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Nachricht vom 15.07.2013    

Wahlkampf – das sagt Jochen Bülow (Die Linke)

Die bevorstehenden Bundestagswahlen gaben Anlass dazu unter den Kandidatinnen und Kandidaten des Wahlkreises Altenkirchen/Neuwied eine Umfrage zu politischen Themen und persönlichen Stärken und Schwächen durchzuführen. Hier folgen nun die Ausführungen von Jochen Bülow (Die Linke).

Was sind Ihre Stärken? Was sind Ihre Schwächen?
Wenn Sie darauf eine einigermaßen zutreffende Antwort haben möchten, müssten Sie wahrscheinlich Menschen fragen, die mich kennen – mit der Selbstbeurteilung ist es ja immer so eine Sache... Ich glaube, dass ich ganz gut organisieren kann, mich an einer Sache festbeißen kann, die mir am Herzen liegt und Menschen dafür begeistern kann, sich für ihre Angelegenheiten einzusetzen. Wenn das meine Schokoladenseite ist, dann ist die Schattenseite sicher, dass ich dafür viel Unterstützung brauche und diese auch einfordere. Das ist für den Familien- und Freundeskreis nicht immer leicht nachzuvollziehen.

Wie würden Sie sich in drei Sätzen beschreiben?
Ich lebe gerne und möchte, dass möglichst viele Menschen das auch sagen können. Gerechtigkeit ist mir ein hohes Gut und ich kann mit Ungerechtigkeiten sehr schlecht leben. Ich bin neugierig, bemühe mich, Fehler abzustellen und möchte die Dinge in diesem Sinne gestalten.

Im Landesentwicklungsprogramm IV ist unter anderem festgelegt, dass der einzuhaltende Schutzraum hin zu einer Windkraftanlage für Menschen sehr viel geringer sein muss als beispielsweise für den Schwarzstorch. Wie stehen Sie dazu?
Es ist absurd, wenn Menschenschutz nach Umweltschutz kommen soll. Das ist nicht hinnehmbar und beschädigt die Akzeptanz erneuerbarer Energiequellen. Das St. Floriansprinzip geht aber auch nicht: Erneuerbare ja – aber bitte nicht bei mir... Deswegen müssen nachvollziehbare, transparente Kriterien statt des absehbaren Wildwuchses dafür sorgen, dass die Energiewende umweltfreundlich und sozial verantwortbar gestaltet wird.

Das Thema Energiewende ist in aller Munde. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass Deutschland sich einst für den Atomausstieg entschieden hat. Was war für diese Entscheidung ausschlaggebend und wie würden Sie diese aus heutiger Sicht beurteilen?
Ich bin schon als Schüler in der Anti-AKW-Bewegung politisch sozialisiert worden. Atomkraft war und ist unverantwortbar. Schlimm genug, dass wir für die Sünden früherer Generationen Lösungen suchen müssen – Stichwort Atommüll. Weder umweltpolitisch noch wirtschaftspolitisch gibt es zum Atomausstieg eine Alternative: Wir sollten die Chancen nutzen, die unser technologischer Vorsprung bietet: Umweltfreundliche Energie, made in Germany.

Im Rahmen der Kampagne Anschluss Zukunft verfolgen viele Politiker eine bessere infrastrukturelle Anbindung der Region. Auch der Ausbau der Siegstrecke und der diverser Bundesstraßen fallen unter dieses Thema. Wird die hiesige Region überhaupt irgendwann mit anderen Gebieten im Hinblick auf ihre Infrastruktur mithalten können und was ist Ihrer Ansicht nach in diesem Zusammenhang der dringlichste Faktor, um die Region infrastrukturell attraktiver zu gestalten?
Als Linke machen wir seit geraumer Zeit Vorschläge, wie ein integrierter Verkehr aussehen könnte. Dazu gehört der kostengünstige öffentliche Nahverkehr, der in unserer Region seit langem sträflich vernachlässigt wird. Gerade haben CDU, SPD, FDP und freie Wähler im Kreistag unseren Antrag abgelehnt, Schulbusse für weiterführende Schulen kostenlos zu machen. Wir fordern seit langem, bestehende, aber stillgelegte Bahnstrecken wiederzubeleben und bestehende Lücken zu schließen. Das wird aber nur teilweise helfen, in unserer Pendlerregion für akzeptable Mobilität, beispielsweise zum Arbeitsplatz oder zu Ausbildungsstätten zu sorgen. Deswegen müssen die bestehenden Straßen besser unterhalten und die Pendlerpauschale wieder in der ursprünglichen Form hergestellt werden. Straßenneubauten lehnen wir, bis auf sehr wenige Ausnahmen, ab.

