Neujahrsempfang beleuchtete "Gemeinwohl-Ökonomie"
Zum diesjährigen Neujahrsempfang der Verbandsgemeinde Hamm/Sieg war am Freitagabend ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus eingeladen. Als besonderer Gastredner konnte dabei der Österreicher Christian Felber begrüßt werden, der zum Thema „Gemeinwohl-Ökonomie – Kooperation statt Konkurrenz“ referierte.
Hamm/Sieg. Im Anschluss an den traditionellen Gottesdienst in der katholischen Kirche fanden sich am Freitagabend zahlreiche Gäste zum 17. gemeinsamen Neujahrsempfang der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde sowie der Kommune Hamm/Sieg im Dietrich-Bonhoeffer-Haus ein.
Dort hieß Pfarrer Dr. Dr. Michael Klein die Anwesenden herzlich willkommen und versprach einen Vortrag, dem es sicherlich spannend werde beizuwohnen.
„Auch von mir nochmal alles Gute für das neue Jahr“, so Bürgermeister Rainer Buttstedt und erklärte, dass man auch in diesem Jahr für den Gastvortrag ein spannendes und aktuelles Thema ausgewählt habe, habe man dafür mit dem Universitätslektor und freiem Publizisten Christian Felber doch einen Mann gewonnen, der „Wirtschaft für alle verstehbar macht“, so Buttstedt.
Der 1972 in Salzburg geborene Christian Felber bekundete zu Beginn seines Vortrags, dass es ihm eine besondere Freude sei, die Geburtsstätte Friedrich Wilhelm Raiffeisens zu besuchen, habe die vorzustellende „Gemeinwohl-Ökonomie“ doch viel mit diesem gemeinsam. Die Genossenschaftsbanken seien heute teilweise weit von den einstigen Idealen entfernt, auch wenn Ideen und Werte nach wie vor stark verwurzelt seien. „Vieles hat sich geändert“, so Felber und erklärte, dass rund 88 Prozent der Deutschen (und 90 Prozent der Österreicher) mit der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung unzufrieden seien.
„Der Kernpunkt der Krise ist eine seelische Hungersnot“, so Felber weiter. Für viele Menschen sei der Sinn ihres Schaffens nicht mehr ersichtlich. Es herrsche ein Demokratiehunger, ein „Hunger nach echter Mitbestimmung“, so Felber. Dieser Hunger wachse täglich, treffe die Regierung doch oftmals Entscheidungen gegen den Willen der Mehrheit in der Bevölkerung.
Viele Menschen wünschen sich die soziale Marktwirtschaft zurück, einige wünschen sich eine ökosoziale Marktwirtschaft, ein nachhaltige Marktwirtschaft oder eine solidarische. Doch Felber gab zu bedenken: „Der Eiserne Vorhang zwischen Demokratie und Wirtschaft hängt noch.“ Es müsse erst noch messbar werden, wie human die Wirtschaft ist.
„Es kann von allem ein bisschen mehr sein“, so Felber und erläuterte, dass genau da die Gemeinwohl-Ökonomie ins Spiel komme. Der Impuls dazu sei von zwölf österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern gegeben worden, die sich unwohl mit der gegenwärtigen Marktwirtschaftsregelung fühlen und menschlicher, ethischer und verantwortungsvoller arbeiten wollen. Ihr Ziel sei es, dass die Werte der Wirtschaft nicht länger im Widerspruch zu den Werten der Gesellschaft stehen. Bereits in 30 Ländern habe die Gemeinwohl-Ökonomie Fuß gefasst. Ein Studiengang im Bereich Master of Business Administration mit Schwerpunkt Gemeinwohl-Ökonomie sei ebenfalls im Kommen. „Das sind erste Funken, fast schon kleine Flammen der Hoffnung“, so Christian Felber.
Um die Bedeutung der Gemeinwohl-Ökonomie zu begreifen, müsse man sich einmal vor Augen führen, was das eigentliche Ziel des Wirtschaftens sei. Dieses bestehe nämlich nicht in Geld und Gewinn. „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“, so Felber. Das Kapital sei lediglich Mittel zum Zweck. Das lasse sich auch beispielsweise in der Bayrischen Verfassung nachlesen. Auch Friedrich Wilhelm Raiffeisen bekundete einst: „Geld ist indes nicht Zweck, sondern Mittel zum Zweck.“ Wichtig sei es beim Handeln auch darauf zu achten, was in der Verfassung geschrieben steht. Die Mehrheit wünsche sich eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus und dass menschliches Verhalten belohnt werde.
In diesem Zusammenhang stellte Felber den Anwesenden die Aufgabe, Erfahrungswerte zu benennen, die zwischenmenschliche Beziehung aufleben lassen. Als Antwort wurden beispielsweise Vertrauen, Anerkennung, Mitgefühl, Fairness und Offenheit genannt. Daran anschließend erfragte Felber, welche Werte durch Konkurrenz gefördert werden. Die Anwesenden benannten unter anderem Rücksichtslosigkeit, Gewinnstreben, Ausbeutung, Mobbing und Intransparenz. „Es gibt kein größeres Armutszeugnis der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung“, so Felbers Schluss aus den komplementären Wertsphären. Hier sei eine bessere Übereinstimmung erforderlich. Kooperation und Gemeinwohlstreben müssen an die Stelle von Konkurrenz und Gewinnstreben treten. Außerdem müsse der wirtschaftliche Erfolg neu berechnet werden, nämlich nicht anhand von Geld, sprich Finanzgewinn und Bruttoinlandsprodukt, sondern durch Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz und eines Gemeinwohlprodukts bzw. eines Bruttonationalglücks. Denn das Bruttoinlandsprodukt könne auch in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und des Krieges ansteigen. „Es wurde nie erstellt, um das Ziel des Wirtschaftens zu messen“, erklärte Felber.
Die Wirtschaft als globalisierter Kapitalismus vernachlässige Werte. Eine Idee der Gemeinwohl-Ökonomie sei es daher, auf jedem Produkt die Farbe desselben im Gemeinwohlranking aufzubringen, um dem Produkt ein entsprechendes ethisches Profil zu geben, das im Detail über einen QR-Code abgerufen werden kann. Denn die Voraussetzung für rationale Entscheidungen seien vollständige Informationen. Aktuell falle es unethischen Unternehmen aufgrund niedriger Produktpreise einfacher zum Erfolg zu kommen. Durch unter anderem Mehrwertsteuer-Vorteile, niedrigere Zölle und günstigere Kredite müsse man jedoch den ethischen Unternehmen entgegenkommen, um diese zu fördern. Denn Chancengleichheit sei maßgeblich für erfolgreiches Wirtschaften.
Im Anschluss war den Anwesenden die Möglichkeit geboten, ihre Fragen zum Vortrag zu stellen, auf die Referent Christian Felber umgehend einging.
Musikalisch umrahmt wurde das Programm von Lea Lohmeyer am Klavier und Wolfgang Mader mit der Querflöte.
Im Anschluss an den offiziellen Teil waren die Gäste dazu eingeladen, sich bei herzhaften Snacks und kühlen Getränken auszutauschen und noch einige Zeit im Dietrich-Bonhoeffer-Haus zu verweilen. (bk)
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