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Nachricht vom 05.11.2019    

Altenkirchener Kreistag: Medizinerstipendien sollen Ärzte locken

Sehr viel Diskussionsbedarf: Der Altenkirchener Kreistag entwickelte in seiner jüngsten Sitzung über fast viereinhalb Stunden am Montagnachmittag (4. November) bei einigen Tagungsordnungspunkten einen großen Redefluss, der bei den sich anschließenden Abstimmungen nicht immer in Einmütigkeit mündete.

Der Kreis bietet nunmehr zwei Medizinerstipendien an. Sie sind ein weiterer Baustein in den Bemühungen, Ärzte für die Region zu gewinnen. (Symbolbild: Alterio Felines/Pixabay

Kreis Altenkirchen. Da war Sitzfleisch gefordert. Fast viereinhalb Stunden quälte sich der Altenkirchener Kreistag durch die 13 Punkte umfassende Tagesordnung bei immer dünner werdender Besetzung. Unter dem Strich lagen die Standpunkte am Montagnachmittag teils weit auseinander, was sich in Abstimmungen widerspiegelte, die sich jenseits der Einstimmigkeit bewegten.

Zunächst lief alles glatt
Beginnen wir mit den Dingen, die das Gremium ohne Gegenstimme passierten: Eine Satzung über den Verdienstausfall für ehrenamtliche Feuerwehrangehörige, die nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen wie beispielsweise Selbstständige, Freiberufler und Land- oder Forstwirte, trat rückwirkend zum 1. Juli in Kraft. Sie ersetzt die bislang jeweils praktizierten Einzelfallentscheidungen. Als Entschädigung wird ein Regelstundensatz von 40 Euro gewährt. Der Kreis bietet nunmehr zwei Medizinerstipendien an. Sie sind ein weiterer Baustein in den Bemühungen, Ärzte für die Region zu gewinnen. Geplant ist, die Stipendiaten in den ersten vier Semestern des Studiums bis zum Physikum mit einem Betrag von monatlich 700 Euro zu fördern. Nach erfolgreichem Ableisten des ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung erhöht sich der Betrag auf 900 Euro pro Monat. Die Förderung kann für sechs Jahre gewährt werden. Der "Empfänger" verpflichtet sich im Gegenzug, die Facharztausbildung in Allgemeinmedizin nach Abschluss des Studiums im AK-Land zu absolvieren und nach erfolgreicher Weiterbildung zum Allgemeinmediziner für zehn Jahre in der Region als angestellter oder niedergelassener Arzt tätig zu werden. Wer in den Genuss des Bafög-unabhängigen Zubrotes kommen will, sollte entweder im Kreis geboren, zwischen Willroth und Niederschelderhütte zur Schule gegangen sein oder seinen aktuellen Wohnsitz im Land an Sieg und Wied haben. Und noch einmal Gesundheit: Der Kreis beteiligt sich an der "Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck", zu der auch die Kreise Siegen-Wittgenstein und Lahn-Dill zählen. Hintergrund ist erneut die Problematik bei der Verpflichtung von Medizinern fürs "flache Land". Geplant ist eine gemeinsame Versorgungsallianz der drei Kreise mit Unterstützung der drei Länder (Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz). Schon bestehende Projekte und Kommunen wollen sich vernetzen und vom gegenseitigen Austausch profitieren. Ein solches telemedizinisches Projekt läuft bereits seit Sommer im Kreis mit dem Titel "Delegation und Digitalisierung - Die nichtärztlichen Praxisassistentinnen".

