Digital und innovativ: Vom Wandel in der Buchbranche
Von Andreas Schultheis
Dass die Buchbranche mit der Digitalisierung wie viele andere Bereiche einen enormen Wandel durchlebt, steht außer Frage. Wie innovativ sie darauf reagiert, welche Entwicklungen, Prognosen und Trends es gibt, das machte Ronald Schild von der Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH (MVB) am Beispiel seines Unternehmens beim WW-Lab-Gründer-Talk in Betzdorf deutlich.
Betzdorf. Sie steht im Schatten der populären Frankfurter Buchmesse, die Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH (MVB). Beide gehören zur gleichen Holding unter dem Dach des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. MVB-Geschäftsführer Ronald Schild berichtete beim Gründertalk des WW-Labs in Betzdorf über die Tätigkeitsfelder der MVB. „Digitalisierung & Innovationsmanagement in der globalen Buchbranche“ lautete sein Thema. Schild und WW-Lab-Gründer Hartmut Lösch kennen sich seit Studienzeiten. Umso mehr freute Lösch sich über den Besuch des fachkundigen Referenten, der vor seinem Wechsel zur Börsenvereinsgruppe für Amazon gearbeitet hat.
Im digitalen Maschinenraum
Die MVB, so Schild, sei weithin unbekannt, agiere allerdings als „der digitale Maschinenraum“ der Buchbranche. „Die MVB sorgt dafür, dass das Buch seinen Weg vom Autor über den Verlag und die Buchhandlung bis zum Leser findet und konzentriert sich dabei auf wichtige Infrastrukturdienstleistungen für die Branche.“ Zentrale Plattformen auf Basis internationaler Metadatenstandards ermöglichen Verlagen und Buchhandlungen im In- und Ausland die erfolgreiche und effiziente Vermarktung ihrer Titel. Beispielsweise fungiert die MVB als deutsche ISBN-Agentur, ist somit dafür zuständig, dass jedes Buch eine Nummer bekommt, die es weltweit eindeutig kennzeichnet. „Daneben machen wir das ‚Verzeichnis Lieferbarer Bücher‘ das für den Handel ein unverzichtbares Arbeitsmittel ist. Und dann sind wir auch noch Verlag und produzieren mit dem Börsenblatt das wichtigste Fachmagazin und mit dem Buchjournal ein sehr auflagenstarkes Endkundenmagazin“, so Schild. Zudem ist die MVB unter anderem die offizielle Preis-Referenzdatenbank für die rund 3.500 deutschen Buchhandlungen.
J. K. Rowling war Self Publisher
Die Digitalisierung hat das Buch und den Büchermarkt revolutioniert: Self-Publishing-Angebote ermöglichen es, in Tagesfrist ein Buch auf den Markt zu bringen, E-Book-Reader machen ganze Bibliotheken verfügbar, Amazon und Co. liefern vom Lager oder Books on demand über Nacht. Selbst J. K. Rowling, so Schild, hat seinerzeit mit „Harry Potter“ als Self Publisher begonnen. Drei Viertel der Titel auf der Amazon-Bestenliste kommen mittlerweile über Selbstverleger. Von rund 900.000 jährlichen Neuerscheinungen in den USA kommen rund 600.000 über Selbstverleger. Dabei unterliegt auch der Konsum einem Wandel – vom klassischen gedruckten Buch geht es in die digitale, mobile Lese-Welt, wobei der Anteil der E-Books am gesamten deutschen Büchermarkt laut Schild bei etwa fünf Prozent liegt. Allen Prognosen zum Trotz lebe das gedruckte Buch derzeit ziemlich gut weiter. Schild rechnet mit ein bis zwei Generationen, die das E-Book noch benötige, um sich komplett durchzusetzen.
Wandel braucht Menschen
Wie gelingt es einem Unternehmen wie der MVB, sich an neue Marktgegebenheiten im Zuge der Digitalisierung anzupassen? Vor allem sind es die Menschen, die Mitarbeiter-Typen, die wichtig sind: Hier die Manager des Status quo, die sich an klassischen Kennzahlen ausrichten, gewohnt sind, mit geringer Fehlertoleranz und mit langfristigem Planungshorizont zu arbeiten; dort die Innovatoren mit hoher Fehlertoleranz, kurzen, agilen Planungen, die Fehler nicht als Probleme sehen, sondern als neue Herausforderung und Chance, zu wachsen. Beide Charaktere müssten zusammen gebracht werden. Das Problem sei keineswegs neu: Schild bemühte den österreichischen Ökonomen Joseph Alois Schumpeter und den Prozess der schöpferischen Zerstörung.
Eine eigene Ideenschmiede
2006 hat die MVB zwei Drittel des Umsatzes mit analogen Produkten, ein knappes Drittel mit digitalen gemacht. 2016 hat das Unternehmen diese Werte umgekehrt, für 2018 peilt man 80 Prozent des Umsatzes bei digitalen Produkten an. Straffere Strukturen waren dabei das eine, die Begründung der „MVB Labs“ das andere: Das Ziel des neuen Bereichs ist ganz klar, innovative Geschäftsmodelle für die Buchbranche zu entwickeln. Hier werden mehrere Ideen monatlich durchgespielt – egal ob sie aus dem eigenen Haus, von der Geschäftsführung, den Fachabteilungen oder aus dem Kundenbereich kommen – und im Prozess des Rapid Prototyping auf Marktfähigkeit getestet. Kommt es zur Umsetzung, gibt es klare Rahmenbedingungen: Es werden Budget, Ressourcen, Projektleitung und Controlling mit Umsatz, Kosten und klaren Meilensteinen definiert. „Stellt sich bei einem Projekt nicht bis Tag X der Erfolg ein, wird es abgebrochen“, so Schild. Das habe sich als sehr hilfreich erwiesen. So entstand beispielsweise das Portal VLB TIX: Es bietet eine vollständige Marktübersicht über nahezu alle deutschsprachigen Novitäten. Das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB), an das Verlage ihre Neuheiten melden, ist Grundlage dieser Online-Plattform. Auch das Portal Metabooks als portugiesisch-sprachige VLB-Version für den brasilianischen Markt wurde hier aus der Taufe gehoben. Von 100 Ideen, so schätzt Schild, kommen in den Labs „vielleicht fünf in die engere Auswahl“.
► Der nächste und damit zwölfte Gründertalk im Betzdorfer WW-Lab findet am 19. Februar 2019 statt. Dann ist der Vorsitzende der Digitalen Stadt Düsseldorf e. V., Stephan Schneider, zu Gast. (as)
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