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Nachricht vom 16.09.2016    

Reform heißt: Planvolle und gewaltlose Umgestaltung

Sehr viel wird seit langem und jetzt nach der Landtagswahl konzentrierter und intensiver über die „Kommunal- und Verwaltungsreform“ in Rheinland-Pfalz diskutiert, auch im Landkreis Altenkirchen. Daaden und Herdorf sind schon vor den Landtagswahlen fusioniert worden und Gebhardshain und Betzdorf vollziehen diesen Schritt zum Jahreswechsel 2016/2017. Gastautor Josef Zolk nimmt das Thema Reformen genauer unter die Lupe.

Gastautor Josef Zolk. Foto: pr

Kreisgebiet. Jetzt im September werden bereits der zukünftige Bürgermeister und der Verbandsgemeinderat der gemeinsamen Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain gewählt. Das alles ist bekannt. Jetzt läuft die Diskussion um die Zukunft der Verbandsgemeinde Flammersfeld. Auch das ist bekannt und war Kundigen lange vorhersehbar. Auch im Landkreis Neuwied zeichnen sich gebietsmäßige Umstrukturierungen bei Rengsdorf und Waldbreitbach ab, eventuell bei Puderbach und Dierdorf und bei Verbandsgemeinden am Rhein.

Das Ganze läuft unter politisch unter dem Begriff „Kommunal- und Verwaltungsreform“ – und da wird es spannend. Denn Reform bedeutet „Umgestaltung und Erneuerung von vorhandenen gesellschaftlichen oder politischen Verhältnissen, um sie zu bessern“ oder eine „planvolle und gewaltlose Umgestaltung bestehende Verhältnisse“. So jedenfalls drücken es Lexika-Einträge aus.

Rheinland-Pfalz hat zurzeit bei ca. 4 Millionen Einwohnern rund 2.300 eigenständige Kommunen, mehr als jedes andere Land in der Bundesrepublik, Nordrhein-Westfalen hat bei ca. 17,8 Millionen Einwohnern ca. 400 Kommunen. Natürlich hängt dies in Rheinland-Pfalz mit den vielen Ortsgemeinden zusammen, von denen rund 600 unter 300 Einwohner haben. Bereits seit Jahren ist es dem Innenminister per Ministerentscheid möglich, Ortsgemeinden unter 300 Einwohnern mit anderen Ortsgemeinden zusammen zulegen. Natürlich stellen die Ortsgemeinden einen historischen und kulturellen Wert an sich dar und binden viele Bürgerinnen und Bürger in ehrenamtliche Tätigkeiten ein. Das gelingt aber auch in zusammengeschlossenen Kommunen in den jeweiligen Ortschaften, wie viele Beispiele gerade auch in Rheinland-Pfalz zeigen.

Jetzt geht es also um die Zukunft der Verbandsgemeinden, die sicherlich nicht die Identifikationskraft haben wie Ortsgemeinden, auch das ist bekannt. Aber es geht (noch) nicht um die Grenzen der Landkreise. Die damit zusammenhängenden Fragen sollen erst dann diskutiert werden, wenn in über einem Jahr ein entsprechendes Gutachten vorliegt. Natürlich soll man das Gutachten abwarten, aber dann ist es nur sinnvoll, auch mit weiteren Gebietsänderungen bei Kommunen an den Grenzen der Landkreise zu warten, bis die Landkreisregelungen getroffen sind. Jetzt wird der zweite Schritt vor dem ersten getan.

„Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande“, sagt Goethe in Maximen und Reflexionen. Und das trifft genau auf viele der jetzt angestrebten Gebietsänderungen zu. Da werden vor den notwendigen Regelungen bei den Landkreisen Gebietsänderungen bei den Verbandsgemeinden vorwärtsgetrieben (wohl auch um den Gerichten zu zeigen, dass die Zwangsfusionen der letzten Jahre keine Eintagsfliegen waren) und an die dringend notwendigen Zusammenfassungen von Ortsgemeinden geht auch niemand. Da wird nicht nur das erste Knopfloch verfehlt. Mit planvoller politischer Reform hat dies alles nichts zu tun – das sind reine Gebietsänderungen, ohne genaues Konzept, zumal wenn man weiß, dass Kommunen vorgegeben wurde/wird, sucht euch Partner. Und wenn das nicht klappt, bekommt ihr einen Partner von uns. Das klingt nach dem Motto: Wenn ihr keine Braut findet, bekommt ihr sie von uns.



