Werbung

Nachricht vom 15.11.2014    

ADHS – Medizin, Psychologie und Pädagogik sind gefordert

Ein Fachvortrag von Professor Fritz Haverkamp lockte 160 Zuhörer zur Veranstaltung „Psychische Auffälligkeiten des Kindesalters: Normalität oder Krankheit?“ der Lokalen Netzwerke Kinderschutz in die Kreisverwaltung Altenkirchen.

„Wir müssen ADHS als Symptomkomplex mit unterschiedlichen Hintergründen verstehen“,
fasste Fritz Haverkamp den Forschungsstand zu psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen zusammen. Foto: Thorsten Ladda

Altenkirchen. Schon die enorme Teilnehmerzahl zeigte die hohe Aktualität des Themas. Unter der Überschrift „Neue Morbidität: Kontroversen und Zukunftsperspektiven“ gab Fritz Haverkamp, Facharzt für Kinder und Jugendmedizin und Professor an der Evangelischen Fachhochschule Bochum, vor 160 Zuhörern einen Überblick über den Forschungsstand zu psychischen Auffälligkeiten wie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen.

Zuvor hatten die Netzwerkkoordinatoren Melanie Sühnhold und Mark Schneider sowie der Kreisbeigeordnete Klaus Schneider, zuständig für den Geschäftsbereich Jugend und Familie, die Teilnehmer aus den Bereichen Jugendhilfe, Kitas, Schulen, Gesundheitshilfe, Polizei, Amtsgerichte und Beratungsstellen begrüßt.

Wie kommt es zur vermehrten Diagnose psychischer Störungen und zum rasanten Anstieg bei der Verschreibung von Medikamenten wie Ritalin? Liegt hier tatsächlich eine Zunahme von Krankheitsfällen vor oder wird versucht, ein vielschichtiges, gesellschaftliches Phänomen mit den Mitteln der Medizin zu kurieren? Schon bei der Diagnose zeigen sich laut Haverkamp die ersten Schwierigkeiten, zum Beispiel bei der Abgrenzung zwischen normal und krank. „Eigentlich ist es ganz normal, dass ein Kind Stärken und Schwächen hat. Deshalb gehören Anstrengungen und Frustrationen zur Entwicklung dazu. Letztlich sind es auch die Erwartungen an unsere Kinder, die sich verändert haben", erklärte der Wissenschaftler.

Die Medizin müsse sich an dieser Stelle die Frage stellen, ob sie eine Erkrankung behandele oder eine eigentlich normale Leistungsschwäche therapiere, also letztlich „Doping“ betreibe. Dabei seien die biologischen Faktoren, die bei den Auffälligkeiten eine Rolle spielten, nur ein Teil des Gesamtzusammenhangs. Es spreche vieles dafür, dass auch die individuellen Lebensumstände, der Beziehungs- und Erziehungsstil der Eltern aber auch Faktoren wie Wohnqualität und Medienkonsum Auswirkungen auf die Krankheitshäufigkeit haben, führte Haverkamp weiter aus.




Stellenanzeige

img

Fachkraft (m/w/d)

Lebenshilfe im Landkreis Altenkirchen GmbH
57632 Flammersfeld


Wie groß der Einfluss des sozialen Status darauf tatsächlich ist, belegt eine Studie aus den USA. Demnach entwickelt praktisch jeder dritte Junge, der bei einem alleinerziehenden Elternteil in Armut aufwächst, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Der Bildungsstand des Elternteils spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Das alles macht das Phänomen ADHS hochkomplex. Zu komplex für eine klare Antwort auf die Eingangsfrage nach Normalität oder Krankheit. Das zeigte sich auch in der anschließenden Diskussion. Hier wurde von den Teilnehmern besonders das familiäre Umfeld der betroffenen Kinder und der von Eltern zum Teil nach wie vor unterschätzte Einfluss des Medienkonsums herausgestellt. „Warum kann man nicht eine klare Empfehlung zum Medienkonsum bei allen Kinderärzten aushängen?“, gab eine Zuhörerin einen leicht umzusetzenden Hinweis. Eine gute Idee, fand Haverkamp.

