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Nachricht vom 04.05.2010    

Ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen

Zum Gedenken an die ehemaligen jüdischen Mitbürger in Betzdorf wurde nun ein Teil der Eberhardystraße in "Ruth-Tobias-Weg" umbenannt. Er trägt den Namen eines jungen Mädchens, das mit ihrer Mutter 1942 nach Auschwitz deportiert wurde. In einer Feierstunde, die von Schülern des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums gestaltet wurde, erinnerte man an das grausame Schicksal der jüdischen Bevölkerung an der Sieg.

Betzdorf. Nachdenklich stimmte die Feierstunde zur Einweihung des "Ruth-Tobias-Weges" im Betzdorfer Rathaus. Das "unendliche Leid", wie es Marion Pfeiffer, Fraktionssprecherin der Grünen im Stadtrat, nannte, der jüdischen Bevölkerung zur Zeit der NS-Diktatur wurde den Zuhörern noch einmal vor Augen geführt. Doch mehr noch machte sie Hoffnung, dass auch die Schattenseiten der deutschen Geschichte lebendig gehalten, kommende Generationen an die Leidensgeschichte der Opfer des nationalsozialistischen Regimes erinnert werden. Der "Ruth-Tobias-Weg", ein ehemaliger Teil der Eberhardystraße, erstreckt sich nun zwischen den Betzdorfer Verkehrsadern Steinerother Straße und der Eberhardystraße. Ein neues Straßenschild, das von den Schülern nach der Feierstunde enthüllt wurde, verweist auf den etwa 150 Meter langen Weg. "Geb. 1931 in Betzdorf, ermordet 1942 in Auschwitz" steht unter dem Straßennamen auf dem Schild geschrieben. Es ist ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen.
Pfeifer betonte, die Benennung des "Ruth-Tobias-Weges" sei ein weiterer Baustein, die Erinnerung zu bewahren. Es werde immer schwieriger, die Geschichte lebendig zu halten, immer weniger Zeitzeugen können von damals berichten. Sie sei dankbar, dass der Stadtrat auf Antrag von Bündnis 90/Die Grünen diese Entscheidung getroffen habe. Denn es bestehe "Einigkeit, dass diese Verbrechen nie vergessen werden dürfen." Daher seien alle zum Handeln aufgerufen.
In der Feierstunde erinnerten die Schüler des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums an das Leben von Ruth Tobias und das Schicksal der jüdischen Bevölkerung an der Sieg. Gemeinsam mit ihren Lehrern, Studienrat Hanns Göbel und Pfarrer Martin Haßler, hatten sie die Lebensgeschichte des jüdischen Mädchens aufgearbeitet, das nur elf Jahre alt wurde. Anhand der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland demonstrierten Schüler der Klasse 10 C1, was Ruth Tobias alles hätte erleben können. Den Gewinn der Weltmeisterschaft 1954, den Trubel um die Jahrtausendwende oder die Wahl von Angela Merkel zur ersten Bundeskanzlerin sprachen sie an. Bürgermeister Bernd Brato fand lobende Worte für die intensive Aufarbeitung der Vergangenheit und lud dazu ein, die tiefsinnigen Bilder im Ratssaal auf sich wirken zu lassen. Hier präsentierte der Grundkurs "Kunst" der Jahrgangsstufe 11 eine Bilderausstellung zum Leben von Ruth Tobias. Die Bilder sollen zum Ausdruck bringen, dass das Mädchen "kein lebenswertes Leben" hatte, ihr Alltag von Unsicherheit und Angst begleitet wurde, hieß es. So sind die Bilder in dunklen, tristen Farbtönen gehalten. Sie sollen den Betrachter ermahnen und an das Leid der jüdischen Bevölkerung erinnern.
Dennis Strangfeld, Tim Kohlhas und Felix Ebener stellten in ihrem Vortrag den Lebensweg von Ruth Tobias vor, den der Betzdorfer Geschichtsverein bei seinen Recherchen in Erfahrung gebracht hat. Sie wurde am 18. Oktober 1931 in Betzdorf geboren und wohnte als Tochter von Betty und Moses Tobias in der Siegstraße 23. 1934 wurde das Ehepaar rechtskräftig geschieden. Mit ihrer Mutter zog Ruth nach Traben-Trarbach und verbrachte ihre Kindheit an der Mosel. Von dort aus wurde sie 1942 zusammen mit ihrer Mutter ins Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert. Offiziell wird sie heute in den Akten als verschollen geführt. Es liegt jedoch nahe, dass in diesem Vernichtungslager ihr junges Leben jäh beendet wurde. Von ihrem Aufenthalt in Betzdorf zeugt eine Karteikarte des Betzdorfer Standesamtes. Zudem ist vermerkt, dass sie 1940 noch einmal in Betzdorf gewesen sein muss und von dort nach Offenbach/Main verreiste. Wahrscheinlich, um sich von ihrer Familie zu verabschieden. Von ihrem Vater ist bekannt, dass er 1940 das jüdische Umschulungslager Schönefelde bei Fürstenwalde/Spree besuchte. Am 2. März 1943 wurde auch er von Berlin nach Auschwitz deportiert. Die Familie Tobias ist den Verbrechen der Nazis zum Opfer gefallen. Während der Veranstaltung sagte eine Schülerin: "Wir konnten niemanden einladen, die Familie Tobias gibt es nicht mehr." (Thorben Burbach)



Hintergrund
Der Betzdorfer Geschichtsverein setzt sich seit einiger Zeit mit dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung in Betzdorf auseinander. Nach Angaben von Ernst-Helmut Zöllner, 1. Vorsitzender des Betzdorfer Geschichtsvereins, lebten Anfang der 1930er Jahre etwa 20 Familien und mehr als 40 jüdische Mitbürger in Betzdorf. Durch den Boykott jüdischer Geschäfte und die zunehmende Entrechtung verließen viele jüdische Einwohner die Stadt an der Sieg. So sind ehemalige Juden aus Betzdorf nicht direkt von dort, sondern über andere Städte in die Vernichtungslager deportiert worden. 1939 lebten bereits keine Juden mehr in Betzdorf. Moses Tobias, der Vater von Ruth Tobias, sei der letzte Jude gewesen, der Betzdorf verlassen habe, sagte Zöllner dem Ak-Kurier. Nachweislich sind 21 Juden, die in Betzdorf geboren sind oder dort gewohnt haben, von den Nationalsozialisten ermordet worden. Ein Teil sei nach Übersee emigriert und habe überlebt. Andere, deren Verbleib bis heute nicht geklärt ist, wurden wohl ebenfalls in den Vernichtungslagern ermordet. Im Gedenkbuch des Bundesarchivs "Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945" sind die Opfer der Nazi-Diktatur aufgeführt. Der Betzdorfer Geschichtsverein beschäftigt sich im vierten Band der Betzdorfer Geschichte(n) "Nicht Vergessen. Opfer von Krieg und Gewalt aus dem Amt Betzdorf" mit dieser Thematik. (tb)
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Die Schüler enthüllten das neue Ortsschild zum "Ruth-Tobias-Weg". Fotos: Thorben Burbach


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