Demografischer Wandel – ein Thema, das kein Ende zu nehmen scheint. Welches sind ihrer Ansicht nach die drei wichtigsten Maßnahmen, um diesem Phänomen entgegenzuwirken und Fachkräfte und Standortattraktivität sichern zu können?
Der demografische Wandel dient in der Debatte um die Gesundheitsfürsorge und die Renten vor allem als Kürzungsargument. Dabei steigt die Produktivität jedes Jahr an – die Frage ist nur, wie dieser Kuchen verteilt wird. Solange Kapitaleigner, Gutverdiener, Selbständige und Freiberufler von der Finanzierung dieser gesellschaftlichen Aufgaben ausgenommen bleiben, wird diese Debatte weiterlaufen. Hinsichtlich des Fachkräftemangels hilft nur Ausbildung – Die Linke fordert deswegen seit langem eine Ausbildungsumlage für die Betriebe, die eben nicht ausbilden. Mit diesem Geld ließe sich eine überbetriebliche Ausbildung finanzieren. Denn so dringend, wie Industrie und Gewerbe Fachkräfte brauchen, so dringend brauchen junge Menschen eine gute Ausbildung, um eine gute berufliche Perspektive zu bekommen. Da schließt sich der Kreis zum demografischen Wandel: Wer will schon Kinder bekommen, wenn die eigene Zukunft unsicher ist? Freiwillige Vereinbarungen haben nur bedingt Erfolg gebracht, deswegen muss mehr dafür getan werden, dass nicht einerseits viele junge Leute ohne Ausbildung bleiben, andererseits immer wieder Anwerbekampagnen im Ausland den Mangel an Fachkräften ausgleichen sollen.



Die flächendeckende medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten gestaltet sich zunehmend schwerer. Sehen Sie eine Notwendigkeit darin, sich künftig für die Erhaltung einzusetzen und wenn ja, wie gedenken Sie die Sache anzugehen?
Es ist für das Leben auf dem Land unumgänglich, die Infrastruktur zu stärken. Das betrifft die medizinische Versorgung genauso wie das Internet, die Schulen genauso wie Einkaufsmöglichkeiten und Kulturangebote. Bei der medizinischen Versorgung gibt es gute Ideen, Ärzte durch Vergünstigungen im Studium, der Studiumsfinanzierung und der Praxisgründung zu unterstützen. Für niedergelassene Ärzte muss das endlich umgesetzt werden. Regionale Gesundheitszentren sind eine sinnvolle Ergänzung für die fachärztliche Versorgung. Auch hierfür gibt es gute Ideen und praktische Umsetzungen, die leider häufig an wirtschaftlichen Interessen scheitern. Ich würde mir wünschen, dass die Politik sich endlich dazu entschließt, Einzel- und Verbandsinteressen in die Schranken zu weisen und gemeinwohlorientierter zu entscheiden.

