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Nachricht vom 08.12.2015    

Kreishaushalt 2016: Zwischen Resignation und Optimismus

Teils entmutigende Worte wählten die Fraktionsvertreter auf der gestrigen Sitzung des Kreistags. Es ging um die Verabschiedung des Haushalts für das kommende Jahr. Trotz des erneuten Defizits wollten die Kommunalpolitiker nicht nur Negatives sehen – wie am Beispiel der Flüchtlingssituation deutlich wurde.

Resignation angesichts des schrumpfenden Handlungsspielraums dominierte die Diskussion rund um die Verabschiedung des Kreishaushalts 2016. Aber auch positive Beispiele wurden von den Rednern der Fraktionen hervorgehoben. Foto: Daniel Pirker

Kreis Altenkirchen. „Machtlos“, „Abgrund“, „frustrierend“ oder „Mangelverwaltung“ – die meisten Vertreter der Fraktionen schöpften auf der gestrigen Kreistagssitzung in ihren Haushaltsreden aus dem Vollen, als sie die finanzielle Situation des AK-Kreises beschrieben. Sie alle meinten das gleiche: Der Gestaltungsspielraum nimmt ab, das Defizit steigt, das Eigenkapital sinkt. Auch wenn es an manchen Stellen Kritik gab, letztlich wurde der Haushaltsplan für 2016 einstimmig verabschiedet.

Die groben Zahlen sehen für das kommende Jahr wie folgt aus:
Zwar rechnet man mit Einnahmen von 189 Millionen Euro. Dem stehen allerdings Ausgaben von 197 Euro entgegen, was ein Defizit von rund 8 Millionen Euro bedeutet. Auch das Eigenkapital reduziert sich, und zwar von etwa 71 Millionen Euro (Anfang 2015) auf 49 Millionen bis Ende 2017.

Landrat Michael Lieber hob hervor, dass das ernüchternde Zahlenwerk nicht auf Eigenverschulden oder unwirtschaftlichen Handelns des Kreises zurückzuführen sei. Schließlich müssten immer mehr staatliche Aufgaben übernommen werden. Das hätte die Aufsichtsbehörde genauso bestätigt. Lieber machte als Hauptverantwortlichen für die Misere die Landesregierung aus. Seit Jahren statte sie die Kommunen unzureichend mit Geld aus. Die Sparbemühungen des Kreises und die Suche nach wirtschaftlichsten Einzelfalllösungen reichten da nicht.

Landrat wies Verantwortung vom Kreis
Konkret machte der Landrat verschiedene Gründe für den seit Jahren defizitären Haushalt aus: eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen Sozialaufwendungen und Sozialerträgen im Bereich der Sozial- und Jugendpflege oder auch eine überbordende und nicht angemessene gegenfinanzierte Angebotsstruktur im Bereich der Kindertagesstätten.
Der Kreis habe des weiteren nicht zu verantworten, dass die Kosten in Betreuung und Pflege stetig steigen und Standards im Bereich der Kindertagesbetreuung neu geschaffen werden – ja, sich die Gesellschaft im Ganzen ändere.

Verantwortung wies der Landrat auch beim Thema Straßenbau vom Kreis ab: So seien die Finanzmittel hier nach unten gefahren worden, weil entsprechende Investitionen nur durchgeführt werden dürften, wenn sie vom Land gefördert werden.
Auch eine Diskussion über die Angemessenheit der Kreisumlage in Anbetracht des weiterhin strukturellen Defizits laufe ins Leere. Die Umlage wird nun von 44 Prozent auf 44,17 Prozent angehoben. Die Erhöhung wird notwendig, um von Mitteln eines Förderprogramms des Bundes zu profitieren. Dabei handelt es sich um eine sogenannte „Vorab-Milliarde“ für die Jahre zwischen 2015 und 2017. Sie wird im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zur Verfügung gestellt. Die Fördermittel werden über die Umsatzsteuer abgeschöpft. Hier tendieren die Spielräume des Kreises laut Lieber allerdings gegen null – weshalb man den „Umweg“ über die Kreisumlage wählt.
Lieber wollte aber nicht nur die negative Seite des Haushalts beleuchten. So verwies er auf vier Millionen Euro, die in den Schulbau investiert werden oder rund fünf Millionen Euro, die in den nächsten drei Jahren für energetische Maßnahmen aus einem Förderprogramm des Bundes, ergänzt vom Land, fließen.

