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Kultur |


Nachricht vom 13.11.2009    

Rheinischer geht’s nicht

Ausgelassene Stimmung im Wissener Kulturwerk: Grund war Konrad Beikircher, der im Minutentakt das Zwerchfell der Gäste angriff. Er war auf Einladung von Pro AK an die Sieg gekommen und erklärte hier einmal mehr seine Liebe zum Rheinland.

Wissen. Von Bonn aus immer siegaufwärts - so einfach wäre die Wegbeschreibung für Konrad Beikircher gewesen, um ins Wissener Kulturwerk zu finden. Trotzdem haderte er mit seinem Navigationsgerät, das ihn aber schließlich doch zur Veranstaltung des Forums Pro AK geführt hatte, im Gepäck den zehnten Teil seiner Rheinischen - und scheinbar unendlichen - Trilogie „Am schönsten isset, wenn et schön is!“ Kann man das rheinische Lebensgefühl treffender beschreiben? Wohl kaum, zumal, wenn diese Beschreibung mit Niveau, mit Sprachwitz und vor allem mit unwiderlegbaren Analysen der rheinischen Mentalität und Sprache daherkommt. Sprache, so sein Credo, müsse dabei immer zur Mentalität passen, und das Rheinische sei in seinen Augen nicht Deutsch, sondern eher eine Form des Italienischen mit falscher Grammatik. Im Zentrum des täglichen Strebens stehe für den Rheinländer dabei „die mediterran-buddhistische Sehnsucht, dat et schön is.“
Nimmt man die Tränen, die den Gästen im voll besetzten Kulturwerk vor lauter Lachen über die Wangen liefen, zum Maßstab, hatte Pro AK am Donnerstagabend einen Volltreffer gelandet. Anders als bei den Comedians der neuen Generation ist bei Beikircher der Weg zur Pointe die eigentliche Kunst seiner großen Liebeserklärung an das Rheinland und dessen Typen. Mit einem „Da fällt mir gerade was ein“ oder „Wo sie's jerade sagen“ machte Beikircher zur Freude des Publikums ständig neue Fässer auf, fand aber immer wieder den Deckel, um die Geschichten auch zu beenden. Eine Kostprobe? Auf Entdeckungsreise im rheinischen Universum beim samstäglichen Brötchenholen: Während in Restdeutschland die Menschen bei Hochbetrieb im Laden eine ordentliche Schlange bilden, formieren sich die Kunden hier zu einem „rheinisch-kommunikativen Knubbel.“ Nach Chaos mag es für den Außenstehenden aussehen, aber: „In dem Knubbel weiß jeder ganz genau, wann er dran ist“, versicherte der Kabarettist. Wenn ein Auswärtiger sich vorbei pfuschen würde, dann „kann der rheinische Knubbel schnell zur kritischen Masse werden.“
Mit geschultem Blick griff der Wahlbonner die kleinen Anekdoten des rheinischen Miteinanders auf, bediente sich bisweilen bei Tünnes und Schäl, Theo Lingen und Hans Moser, berichtete vom Urologenkongress in Dresden, einem befreundeten Steuerberater mit Klienten in Untersuchungshaft oder seinen Erfahrungen im Personalrat der Jugendvollzugsanstalt in Siegburg, wo er als Psychologe gearbeitet hat. Ein weiteres Stichwort, das er in eine rheinische Klangwolke hüllt, ist die Autowerkstatt: Auskünfte über den Stand der Reparatur gebe es hier ohnehin nur noch für Familienangehörige. Und dann ist da der Werkstatt-Meister, der sich beim Anblick des schreibenden Kabarettisten fragt, woher dieser nur die Wörter, Sätze und Texte für sein neues Buch nimmt: „Uss’m Kopp?“
Ungeschlagen ist Beikircher in der feingliedrigen Analyse des rheinischen Wortschatzes. Erfolgreich tritt er den Beweis an, dass der Duden gegen diesen nur verlieren könne, so die Überzeugung des gebürtigen Südtirolers, für den andere Landsmannschaften gegenüber den Rheinländern beständig den Kürzeren ziehen, egal ob Siegerländer oder Sachsen, Bayern oder die berüchtigten Bielfelder. Ein großes Thema für den Rheinländer ist der Urlaub. Der hat sich laut Beikircher für viele erst dann gelohnt, wenn man beim Landeanflug auf Köln-Bonn vom Flugzeug aus den Dom bewundern könne. Fazit: „Der Rheinländer fährt nicht in Urlaub, um wegzufahren. Er tut dies, um wiederzukommen.“ Wer Beikircher in Wissen erlebt hat, wünscht sich das auch von ihm. (as)
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Konrad Beikircher brachte seine Liebeserklärung an das Rheinland mit ins Wissener Kulturwerk. Fotos: Andreas Schultheis



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