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Nachricht vom 19.03.2009    

Einblicke ins Land am Kongo

In der Demokratischen Republik Kongo arbeitete der Wissener Arzt Dr. Josef Brendebach unter extremen Bedingungen. Er informierte ein großes Publikum im Kuppelsaal der Verbandsgemeinde mit einem Dia-Vortrag zur Problematik humanitärer Hilfe. Er war als Senior-Experte in Kikwit, einer 400.000 Einwöhner zählenden Stadt, um beim Aufbau einer Kinderambulanz beratend tätig zu sein.

Wissen. Mehr als 30 Jahre Erfahrung in Sachen Entwicklungshilfe in medizinischen Projekten hat Dr. Josef Brendebach aus Wissen gesammelt. In Asien und Südamerika und in Afrika. Seit mehr als 30 Jahren reist er regelmäßig in die oberägyptische Missionsstation Garagos und arbeitet in der dortigen medizinischen Ambulanz. Im letzten Jahr war Brendebach im Einsatz als Senior-Experte in der Demokratischen Republik Kongo, um beim Aufbau einer Kinderambulanz an einem staatlichen Krankenhaus in Kikwit zu helfen. Zum Vortrag über diese Arbeit mit all seiner vielschichtigen Problematik hatten die Landfrauen Wissen/Mittelhof und die VHS Wissen eingeladen. Der Kuppelsaal der Verbandsgemeinde war bis auf den letzten Winkel gefüllt und sorgte für überraschte Gesichter bei den Veranstaltern und beim Referenten.
"Ach Kongo!"-– so hatte Brendebach seinen Vortrag genannt, und es gelang ihm sein Publikum mit einem sehr persönlichen Bericht zu fesseln. Brendebach, der seine Praxis in Wissen aufgab und mit 67 Jahren noch etwas Neues beginnen wollte, bewarb sich bei verschiedenen Organisationen. Er wurde vom Senior-Experten Service (SES) in Bonn für das Projekt im Kongo des Hammer Forums verpflichtet. Das Hammer Forum ist ein Verein, der weltweit Kinder aus Krisen- und Kriegsgebieten zur chirurgischen Versorgung nach Deutschland holt. Das Hammer Forum unterstützt den Aufbau von Kliniken und Kinderambulanzen in vielen Ländern der Welt.
"Warum nicht Kongo", sagte sich Brendebach und startete wie vorgesehen für sechs Monate in die ehemalige belgische Kolonie. Nach drei Monaten kam er zurück, die Gründe dafür standen im Mittelpunkt seines Vortrages.
In Kikwit, etwa 550 Kilometer östlich der Hauptstadt Kinshasa begann Brendebach seine Arbeit im dortigen staatlichen Hospital. Die Reise dorthin mit einer Antonow war schon ein Erlebnis mit Abenteuercharakter. Beim Foto der Maschine entfuhr so manchem Gast ein "Mein Gott!"
Die 400.000 Einwohner zählende Stadt hat so gut wie keine Infrastrukturen mehr, fließendes Wasser und Strom sind Mangelware, Kanalisation ein Fremdwort. Im staatlichen Krankenhaus gibt es nur fünf Stunden Strom am Tag, für die Dieselaggregate keinen Kraftstoff, da er zu teuer ist. Hier begann Brendebach seine Arbeit, eine Kinderstation und eine Kinderambulanz sollten aufgebaut werden. "Die grenzenlose Armut der Menschen begegnet einem auf Schritt und Tritt und ist schwer zu ertragen", sagte der Arzt. Er zeigte bewegende Bilder von Kindern mit aufgeblähten Bäuchen und übergroßen Köpfen, die spindeldürren Beine und Arme sind die Symptome für lange Unterernährung.
Kritisch beleuchtete Brendebach die vielen Entwicklungshilfe-Projekte, die es in der Vergangenheit in Kikwit scheinbar gegeben hat. Dort hinterließen die unterschiedlichsten humanitären Organisationen ihre Spuren, allerdings auch Container voller Sondermüll und angefangene Bauprojekte, die zwar außen vom Engagement der Organisation zeugen, aber nie fertig wurden, weil die Helfer wieder abzogen. "Röntgenanlagen und medizinisches Gerät aus Europa, vielleicht als Spende gedacht, verrotten, weil sie niemand bedienen oder auch reparieren kann, es gibt keine Ersatzteile, kein Zubehör - nichts", erklärte Brendebach. "Wir dürfen den Urwald im Kongobecken nicht zur Sondermülldeponie Europas machen", schimpfte er und zeigte Fotoaufnahmen von riesigen Containern, die langsam aber sicher verrosten - samt Inhalt.
