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Nachricht vom 21.12.2016    

Wieso sich der Kreis nicht von seinen RWE-Aktien trennt

Der Kreis Altenkirchen ist in Deutschland zehntgrößter Besitzer von RWE-Aktien. Doch die Zeiten des jährlichen Dividenden-Segens sind lange vorbei. Die Grünen beantragten nun im Kreistag einen Verkauf der Anteile am Stromkonzern. Aber bei den anderen Fraktionen stießen sie damit auf wenig Gegenliebe.

Gerd Dittmann (rechts; als Ersatzkandidat für Landtagskandidat Kevin Lenz) begründete für die Grünen den Antrag. Foto: Archiv/ PR

Altenkirchen/ Kreisgebiet. „Die Aktienwerte schmelzen wie Eis in der Sonne.“ Ähnlich drastisch wie Anna Neuhof von den Grünen wollte es kein anderes Kreistagsmitglied in der jüngsten Sitzung ausdrücken. Aber den Sinkflug der rund zwei Millionen RWE-Aktien, die der Kreis Altenkirchen besitzt, wollte auch niemand bestreiten. Im Dezember 2007 war eine Aktie des Konzern beispielsweise noch etwa 98 Euro wert, momentan sind es rund 11,50 Euro (Stand: 20. Dezember 2016). Die jährlichen Dividenden eröffneten dem Kreis spürbar Gestaltungsspielraum in der Vergangenheit. Doch diese Zeiten sind vorbei: Für 2016 gibt es keine Gewinnausschüttung; im Vorjahr betrug diese nur 1 Euro pro Aktie.

Und diese Entwicklung trug mit dazu bei, weshalb die Haushaltsreden in der vergangenen Kreistagssitzung nicht unbedingt vor Optimismus sprühten, um es noch positiv auszudrücken. Die Eigenbetriebe „Kulturelle Einrichtungen“ halten beispielsweise 289.000 RWE-Aktien. Die Börsenentwicklung schlägt sich also ganz konkret auf die Finanzen der Kreismusikschule, der Volkshochschule und des Bergbaumuseums in Herdorf-Sassenroth nieder. Der in der gleichen Sitzung abgesegnete Jahresabschluss 2015 für die Einrichtungen ist hauptsächlich auf den Niedergang der RWE-Aktien zurückzuführen.

Nun wollen die Grünen, dass sich der Kreis schrittweise von seinen RWE-Aktien trennt. Sie sehen keine Hoffnung auf eine baldige Kurserholung. Der Stromkonzern werde mindestens für einige Jahre keine Dividende ausschütten können, prognostizierte der grüne Fraktionsvorsitzende Gerd Dittmann. Die Aktien seien von Ratingagenturen bereits auf „Ramschniveau“ eingeordnet worden. Immerhin spiegelte der Kursverlauf auch die Erwartungen und Einschätzungen der Börsenteilnehmer wider, wie es in dem entsprechenden Antragstext heißt.

Neben dem Wertverlust führen die Grünen noch weitere Gründe für den „Einstieg in den Ausstieg“ (Dittmann) an. So halte RWE an überholten Technologien wie Kernkraft und Kohle fest und betreibe keine konsistente Geschäftspolitik. Letzteres begründet die Fraktion mit der Ausgliederung der Zukunftsbereiche (erneuerbare Energien, Netze und Infrastruktur) in das Tochterunternehmen Innogy, an dem RWE 76,8 Prozent der Anteile hält. Die weniger zukunftsträchtigen Sparten Kern- und Kohlekraftwerke verblieben hingegen beim Mutterkonzern. Ein „kommunalunfreundliches“ und unglaubwürdiges Verhalten nach Einschätzung der Grünen. Hinzu komme, dass eventuelle Dividendenzahlungen von Innogy an RWE zunächst für den dortigen Geschäftsbetrieb und die Tilgung von Altlasten benötigt werde.

„Lasst uns das lieber nicht machen“, lautete die Einschätzung Bernd Beckers von der SPD zu dem Vorhaben Dittmanns. Die Begründung: Man könnte von den Erlösen aus den Aktienverkäufen nur Kassenkredite tilgen. Der Experte von der Kreisverwaltung, Marc Schwan, erklärte dem Kurier, dass mit den entsprechenden Einnahmen laut haushaltsrechtlicher Vorschriften nur Pflicht-Investitionen getätigt werden könnten. Und von Geldern, die eventuell übrig bleiben, müssten dann in einem zweiten Schritt Kassenkredite getilgt werden. Final geklärt ist dies allerdings noch nicht, wie Josef Rosenbauer (CDU) erklärte.



Der Kirchener machte die Ablehnung des Grünenantrags für seine Fraktion deutlich: „Der Antrag trägt nicht dazu bei, dass wir gut dabei herauskommen.“ Wieso? Ein Verkauf der kreiseigenen Aktien würde nur einen weiteren Kursverlust befeuern. So sei es üblich an der Börse. Wenn überhaupt, dann sollte für ein solches Vorgehen kein Zeitpunkt genannt werden. Und Diskussionen darüber dürften auch nicht in öffentlicher Sitzung stattfinden. „Wenn jetzt ein Verkauf angekündigt wird, dann wird der Preis total einbrechen“, so Rosenbauer. Die RWE-Aktien müssten erst wieder an Boden gewinnen. Und dann könne eventuell neu darüber beraten werden.

Dittmann hielt dem entgegen und brachte eine Deckelung ins Spiel, ab der erst verkauft werden solle. Und Anna Neuhof sagte, dass entsprechende Diskussionen längst außerhalb des Kreises öffentlich geführt würden. Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat beispielsweise erst vor kurzem beschlossen, sich von rund vier Millionen seiner RWE-Aktien zu trennen, wie der WDR berichtet. Der Nachbarkreis will diesen Schritt allerdings auch erst dann einleiten, wenn ein guter Preis erzielt werde und eine neue, sichere Anlage gefunden sei.

Hubert Wagner (FWG) pochte darauf, den Aktienverlauf regelmäßig zu überprüfen und auf Hoffnung zu setzen. Und Udo Piske von der FDP witterte in dem Grünen-Antrag Ideologie. Anna Neuhof entgegnete: „Es geht hier nicht um Gutmenschentum, sondern um Profite.“
Schlussendlich kam es gar nicht zu einer Abstimmung über den gesamten Grünenantrag. Eigentlich war gefordert worden, bis Ende 2017 665.000 der RWE-Aktien aus dem Hoheitsvermögen zu veräußern sowie 2018 und 2019 jeweils zum Jahresende die Hälfte der verbliebenen Aktien zu verkaufen. Auf Vorschlag des Kreisbeigeordneten Konrad Schwan (CDU), der den erkrankten Landrat Michael Lieber vertrat, wurde lediglich eine Variation des dritten Antragspunktes bei einer Enthaltung verabschiedet. Demnach soll die Kreisverwaltung mit der Aufsichtsbehörde klären, ob und unter welchen Voraussetzungen RWE-Aktien verkauft und Innogy-Aktien gekauft werden können. Gleichzeitig soll geprüft werden, welche anderen Optionen möglich sind. Weitere Beratungen finden im Kreisausschuss statt. (Daniel Pirker)


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