Thema wieder im Kreisausschuss
"Der Verkauf von Grundstücken am Krankenhausstandort Kirchen" (DRK-Trägergesellschaft Süd-West ist noch Erbbauberechtigter der kreiseigenen Grundstücke bis zum Jahr 2102) ließ dann die Einigkeit nur noch aus der Ferne grüßen. Der Antrag der CDU, das Thema wegen neu aufgekommener Fragen in den Kreisausschuss zurückzuverweisen (der Kreisausschuss hatte einstimmig dem Vorhaben zugestimmt), erzürnte einige Gemüter. Die SPD, die sich vehement gegen den Plan der Christdemokraten wandte, wollte Dr. Josef Rosenbauer als CDU-Fraktionsvorsitzenden gar von der Beratung dieses Punktes ausgeschlossen wissen, weil die Genossen Rosenbauer aufgrund dessen Tätigkeit (Geschäftsführer der Diakonie Südwestfalen) einen Interessenkonflikt vorwarfen. Nach knapp einstündiger Beratung hinter verschlossener Tür inklusive geheimer Abstimmung (28 gegen Ausschluss, 12 für Ausschluss und 1 Enthaltung) blieb Rosenbauer im Spiel, der sich schließlich über eine deutliche Mehrheit (24:14), die sich für die erneute Beratung im Kreisausschuss ausgesprochen hatte, freuen konnte. Zuvor hatte Heijo Höfer (SPD) "keine vernünftigen Gründe für eine Zurückstellung" ausgemacht, während Anna Neuhof (Bündnisgrüne) ein "bisschen mehr Respekt vor den Beschlüssen des Kreisausschusses eingefordert" und beschrieben hatte, wie gut es sei, über 450.000 Euro mehr zu verfügen. Frank Rüther (AfD) führte an, dass noch einige "Bausteine erörterungsbedürftig" seien. Auch Hubert Wagner (FWG) hatte "neue Argumente" gegenüber der Sitzung des Kreisausschusses ausgemacht, alle Sachen könnten noch einmal gegeneinander abgewogen werden. Höfer indes ging in seinem finalen Statement mit den Mitgliedern der anderen Fraktionen hart in Gericht, weil das Geld aus dem Geschäft vorerst nicht in die Kreiskasse fließt: "Sie haben das Haushaltskonsolidierungskonzept, das seit Wochen vorliegt, nicht gelesen."

Jahresverlust aus Rücklage ausgeglichen
Nach einem Dahingleiten in etwas ruhigerem Fahrwasser mit einstimmigen Beschlüssen für die Errichtung einer Schwachgasbehandlungsanlage auf der ehemaligen Hausmülldeponie in Nauroth (den Auftrag erhielt die Firma BMF Haase GmbH aus Neumünster für rund 262.192 Euro), den Jahresverlust 2018 in Höhe von rund 772.888 Euro des Abfallwirtschaftsbetriebes aus der allgemeinen Rücklage zu decken (kein operativer Verlust, sondern er beruht ursächlich auf den für die Deponierückstellungen vorzunehmenden Zinsoperationen) und der Anerkennung des Abfallwirtschaftskonzeptes des Kreises für die Jahre 2019 bis 2023 schlugen die Wellen wieder höher. Die SPD wertete die Gegenüberstellung zwischen an Privatfirmen vergebene und unter kommunaler Aufsicht geführte Abfallsammlungen, wie sie Ulrich Schmidt von der Firma Schmidt/Bechtle (Herdecke) vorgestellt hatte, als nicht "erfüllten Auftrag". Bernd Becker (SPD) merkte an, dass er eigentlich nicht die Sammelverkehre allein, sondern eine zu prüfende Option, eigene Abfallbehandlungs- und Abfallverwertungsanlagen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Kommunen zu betreiben, im Auge gehabt habe. "Nicht nur der Kosten wegen, sondern auch, um das Heft des Handelns beim Klimaschutz in der Hand zu haben", betonte er.