Auch der Ausbau der Breitbandversorgung wurde von Lieber hervorgehoben. Mit dem sogenannten „Breitbandcluster“ werde man noch in diesem Jahr in die Ausschreibung gehen.
Optimismus verbreitete Lieber in Sachen Flüchtlingssituation: So könnten die Zuwanderer beispielsweise die Überalterung im Landkreis eindämmen. Und grundsätzlich gelte: „Nicht alle Befürchtungen werden eintreten, nicht alle Hoffnungen werden sich erfüllen.“ Der Kreis werde seiner Verantwortung hier nachkommen. Aus dem Kreishaushalt fließen etwa 1,4 Millionen Euro für die Unterbringung und Betreuung der Zufluchtssuchenden. Hinzu kommen Kosten für Gemeinschaftsunterkünfte. Das Fazit Liebers nach dem Motto der Bundeskanzlerin: „Wir schaffen das!“

CDU stolz auf Zusammenhalt der kommunalen Familie
Ähnlich äußerte sich der Fraktionssprecher der CDU, Michael Wagener. Außerdem stellte der Wissener Bürgermeister grundsätzlich klar bezüglich des Zahlenwerks: „Wir müssen weiter auf Sicht fahren.“ Und das Absinken des Eigenkapitals sei bedenklich. Wagener gab desweiteren zu bedenken, dass der Kreis Altenkirchen über keine Alleinstellungsmerkmale verfüge, um sich von anderen Regionen abzuheben. Gerade deshalb sei die Lebensqualität ein bedeutender Standortfaktor. So seien kulturelle Angebote kein „Luxus“ für die Bürger. Daneben begrüßte auch Wagener den Ausbau der Breitbandversorgung. Hier zeigte er sich stolz, was geleistet werden könne, wenn die kommunale Familie zusammenhalte.
Beim Thema Straßenausbau hat der CDU-Sprecher die Hoffnung, „dass wir hier mehr tun können.“ Investitionen in den Ausbau von Kindertagesstätten begrüßte der Wissener außerdem.



SPD: RWE-Aktien hätten frühzeitig verkauft werden müssen
Für die SPD gab der Altenkirchener VG-Bürgermeister Hajo Höfer die Stellungnahme zum Haushalt ab. Und die sah alles andere als positiv aus. So stellte Höfer fest: Das alte Prinzip eines ausgeglichenen Haushalts gelte nun nicht mehr, ein Umsteuern werde nicht mehr gelingen. „Ab jetzt gelten andere Gesetze als bisher“, so Höfer in seiner nachdenklichen Rede. Vor einem Jahr sei er noch anderer Meinung gewesen, aber nun müsse er sich eingestehen: „Dass ich dabei bin, wenn wir untergehen.“
Höfer bekannte sich auch zu kostenfreier Bildung von Anfang an. Allerdings hätte das Land hier „zu wenig getan“. Auch Sparbemühungen des Landes, wie des Bundes, bedeuteten letztlich nur, dass Aufgaben auf die kommunale Ebene abgewälzt würden.
Kritisch sah Höfer, dass die Mehrheitsfraktion damals gegen den Teil-Verkauf der RWE-Aktien war. Immerhin hätten die Kreisanteile mal einen Wert von 190 Millionen Euro gehabt. Jetzt liege man nur noch bei 24 Millionen Euro.

