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Nachricht vom 26.09.2009    

Literaturtage: Was ist eigentlich der Westerwald?

Warum ist er eigentlich so schön - der Westerwald? Ist es richtig, dass über die Höhen der Wind so kalt pfeift und das kleinste bisschen Sonnenschein tief ins Herz eindringt? Wer jemals auf dem Stegskopf den Militärdienst verrichtet hat, weiß um die Probleme. Aber im Kulturwerk Wissen ging es nicht um die Inhalte des alten Landserliedes. Gefragt war vielmehr die literarische Seite des Westerwaldes. Die wiederum wurde von Hanns-Josef Ortheil im "Literarischen Salon" bei den 8. Westerwälder Literaturtagen in Wissen unter die Lupe genommen.

Kreis Altenkirchen/Wissen. Gleich zu Beginn der 8. Westerwälder Literaturtage in Wissen ließ Moderator Hanns-Josef Ortheil keinen Zweifel daran, dass "man im Walzwerk eine neue Heimat gefunden" hat. Das sah wohl auch das Publikum so, denn freie Plätze waren beim Auftakt der Literaturtage Mangelware. Kein Wunder. Die Podiums-Gäste Ortheils zeichneten sich nicht nur durch solides Fachwissen aus, sondern waren dem Publikum auch gut bekannt. Mit dabei: Die Schriftstellerin Annegret Held, Abt Andreas Range vom Kloster Marienstatt, Kulturhistoriker Josef Roth und Schriftsteller Heiner Feldhoff.
Andreas Range bekam von Moderator Hanns-Josef Ortheil als erster Diskussionsteilnehmer die Gelegenheit, Betrachtungen anzustellen und natürlich auch Aufschluss über seine eigene Person zu geben. Schon als Messdiener hatte es den heutigen Abt 1966 in den Westerwald gezogen. Als er, so Range, damals von Köln anreiste, hatten die Westerwälder "noch Hemmschwellen". Da war eben der Mensch aus der Großstadt, verkörperte Unbekanntes, war allenfalls als Fremdling gelitten. Und heute, resümiert Range, "gibt es im Westerwald keine Hemmschwellen mehr." Und Range lässt nicht aus, dass der Westerwald für seine Bewohner immer noch dann einen Anziehungspunkt bildet, wenn diese schon längst in städtische Gefilde umgezogen sind.
Das mag auch Annegret Held nachvollziehen. Die Westerwälderin lebt heute in Frankfurt, bekennt allerdings: "Wenn ich eine Auszeit brauche, zieht es mich wieder zurück. Dann brauche ich meinen Westerwald." Und weiter: "Das nennt man Heimweh." Dabei wird die Schriftstellerin schon während der Podiumsdiskussion in eine Ecke geschoben, von der eigentlich keiner so recht weiß, ob sie sich dort wohl fühlt. Annegret Held hat mal ein Theaterstück geschrieben. Das beginnt beim ältesten Gewerbe der Welt und hört beim Opa, der einen Unfall verursacht hat, noch lange nicht auf. Die "Damen" sind ohne Bleibe, die Freier bleiben aus. Ein Gassenhauer? Vielleicht. Jedenfalls ist sich die Schriftstellerin nicht sicher, ob sie das Angebot annehmen kann, das deftig gehaltene Theaterstück mal im Walzwerk aufzuführen. Die Ausrede "Wer versteht schon Wäller Platt?" mag da nicht zum Punkten geeignet sein. Schon die erste Sprechprobe dokumentiert: Im Walzwerk versteht man Wäller Platt - obwohl: Wissen liegt zur Hälfte, und dazu gehört das Walzwerk rechts der Sieg, überhaupt nicht zum geografischen Westerwald (Anm. d. Redaktion). Aber man ist liberal genug, um der Held die Entscheidung zu überlassen, ob sie das Theaterstück noch einmal inszeniert...
Und Heiner Feldhoff? Der fühlt sich wohl in seiner neuen (alten) Heimat Westerwald. Kommt aus Duisburg und stellt direkt klar, dass er Protestant ist - "von Katholiken umgeben". Und Heiner Feldhoff plaudert munter. Auch von Friedrich Nietzsche, der des öfteren in Altenkirchen war.
Sehr fundiert auch Kulturhistoriker Hermann Josef Roth, der den Westerwald als "geographische Definition, nicht als historische" verstanden wissen will. Die Westerwälder Tracht gibt es nicht. Vielmehr sind die Kniebundhosen und die Jacke "Ausdruck der Armseligkeit". Neues, resümiert Roth, war im Westerwald nicht an der Tagesordnung. Geld war nicht genügend vorhanden, "und so wurden die alten Klamotten vom Großvater noch aufgetragen." Später regelte dann der Volksmund das Geschehen. Da war dann die "Tracht" entstanden, die es eigentlich nie gab. Roth macht keinen Hehl daraus: Wer über den Westerwald referiert, muss zwangsläufig auch desillusionieren. Etwa wie Feldhoff, der den Westerwald im Lexikon "zwischen Westafrika und Westjordanland" fand. Das Alphabet stand Pate.
Auch typische Baustile, so Historiker Roth, "hat es nicht gegeben". Manch einer habe auf Bildern "Westerwälder Häuser" gesehen, aber nicht erkannt, "dass diese dann im Sauerland standen." Und was ist der Westerwald? Roth hat auch darauf eine Antwort, aber wieder "desillusionierend": "Das Besondere am Westerwald ist eigentlich, dass es nichts Besonderes gibt." Sprach´s und erzählte noch so manche Geschichte vom "Land der armen Leute". (Werner Wenzel)
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Plauderten im Wissener Walzwerk über die Schönheiten des Westerwaldes (von links): Kulturhistoriker Hermann Josef Roth, Schriftsteller Heiner Feldhoff, Moderator Hanns-Josef Ortheil, Schriftstellerin Annegret Held und Abt Andreas Range. Foto: Werner Wenzel


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