Das ist eher die mühevolle Abarbeitung früherer politischer Beschlüsse durch die beauftragte Landesverwaltung – ohne zu prüfen, ob die vorgesehene zeitliche Abfolge und die Wege richtig sind. Dass kein falscher Eindruck entsteht: Ich halte eine sinnvolle Neustrukturierung für notwendig, bei Ortsgemeinden, bei Verbandsgemeinden, bei Landkreisen. Und ich frage natürlich auch, ob 16 Länder in der Bundesrepublik noch die zukunftsweisende Struktur darstellen. Das Grundgesetz gibt keine verfassungsrechtliche Garantie für den Bestand einzelner Länder, ebenso wenig wie für eine bestimmte Anzahl von Ländern.

Aber man darf auf eine vernünftige Kommunalreform in Rheinland-Pfalz nicht so lange warten, bis dies regelungsreif wäre. Und doch ein Hinweis: Von 16 Ländern erhalten 12 Mittel aus dem Länderfinanzausgleich (2015 über 9 Mrd.); darüber hinaus erhielten 2013 auch 12 Länder zusätzlich Bundesergänzungszuweisungen. Natürlich ist es richtig, dass aus der Fusion zweier finanzschwacher Länder noch kein finanzstarkes neues Land wird. Dies gilt natürlich auch bei Gebietsänderungen von Kommunen.

Nur noch wenige Kommunen können ihren Haushalt ausgleichen, nur noch wenige Kommunen können ihre Aufgaben, die ihnen oft auch von außen aufgegeben sind (zum Beispiel im Kinder- und Schulbereich) bezahlen. Bund und Länder bürden den Kommunen neue Aufgaben auf, ohne die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, sie lassen die Kommunen finanziell ausbluten und zerstören die kommunale Selbstverwaltung von außen. In Rheinland-Pfalz wird zu recht oft der aus Nassau stammende Freiherr vom Stein zitiert. Stein wolle die freie Gemeinde, er wollte finanziell gesunde Gemeinden. Davon sind wir weit entfernt. Man hat den Eindruck, dass mancher plant, über den finanziellen Tod der Kommunen die Gebietsreform gerade bei den kleinen Ortsgemeinden zu beschleunigen.

Wer eine vernünftige Kommunalreform will, muss die richtigen Fragen stellen, denn falsche Fragen bringen falsche Antworten. Es macht keinen Sinn, ohne Aufgabenkritik über eine Änderung der Verwaltungsstrukturen zu entscheiden. Die Abschaffung der Bezirksregierung und der nachfolgende Aufbau der Struktur- und Genehmigungsdirektionen (SGD) bzw. der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) macht doch das Gesamtproblem mehr als deutlich. In anderen kleinen Ländern in der Bundesrepublik sieht man deutlich, dass es auch ohne Zwischeninstanzen geht.

Es ist zu fragen: Welche Aufgaben sind den Ministerien vorbehalten? Welche Aufgaben müssen oder können die Kreise behalten oder neu übernehmen? Welche Aufgaben können starke Verbandsgemeinden behalten oder neu übernehmen? Da ist unter anderem das Thema Baurecht für interessante Diskussion gut geeignet.

Für mich ist klar: Eine vernünftige Verwaltungs- und Kommunalreform, die auch den Namen verdient, ist notwendig. Reine Gebietsänderungen ohne weitergehende Konzeption machen keinen Sinn. Reform heißt: Planvolle Umgestaltung zu besseren Verhältnissen. Da ist viel Luft nach oben. (Josef Zolk)



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