Für den Bochumer Professor liegen Verbesserungschancen insbesondere in einer umfassenden Diagnostik, in einer neuen internationalen Klassifikation, in modernen Präventionsmaßnahmen und in der Kooperation von Medizin, Psychologie und Pädagogik.

Letzteres unterstrichen auch die Netzwerkkoordinatoren Melanie Sühnhold und Mark Schneider in ihrem Fazit zur Veranstaltung: „Auf die gesellschaftlichen Herausforderungen kann nicht eine Disziplin alleine antworten, es muss interdisziplinär – also medizinisch, pädagogisch und therapeutisch – gearbeitet werden. Dabei ist nicht jede vermeintliche Auffälligkeit behandlungsbedürftig oder „unnormal“, so Sühnhold und Schneider.


Lokales: Altenkirchen & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion

AK-Kurier Newsletter: Immer bestens informiert

Täglich um 20 Uhr kostenlos die aktuellsten Nachrichten, Veranstaltungen und Stellenangebote der Region bequem ins Postfach.



Aktuelle Artikel aus Region


Spendenaktion für schwerkranke Mutter aus Daaden gestartet

Eine Mutter aus Daaden kämpft gegen eine lebensbedrohliche Krankheit. Ihre Familie sieht in einer Operation ...

Siegen am 8. Januar: Kostenloser Vortrag für effektive Arztkommunikation

Der Besuch beim Arzt kann nervenaufreibend sein, insbesondere wenn es um wichtige Gesundheitsfragen geht. ...

Ministerpräsident Schweitzer träumt von Landtagssitzung in Dialekt

Eine Plenardebatte im rheinland-pfälzischen Landtag, die ausschließlich in Dialekten stattfindet - das ...

Ein Lächeln zum Fest: Die Weihnachtsfeier, die Bedürftige in Siegen verbindet

Am 24. Dezember fand in der Weidenauer Bismarckhalle eine besondere Weihnachtsfeier statt, organisiert ...

Strukturwandel in Rheinland-Pfalz: Kliniklandschaft vor großen Veränderungen

Im Jahr 2026 stehen in der Gesundheitspolitik von Rheinland-Pfalz bedeutende Veränderungen an. Die geplante ...

Neuzugang mit Geschichte: Schwarzhalsziege „Madonna“ zieht in den Tierpark Niederfischbach ein

Eine prominente Ziegendame hat ein neues Zuhause gefunden: Die Walliser Schwarzhalsziege „Madonna“ lebt ...

Weitere Artikel


"Grünes Klassenzimmer" soll entstehen

Die Sankt-Martin-Grundschule in Elkenroth möchte ein "Grünes Klassenzimmer" einrichten. Sie hat an ...

Erste Neuwieder Bildungsmesse ein voller Erfolg

Die Agentur für Arbeit Neuwied veranstaltete gemeinsam mit den Jobcentern des Kreises Altenkirchen und ...

Jubiläumskonzert der Bergkapelle Katzwinkel

Zum Abschluss des Jubiläumsjahres, 125 Jahre Bergkapelle "Vereinigung" Katzwinkel gibt es am Samstag, ...

Seltene Fotos und Gemälde zieren Heimatkalender

Viele Motive des neuen Hämmscher Kalenders waren noch nie öffentlich zu sehen. Es sind besondere Motive, ...

Hardys Weihnachtsgeschichten in der Stadthalle

In den vergangenen Jahren hat sich der Kabarettist Hardy Hades mit seinen Weihnachtsgeschichten in der ...

Landkreistag Rheinland Pfalz tagte in Grenzau

Zwei Tage lang, am 13. und 14. November, kam die 69. Versammlung des Landkreistages Rheinland-Pfalz in ...

Werbung