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Medienverwahrlosung der Jugend
Die gesamte Gesellschaft ist gefordert, um gegen die Medienverwahrlosung der Kinder und Jugendlichen etwas zu tun. Der bekannte Forscher und Kriminologe Professor Dr. Christian Pfeiffer kam auf Einladung des CDU-Kreisverbandes und zeigte Gefahren, aber auch Lösungswege auf.
Betzdorf. Mit der Wahl des angesehenen Direktors des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, Professor Dr. Christian Pfeiffer, hatte der CDU-Kreisverband voll "ins Schwarze" getroffen. Die Aula der Geschwister-Scholl-Realschule in Betzdorf war gut gefüllt, und das Publikum zeigte ein großes Interesse, wie in der Diskussion nach dem Referat deutlich wurde. "Medienverwahrlosung als Ursache für Schulversagen und Jugendgewalt? – Musik und Sport als Schutzimpfung?" – so lautete das Thema des Kriminologen, der einen packenden Vortrag hielt und seine Ergebnisse mit viel Zahlenmaterial untermauerte.
Untersuchungen belegen, dass sich geschlechterspezifische Entwicklungen ergeben, die Anlass zur Sorge geben, denn weitaus mehr Jungen als Mädchen rutschen in die unteren Bildungsabschlüsse und in eine kriminelle Laufbahn. Heute liegen die Mädchen in den Gymnasien beim Spitzenabitur vorne, das war vor zehn Jahren noch völlig anders. Während 15,6 Prozent der Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren regelmäßig eine Playstation nutzen, sind es 38,1 Prozent der Jungen. Die Jungen würden zu den großen Verlierern der Zukunft gehören und dies habe gewaltige gesellschaftliche Dimensionen, darüber müsse man sich schnellstens klar werden, sagte Pfeiffer. Denn der ungezügelte Medienkonsum führe zu schlechten Noten und Schulabbrechern und auch zu mehr Gewaltbereitschaft.
Die Medienausstattung im Kinderzimmer sei abhängig von der Bildung der Eltern. Heute seien Fernsehgeräte im Kinderzimmer selbst bei Fünfjährigen keine Seltenheit und der Zugriff auf verbotene Filme jederzeit möglich. Je bildungsferner die Eltern, um so mehr Medienausstattungen gebe es in den Kinderzimmern. Fernseher, PCs und Playstations seien heute Standard selbst für 10-Jährige.
Pfeiffer stellte Untersuchungen zu Medieninhalten vor, zum Jugendmedienschutz und ließ Szenen von allgemein zugängigen Videospielen vor dem Publikum laufen. Es werden Punkte für das Töten und grauenvolle Abschlachten gesammelt – da sitzen Kinder mehr als vier Stunden pro Tag vor einem solchen Spiel. Entsetzte Gesichter beim Publikum, denn es sind Spiele, die ab 12 Jahren freigegeben sind. "Arm im Leben, aber reich im Computerspiel, ist die verhängnisvolle Botschaft", so Pfeiffer. Er zeigte auf, dass gerade Jungen besonders von der Computerspielsucht betroffen sind. Der Jugendmedienschutz funktioniere nicht, die Gewaltbereitschaft wachse und wachse. Je brutaler die Spiele der jungen Konsumenten, desto schlechter seien auch die Noten der Kinder. Dies hätten Hirnforscher und Psychologen untersucht. Kinder, die am Nachmittag sich selbst überlassen sind und Kinder mit Migrationshintergrund seien besonders gefährdet.
"Wir brauchen die Rettung der Nachmittage und müssen weg von der Halbtagsschule. Nur die Ganztagsschule, die die Wissensvermittlung am Vormittag durchführt und die Nachmittage mit Musik, Sport und kreativen Angeboten füllt, kann an der sich abzeichnenden Negativentwicklung etwas ändern. Wir müssen am Nachmittag bei den Kindern die Lust auf das Leben wecken", appellierte der Professor. Er zeigte an Beispielen aus dem Ausland auf, dass dies geht. "Eine Ganztagsschule will wohldurchdacht sein, und bedarf der Mithilfe aller, nicht nur des Staates, der die rechtlichen Voraussetzungen schafft. Lehrer müssen umdenken, Vereine und Bürger und Eltern müssen mitmachen", so die Forderungen Pfeiffers, der auch die Kultusministerkonferenz der Länder berät.
Pfeiffer wies nach Rückfragen aus dem Publikum darauf hin, dass die Medienverwahrlosung im ländlichen Raum weitaus größer ist als zum Beispiel in München. Dies hätten Untersuchungen belegt, denn Entfernungen, mangelnde Angebote und fehlende Kontrolle der Eltern am Nachmittag seien hier Ursachen. "Ich will keine Bilderstürmerei gegen Computerspiele oder Neue Medien entfachen, aber es muss etwas geschehen, die Bürger müssen sich des Problems bewusst werden und handeln", forderte der Professor.
Die Jungen und Mädchen der Bläserklasse der Geschwister Scholl Realschule bewiesen perfekt, wie man nach nur 18 Monaten Ausbildung in der Lage ist, Musik zu präsentieren und dass dies Erfolg verspricht und Spaß macht. Leiter Andreas Klöckner und Schulleiterin Doris John können jedenfalls stolz auf diese muntere Truppe sein. CDU-Kreisvorsitzender Dr. Josef Rosenbauer hatte hartnäckig verhandelt und den bekannten Forscher nach Betzdorf geholt. "Ich komme wieder, wenn sie eine Bürgerstiftung gründen, die sich mit dem Problem der sinnvollen Nachmittagsgestaltung für Kinder und Jugendliche beschäftigt", versprach Pfeiffer, der zum ersten Mal in der nördlichen Region von Rheinland-Pfalz zu Gast war. (Helga Wienand)
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Dr. Josef Rosenbauer und Schulleiterin Doris John begrüßten herzlich den bekannten Forscher und Kriminologen Prof. Dr. Christian Pfeiffer (von rechts). Im Hintergrund Schülerinnen und Schüler der Bläserklasse der Geschwister Scholl Realschule, die eine wahrlich tolle Leistung zeigten. Foto: Helga Wienand
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