Vergleich spricht deutliche Sprache
Aus dem von Schmidt vorlegten Vergleich gingen die an private Firmen vergebenen Sammelaufträge als klare Sieger hervor. 3,22 Millionen Euro pro Jahr standen knapp über 4 Millionen Euro gegenüber. Dabei fiel als besonders negativ auf, dass der Kreis derzeit über kein geeignetes Grundstück verfügt und zunächst in die komplette Infrastruktur wie Sammelfahrzeuge investieren müsste. Der Antrag der SPD, den Beschlussvorschlag neu zu formulieren und auch weitere Prüffelder zu definieren und zu verankern, wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, so dass der Kreistag das "Ergebnis der Prüfung von Handlungsmöglichkeiten im Bereich der Abfallsammlung zur Kenntnis nahm und vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung beschloss, die Kommunalisierung der Abfallwirtschaft zurzeit nicht weiter zu verfolgen", wobei, so formulierte es Landrat Dr. Peter Enders, fortlaufende Evaluierungen nicht ausgeschlossen sind. Klar gescheitert war zudem der Versuch der Linken-Fraktion, das Thema in den Werkausschuss rück zu überweisen. Als eine der Gründe hatte Udo Quarz dargelegt, dass die im Gutachten gemachten Angaben zu unkonkret und nur mit pauschalen Zahlenangaben versehen seien, "die wir nicht nach vollziehen können".

Für die vorgelegten Obergrenzen
Nach intensiver und konträrer Diskussion gab der Kreistag mehrheitlich grünes Licht für das "schlüssige Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten nach den Sozialgesetzbüchern II und XII" - ein Thema, das laut Enders "beträchtlichen sozialpolitischen Sprengstoff enthält". Ab dem 1. Januar 2020 werden diese Obergrenzen als abstrakt angemessen anerkannt - 1-Personen-Haushalt 370 Euro, 2-Personen-Haushalt 430, 3-Personen-Haushalt 520, 4-Personen-Haushalt 540 (VGs Altenkirchen, Flammersfeld, Hamm) bzw. 560 (VGs Betzdorf-Gebhardshain, Daaden-Herdorf, Kirchen, Wissen) und 5-Personen-Haushalt 650 bzw. 660 (siehe vorstehende Gebietsunterteilung). Dr. Dominik Düber (Die Linke) trat vehement für eine deutliche Erhöhung dieser Obergrenzen ein, meinte, dass ein eklatanter Mangel an Wohnungen für 1- bis 2-Personen-Haushalte im Kreis herrsche. Er musste sich von Heiner Kölzer, dem Geschäftsführer des Job-Centers im Kreis Altenkirchen, aber belehren lassen, nicht aktuelle Zahlen für die Darstellung des Wohnungsangebotes im AK-Land verwendet zu haben. Neuhof möchte ständige Überprüfungen, ob "die Zahlen dem Status quo entsprechen oder an die Situation angeglichen werden müssen". Ein "hoch sensibles Thema" befand Rüther, "bei dem Menschen im Mittelpunkt stehen." Es sei eine Dynamik im Prozess, der ständig begleitet werden müsse. Für die FDP stellte Udo Piske fest, dass es im Kreis Altenkirchen - zumindest im Raum Betzdorf- seines Erachtens nach keinen Wohnungsnotstand gebe. "Im Konzept der Firma Empirica, das uns vorliegt, ist nur die Angebots- und nicht die Nachfrageseite berücksichtigt", kritisierte Andreas Hundhausen als SPD-Fraktionssprecher. Auf den Einwand Dübers, dass Sozialgerichte solche Konzepte bereits gekippt hätten, entgegnete Kölzer: "Wir glauben, dass es einer Überprüfung standhält."

Keine Nauberg-Resulotion
Der Kreistag wird sich nicht in einer Resolution zum weiteren geplanten Basaltabbau am Nauberg bei Nister äußern, denn 18 Mitglieder stimmten gegen ein solches Vorgehen, 8 dafür und 5 enthielten sich. Enders hatte diesen Vorschlag gemacht, gleichzeitig darauf verwiesen, dass ein Kreistag (auch nicht der im Westerwaldkreis) zuständig sei. Die Landesregierung habe dieses Thema seit 18 Jahren nicht entschieden, meinte er. Es gelte, den Schutz von Naturwäldern und die Beschaffung von Material für die heimische Straßenbauindustrie unter einen Hut zu bringen. Für Becker war der Sachverhalt kein Thema für eine Resolution, während Neuhof anführte, dass der Kreistag sich zu jedem Thema äußern könne. Piske warnte davor, sich von der Naturschutzinitiative (NI), die im Westerwaldkreis zu Hause ist, vortreiben zu lassen. (hak)



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