Erste welcher dem theuren Verblichenen den letzten Besuch abstattete. Tieferschüttert beklagte er in Herrn Raiffeisen einen langjährigen und treuen Freund und bedauerte unendlich, dem Leichenbegängnisse nicht persönlich beiwohnen zu können, da die Pflicht hochdendselben an das Sterbebett unseres hochseligen allgeliebten Kaisers rief.
Dinstag den 13., Abends wurde die Leiche in dem zu diesem Zwecke schwarz drapierten und mit Blumen geschmückten Sitzungssaale der Anwaltschaft aufgebahrt, nachdem vorher für die Abnahme der Todesmaske Sorge getragen worden war. Der Sarg war bedeckt mit Blumen und Kränzen, welche langjährige Freunde und Vereine gespendet hatten. Vier von Sr Durchlaucht dem Fürsten zu dem Ende gnädigst übersandte Kandelaber mit zahllosen Lichtern schmückten die Ecken des Katafalks, zu dessen Häupten auf einem Altare das Bild des Gekreuzigten, welche bei Lebzeiten dem Verblichenen stets vorgeschwebt hatte, stand. Der Eindruck des Ganzen war traurig und erhebend zugleich: traurig, weil er daran erinnerte, dass nun bald für immer sich das Grab über den theuren Todten schließen würde, und doch wieder erhebend durch den Ausdruck himmlischer Ruhe und tiefen Friedens, den das von Blumen umkränzte Antlitz des Dahingeschiedenen zeigte.
Den ganzen Vormittag des Mittwochs und noch bis kurz vor der zur Feierlichkeit festgesetzten Stunde wurde der Jedermann zugängliche Trauersaal nicht leer von Vereinsgenossen und anderen Personen, welche Vater Raiffeisen noch ihr letztes Lebewohl sagen wollten.



Mittlerweile war die Zeit des Begräbnisses herangerückt. Der Trauerzug bewegte sich vom Sterbehause aus nach dem Kirchhofe von Heddesdorf, wo die Reste des großen Volksfreundes ihre letzte Ruhestätte in dem Familienbegräbnisse finden sollten. Den Zug eröffnete der Krankenverein welchem Herr Raiffeisen als Ehrenmitglied angehört hatte. Vor dem Trauerwagen, welcher den mit Blumen bedeckten Sarg trug, wurden die in großer Zahl gewidmeten Kränze, Palmen und Kreuze getragen; ihm folgten der Geistliche und die nächsten Angehörigen, hinter welchen der stellvertretende Anwalt, Herr Theodor Kremer, und der Rendant der Centralkasse, Herr Brendow, mit den übrigen Beamten der Centralkasse und der Anwaltschaft gingen. Es folgten der Vertreter Seiner Durchlaucht des Fürsten, Herr Freiherr von der Reck, zwischen dem Präsidenten des Aufsichtsrathes, Herrn Dr. Kirchartz, und dem Stellvertreter desselben, Herrn Gutsbesitzer Kaulen aus Lövemch, nebst anderen Mitgliedern des Anwaltschaftrathes.

Viele Vereine hatten ihre Vertreter gesandt, andere ihr Nichterscheinen in herzlichen an die Familie und an die Anwaltschaft gerichteten Schreiben entschuldigt; außerdem ist die Zahl der aus allen Gegenden Deutschlands und des Auslandes eingelaufenen und noch fortwährend einlaufenden Beileidsbezeugungen eine ungeheuere. Einer großen Anzahl anderer Freunde des Dahingeschiedenen folgte ein Wagen Sr. Durchlaucht, und beschlossen den Zug eine Reihe anderer Wagen.
Auf dem Gottesacker angelangt, wurde der Sarg der Gruft übergeben worauf der Geistliche, Herr Pfarrer Krafft, in ergreifender Rede über Psalm 90, 10 der hohen Verdienste Raiffeisens als Beamten und Volksmannes gedachte.
Die Gruft war mit Kränzen und Girlanden bedeckt. Wir sahen die Kränze Sr. Durchlaucht des Fürsten zu Wied und diejenigen vieler Vereine, wie Heerdt, Lövenich, Poll, Worringen, Heddesdorf usw. Der durch den Verband Schwaben und Neuburg gesandte enthielt die Widmung: „Aus Dankbarkeit gewidmet von dem Verbande der Darlehnskassenvereine von Schwaben und Neuburg" und war begleitet von einem Kranze des Verbandsdirektors mit der Widmung „Aus größter Hochachtung und aus tiefster Verehrung gewidmet von Dr. Joh. Droßbach“.

Groß war die Anzahl Derer, die Vater Raiffeisen auf seinen letzten Gange begleiteten, aber noch unendlich größer ist die Zahl Derjenigen, die seinen Tod mit uns bedauern, überall da, wo man Verständnis hat für wahre Menschenliebe. Sind doch zahllos die Nachrufe, welche ihm in der Presse aller Länder gewidmet werden.
Nun weilt sein müder Leib in der kühlen Erde, um auszuruhen in seiner letzten Wohnung von den Mühen und Arbeiten dieses Lebens. Er ruhe in Frieden! Wird doch sein Andenken und sein Geist ewig unter uns fortleben.



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