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Nachricht vom 18.06.2019    

Ländlichen Raum als medizinisches Reallabor nutzen

Das bundesweit beachtete Projekt „Medizin neu denken“ der Universität Siegen gestaltet die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung ländlicher Räume unter den Vorzeichen von Demografie und Digitalisierung. Das Projekt und den Aufbau der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (LWF) stellte Professor Dr. Christoph Strünck im Rahmen der Vortragsreihe „Forum Siegen“ vor.

Zu Gast bei Forum Siegen war Professor Dr. Christoph Strünck. Moderatorin des Abends war Professoirn Dr. Ulrike Buchmann. (Foto: Universität Siegen)

Siegen/Region. Die Gesundheit ist das höchste Gut, heißt es im Volksmund. Wer krank ist, kann diesen Spruch nachvollziehen. Und wer krank ist, benötigt der Fürsorge und der Versorgung. Die Versorgungssicherheit gibt Menschen Rückhalt. Von daher sind Diskussionen über Ärztemangel und unzureichende medizinische und pflegerische Versorgung vor allem im ländlichen Raum ernst zu nehmende Faktoren. Das bundesweit beachtete Projekt „Medizin neu denken“ der Universität Siegen gestaltet die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung ländlicher Räume unter den Vorzeichen von Demografie und Digitalisierung. Das Projekt und den Aufbau der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (LWF) stellte Professor Dr. Christoph Strünck im Rahmen der Vortragsreihe „Forum Siegen“ vor. „Innovative gesundheitliche Versorgung zwischen Stadt und Land“ lautete sein Thema in der Aula des Lÿz in Siegen. Strünck ist Professor für Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpolitik an der Universität Siegen, Direktor des Instituts für Gerontologie an der TU Dortmund und Prodekan für Strategie und Forschung der neuen Fakultät V der Universität Siegen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Professorin Dr. Ulrike Buchmann, die Erziehungswissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Berufs- und Wirtschaftspädagogik ist.

Lücke in der pflegerischen Versorgung
Er werde einiges überspitzt darstellen, um Sachverhalte anschaulich zu machen, stellte Strünck zuvorderst in den Raum. Er plädierte für ein Miteinander auf breiter Basis: „Medizin neu denken ist nur im Verbund mit Vielen zu machen.“ Zwar gebe es auch strukturschwache Städte, dennoch existierten in ländlichen Bereichen ganz spezielle Probleme, so der Referent. Der demografische Alterungsprozess sei in der Regel größer, es seien größere Distanzen zu einer Versorgung zurückzulegen, der Mangel an hausärztlichen Praxen sei nicht weg zu diskutieren. Laut Kassenärztlicher Vereinigung sei die heimische Region bei der Ärzteversorgung nicht unterversorgt. Statistiken spiegelten aber nur eine relative Wahrheit wider, wenn sie als Berechnungsgrundlage die Patientenzahlen pro Arzt festlegten und Distanzen unberücksichtigt ließen. Auf dem Land zeichneten sich zudem eine Lücke in der pflegerischen Versorgung ab, eine geringere Selbsthilfe-Dichte aber auch ein stärkeres ehrenamtliches Engagement. All diese Gesichtspunkte besagten aber nicht, dass Menschen auf dem Land einen schlechteren Gesundheitszustand aufwiesen.

Das deutsche Gesundheitssystem weist Probleme ganz eigener Art auf. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Delegation an und die Substitution von ärztlichen Aufgaben durch andere Berufsgruppen eher gering. In der professionellen Zusammenarbeit unterschiedlicher Gesundheitsberufe gibt es Optimierungspotenzial. Werden die Ärzte im ländlichen Raum rarer, kommt dieser Kommunikation erhöhte Bedeutung zu. Die Koordination zwischen ambulanter und stationärer ärztlicher und pflegerischer Versorgung ist bislang begrenzt. Die Problematik der medizinischen Versorgung in Pflegeeinrichtungen könnte sich auf dem Land in Anbetracht der schrumpfenden Hausarztquote verschärfen.

Langzeitversorgung wichtig
Bei der medizinischen Versorgung liege in Deutschland ein Fokus auf der Akutversorgung, so Strünck, dabei erlange die Langzeitversorgung in Anbetracht einer alternden Gesellschaft immer größere Bedeutung. Defizite existieren zudem in den Bereichen Prävention und Rehabilitation sowie bei der Digitalisierung. Wobei es nicht Zielsetzung von „Medizin neu denken“ sei, die Region zu einem Hightech-Labor machen. Vielmehr gehe es darum, einen ganz besonderen Blick auf die Sinnhaftigkeit der Anwendung und den Nutzen für die Patienten zu haben.

Förderprogramme und Anreize für eine landärztliche Tätigkeit erachtete Strünck als nur bedingt wirkungsvoll. Neue Wege müssten in der Medizinversorgung beschritten werden. Mit Blick auf die Uni Siegen bedeute dies, dass in Kooperation mit der Universität Bonn Medizinstudentinnen und -studenten in der praktischen Studienphase an den vier Siegener Kliniken ausgebildet werden. Der Studiengang „Humanmedizin Bonn-Siegen“ ist 2018 gestartet. Er wird in Bonn und Siegen, eng angelehnt an das Bonner humanmedizinische Curriculum, durchgeführt und schließt mit dem Staatsexamen ab. Die Ausbildung weise ein eigenes Profil auf und habe einen Schwerpunkt in der landärztlichen Versorgung und der Allgemeinmedizin.

Medizinberufe müssen neu gedacht werden
Zudem sind an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (LWF) medizinnahe Studienangebote geschaffen worden. Im Wintersemester 2019/2020 geht der Bachelor-Studiengang „Digital Biomedical and Health Sciences“ mit drei unterschiedlichen Schwerpunkten neu an den Start. Denn: Ein Teil der medizinischen Berufe müsse mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft neu gedacht werden.

Im Modellversuch werde Südwestfalen als Reallabor gesehen, um innovative Versorgungsformen und auch -techniken zu erproben. Strünck: „Digitalisierung muss die Medizin nicht in erster Linie moderner machen, sondern besser.“ So soll an ausgewählten häufigen Erkrankungen gezeigt werden, wie eine lückenlose Versorgungskette in ländlichen Regionen geknüpft werden kann. Dabei komme die Siegener Tradition zum Tragen, in der Forschung ganz besonders auf den Nutzer zu schauen. Ein anderes Augenmerk gelte den Ärztinnen und Ärzten und der Frage, inwiefern digitale Werkzeug deren Berufstätigkeit erleichtern und Arbeitszufriedenheit erhöhen können. (PM)



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