Wie schwer in dem staatlichen System die Arbeit für Ausländer ist, belegte Brendebach mit Bildern und Berichten. Allein die Korruption behinderte die Arbeit an allen Ecken, so musste er allein 400 US-Dollar für eine Arbeitserlaubnis an eine Stelle bezahlen, obwohl die längst vom SES bezahlt worden war. Das Personal des Krankenhauses hatte seit Monaten kein Gehalt erhalten, Streiks lähmten die Arbeit. Nur 30, manchmal 40 Betten des 300-Bettenkrankenhauses waren belegt, wer nicht bezahlte, wurde nicht behandelt. "Es gab kein Material, keine Medikamente, man kann sich das hier nicht vorstellen", sagte der Arzt. "Für die Menschen dort sind wir Geld auf zwei Beinen, mehr nicht", meinte er. Er beleuchtete die Entwicklungshilfe sehr kritisch, vor allem dort, wo mit den staatlichen Stellen gearbeitet wird. "Dieses Krankenhaus ist nicht in der Lage sich selbst zu helfen, gesteuert von Kinshasa und drei Ministerien ist es ein Fass ohne Boden. Es gelingt nur, wenn man das Personal von der staatlichen Verwaltung abkoppelt und sich langfristig einen regionalen Partner sucht", führte er aus. Als Beispiele nannte er die Kirchen und Ordensgemeinschaften, die ohne staatliche Reglements und mit kleiner Verwaltung eine gute Arbeit leisten. Mit Aufnahmen belegte er die Unterschiede.
Sein persönliches Leben in Kikwit war nicht einfach. Die Unterkunft, die man vorgesehen hatte, entpuppte sich bei der Ankunft als Rohbau - unbewohnbar. So fand er bei einer belgischen Ordensgemeinschaft ein Gästehaus, hier sorgte ein Priester auch schon mal für ein verändertes Nahrungsangebot. Maniok, geröstete Maden, Tomaten und Zwiebel, manchmal eine Dose Ölsardinen ließen das Gewicht von Brendebach innerhalb von drei Monaten um neun Kilogramm schrumpfen. "Die 12-stündige Nacht, ohne Strom und Lichtquelle ist sehr schwer zu ertragen", meinte Brendebach. Vor dem Haus stand ein Wächter, Ausgehen nach 18 Uhr unmöglich. Eine kleine Katze kam ins Haus, sie vertrieb die Ratten, auch ein wenig die Einsamkeit. Die eigene Gesundheit stand auf dem Spiel. Der Entschluss, vorzeitig Kikwit und das Projekt zu verlassen, dafür gab es viele Gründe. Brendebach konnte als Arzt nicht so arbeiten, wie er sich das vorstellte. Er durfte nur behandeln, wenn die Leute bezahlt hatten, und dies mit zwei Zetteln belegten. So manches Mal gab er das Geld, damit ein Kind behandelt werden durfte. Mit nüchternen Zahlen belegte er die Sterblichkeitsrate im Kongo, ein Kind unter 12 Monaten wird nicht erfasst. Die Geschichte von Moses, dem kleinen Jungen mit dem riesigen Kopf und den skelettartigen Beinchen und seiner Plastikdose, dem er Nahrung und medizinische Hilfe zukommen ließ, stand am Ende des Vortrages. Aber auch ein kritischer Appell, denn die Ausbeutung des riesigen Landes durch internationale Konzerne schreitet voran - ebenso die daraus resultierende Armut. Internationales Engagement im Kongo sei dringend erforderlich. Da für die Veranstaltung kein Eintritt erhoben wurde, durften die zahlreichen Gäste freiwillig spenden. Das Geld soll für eine Solarstromanlage am Krankenhaus verwandt werden. (hw)
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Dr. Josef Brendebach aus Wissen gewährte zahlreichen Gästen einen lebendigen Einblick in die Arbeit in der DR Kongo, wo er drei Monate am Aufbau einer Kinderambulanz mitwirkte. Fotos: Helga Wienand


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