Angenommen es wäre – ganz gleich wie hoch der Betrag – das Geld da, ein einziges bestimmtes Projekt im Kreis AK/WW/NR zu fördern. Worin würden Sie investieren und warum?
Ich möchte kein einzelnes Projekt fördern, sondern bürgerlichen Sachverstand und bürgerliches Engagement stärken, um vor Ort sinnvolle Projekte zu entwickeln und die lokalen Probleme und Wünsche anzugehen. Dafür braucht es dringend eine Entschuldung der Städte und Kommunen, die derzeit mangels Geld fast nichts mehr auf den Weg bringen können. Die lokale Mitbestimmung wird so über den Geldhahn abgestellt. Schuldenabbau alleine aber genügt nicht – die Kommunen müssen auch eine verlässliche, konjunkturunabhängige Finanzierung für die Zukunft bekommen. Wir haben dafür eine Gemeindewirtschaftssteuer vorgeschlagen, die die Lasten angemessen verteilt und für mehr Gerechtigkeit unter den Kommunen und größere Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger und Bürgerinnen sorgt.

Bildung ist ebenfalls ein wichtiges Thema: wie stehen Sie zu der angedachten Abschaffung des Sitzenbleibens und dem bereits durchgesetzten "Abitur für jedermann" beispielsweise an integrierten Gesamtschulen? Es ist Fakt, dass junge, gebildete Leute seit nunmehr fünf Jahren auf einen Medizin- oder Psychologiestudienplatz warten und sich ihre Wartezeit zunehmend verlängert, da immer mehr junge Menschen unter vereinfachten Bedingungen mit Topnoten ihr Abitur bestehen, während das vor einigen Jahren noch ein harter Kampf war. Wie rechtfertigen Sie das? Wirft hier nicht gerade die angestrebte Gleichstellung Ungerechtigkeiten auf?
Bildung ist nicht mein Spezialthema - aber die Probleme sind auch für Laien offensichtlich. Wenn Bildungsabschlüsse aus den USA leichter anerkannt werden, als solche aus anderen Bundesländern, ist ja irgendetwas massiv schief gegangen. Als Linke fordern wir schon lange "Eine Schule für Alle" – j und fühlen uns dabei von vielen Experten und den Pisa-Ergebnissen unterstützt. Ziel ist dabei nicht, dass am Ende alle die gleichen Noten haben – sondern, dass alle nach ihren Möglichkeiten gefördert werden und den individuell bestmöglichen Abschluss erreichen. Denn wir brauchen am Ende Gehirnarbeiter genauso wie Handwerker und Technikerinnen. Unser Schulsystem stammt aus dem vorvergangenen Jahrhundert und ist in vielerlei Hinsicht nicht mehr zeitgemäß. Ich würde mir deshalb wünschen, dass wir eine Debatte darüber führen, was Schule wie erreichen soll, wie diese Aufgabe finanziert wird und wie wir jungen Menschen – neben einer fundierten und praxisorientierten berufsvorbereitenden Bildung – auch ein Grund- und Allgemeinwissen vermitteln, das für politische und kulturelle Teilhabe unverzichtbar ist. Wir brauchen nicht nur funktionierende Arbeitnehmer und Arbeitsnehmerinnen, sondern Menschen, die aktiv mitarbeiten und die selber unabhängig und kritisch denken können. Das ist der Keim für Fortschritt und auch der Keim für Demokratie.

Warum sollten die Bürger gerade Sie wählen?
Ich versuche, Politik für die Mehrheit zu machen. Spezialinteressen sind bestens organisiert, die große Mehrheit der Menschen in unserem Lande muss aber immer wieder feststellen, dass ihre Interessen regelmäßig hinten angestellt werden. Dass Normalverdiener – und vor allem Frauen – absehbar in die Altersarmut geschickt werden, ist weithin bekannt – aber wirksame Gegenmaßnahmen sind kaum erkennbar. Dass man vor Arbeit leben können muss, ist mittlerweile ein Gemeinplatz – trotzdem reichen viele Löhne nicht zum Leben. Bildungschancen sind noch immer – und zunehmend – eine Frage des Geldbeutels der Eltern. Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Ich möchte daran etwas ändern und möglichst viele Menschen ermutigen, sich ebenfalls dafür einzusetzen, dass sich etwas ändert. Demokratie ist kein Zustand, sondern ein fortwährender Prozess. Ich werbe um das Vertrauen der Menschen, um daran in diesem Sinne mitzuwirken.



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