FWG frustriert
Für die FWG zeichnete auch Hubert Wagner ein düsteres Bild: Mit „dicken Minusbeträgen“ sei in den kommenden Jahren zu rechnen. „Ernüchternd“ und „frustrierend“ sei der Haushalt, der durch Standards des Bundes und des Landes fremdbestimmt sei. Schuldenbremsen der übergeordneten Ebenen seien da nicht zielführend. „Wo sind wir eigentlich noch Herr des Handelns?“, fragte Wagner rhetorisch. Die Kreisumlage bezeichnete er als „Verschiebebahnhof“. Die Erhöhung der Umlage werde nur dieses eine Mal von der FWG akzeptiert. Die Investitionen in Schulen wurden von ihm begrüßt, die drei Millionen Euro für den Straßenbau seien hingegen zu niedrig. Großen Handlungsbedarf machte Wagner zudem bei Öffentlichen Nahverkehr aus.

Grüne: Geld fehlt für Substanzerhalt
Vergleichsweise sanfte Kritik an der Landesregierung kam von Gerd Dittmann, der für die Grünen sprach. Sein Kommentar hierzu: „Es dürfte etwas mehr sein vom Land.“ Dittmann stellte daneben klar, dass ein Verkauf der RWE-Aktien damals nicht getätigt wurde, weil das Land rechtliche Bedenken anführte. Pessimismus prägte auch die Rede des Grünen-Vertreters: „Uns fehlt das Geld, damit die Substanz nicht ruiniert wird.“ Richtige Prioritäten setze der Haushalt mit Investitionen in den Breitbandausbau, in Schulen und in die Armutsbekämpfung. Beim Siegtal-Radweg hätten die Grünen hingegen „mehr erwartet“. Konkret spielte Dittmann hier auf die Auftragsvergaben an, die nicht zeitnah erfolgt hätten.

FDP forderte Hotline für Betriebe
Udo Piske beklagte für die FDP, dass der Kreis sich immer stärker zu einem reinen „Wohnkreis“ entwickele, also immer mehr Arbeitnehmer über die Kreisgrenzen hinweg auspendeln müssten. Gleichzeitig sei die Arbeitslosenquote überdurchschnittlich hoch, während die Anzahl der Neugründungen von Betrieben unterdurchschnittlich sei. Ähnlich kritisch bewertete Piske, dass viele junge Bürger den Kreis verlassen. Der Freidemokrat machte eine „Bildungsabwanderung“ aus. Begrüßenswert sei hingegen die Breitbandinitiative – auch wenn sie viel zu spät komme. Ebenfalls beim Thema Verkehr müsse der Kreis aufholen. Was die Wirtschaftsförderung angeht, so forderte Piske eine Hotline für Firmen.

Linkspartei sieht Verbesserungsbedarf bei Informationspolitik
Udo Quarz kritisierte für die Linke, dass „im Bereich Transparenz und Information viel Luft nach oben“ sei. Daneben verwies er ebenfalls auf den Rückgang des Eigenkapitals. Beim Umlagesatz sei für ihn außerdem „das Ende der Fahnenstange erreicht“.

Piraten kritisierten ungerechte Beteiligung an Betriebskosten der Holzbachtal-Strecke
Piraten-Mitglied Peter König ging in seinem kurzen Statement unter anderem auf die Diskussionen rund um die Westerwald-Bahn ein. Konkret ging es um die Zukunft der Holzbachtal-Strecke. Besonderes den dauerhaften Fehlbetrag der Betriebskosten von 350.000 bis 400.000 Euro pro Jahr hatte König hier im Auge. Es könne nicht angehen, dass es da mehrere Nutznießer gebe – und nur einer zahle.
Diese Diskussion nahm im weiteren Verlauf der Kreistagssitzung noch einen großen Raum ein und führte zu Kontroversen zwischen den Fraktionen. Zu diesem Thema werden weitere Artikel folgen, wie auch zu anderen Tagesordnungspunkten von der vergangenen Kreistagssitzung. (ddp)


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