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Nachricht vom 28.05.2010    

Auf den Spuren des Schicksals der Großeltern in Betzdorf

Saul und Fanny Hausmann lebten vor mehr als 70 Jahren mitten in Betzdorf und ihre Kinder wuchsen hier auf. Die Enkelinnen Ruti Zurel aus Jerusalem/Israel und Ilana Den aus Sidney/Australien kamen für einen Tag in die Region Betzdorf und Siegen. Die tragische Geschichte der ehemaligen jüdischen Mitbürger hat der Vorsitzende des Betzdorfer Geschichtsvereins, Ernst-Helmut Zöllner recherchiert, der die beiden Frauen auf der Spurensuche durch Betzdorf führte.

Betzdorf. "Geliebte Kinder, verreisen Ende Juli nach Theresienstadt. Lebt wohl, hoffen auf ein Wiedersehen mit Euch. Stets in großer Liebe denken an Euch. Euere treuliebenden Eltern. 23. Juli 1942". Diese 24 Worte sind das letzte Lebenszeichen von Saul Hausmann und seiner Frau Fanny, die in Betzdorf bis 1937 ein Schuhgeschäft betrieben. Sie gaben es aufgrund der Repressalien der Nazis gegen jüdische Bürger auf und verzogen nach Siegen. 1942 erfolgte dann die Deportation nach Theresienstadt, in Auschwitz verliert sich die Spur. Die Enkeltochter Saul Hausmanns, Ruti Zurel aus Jerusalem, las diesen letzten Brief des Großvaters bei der Spurensuche in Betzdorf vor.
Zu Gast in Betzdorf sind am Freitagmorgen die beiden Enkeltöchter von Saul und Fanny Hausmann, die einst das Schuhgeschäft Fortuna betrieben. Zuerst befand sich das Schuhgeschäft in der Poststraße (heute Dezicer Straße), gegenüber der heutigen Sparkasse. 1931 wechselte die Familie Hausmann in die stärker frequentierte Bahnhofstraße und eröffnete dort ein größeres Schuhgeschäft mit gleichem Namen. Saul und Fanny Hausmann mit den Kindern Benjamin (Benno), Amalia (Mali) und Leonhard (Leo) zogen von Siegen in das neue Geschäftshaus nach Betzdorf in die Bahnhofstraße 5.
Im Februar 1937 gaben die Hausmanns das Geschäft auf, der Nazi-Terror gegen die jüdische Bevölkerung wurde unerträglich. Die Kinder verzogen zum Teil innerhalb Deutschlands, flohen schließlich nach Palästina (Benno und Mali) und nach Australien, wo sie überlebten. Fanny und Saul Hausmann gelang dies nicht.
Benno Hausmann (er starb 1999 in Jerusalem) hatte zwei Kinder, Daniel und Ruti. Der jüngste Sohn Leonhard (ebenfalls verstorben) ging nach Australien, seine Tochter ist Ilana Den. Die Tochter Amalia lebt heute in Israel.
Ernst Helmut Zöllner, Vorsitzender des Betzdorf Geschichtsvereins (BGV), hat die Daten und die Geschichte der Familie Hausmann recherchiert. Er empfing die beiden Cousinen am Freitagmorgen vor dem ehemaligen Schuhgeschäft Fortuna in der Bahnhofstraße. Außer dass das Haus zurzeit wunderschön restauriert wird hat sich äußerlich nichts verändert. Auch das erste Schuhgeschäft der Hausmanns gegenüber der Sparkasse ist schnell gefunden, der BGV hat ein hervorragendes Archiv. Der Rundbogen am alten Gebäude ist gut zu erkennen, wenn auch mittlerweile andere Geschäfte hier Einzug hielten. Zöllner und Mitglieder des BGVs führten die beiden Frauen auch zum letzten Wohnhaus der Familie ins Rainchen und zur alten Friedhofskapelle auf den Friedhof. Im dortigen Gedenkbuch wird an die Opfer von Krieg und Gewalt erinnert, auch an Fanny und Saul Hausmann.
Für Zöllner ist es ein großes Anliegen, die Geschichte der Opfer Nazideutschlands auch in Betzdorf mit Gesichtern und Geschichten zu versehen. Ruti Zurel hatte zum Termin in Betzdorf den letzten Brief und ein Foto der Großeltern mitgebracht, für den BGV gab es davon eine Kopie.
Für die Tochter von Leonhard Hausmann, Ilana Den, aus Sidney/Australien ist es der erste Besuch in Deutschland. Die 47-jährige ist schweigsam, sie fotografiert und lässt sich hin und wieder von ihrer Cousine die Ausführungen Zöllners ins Hebräische übersetzen. Sie spricht sehr wenig deutsch. Ruti Zurel spricht perfekt deutsch, sie wohnt in Jerusalem. Die 60-jährige hat Deutschland bereits besucht, sie war in Kassel und hat dort nach der jüdischen Vergangenheit ihrer Mutter gesucht. Der Tag in Betzdorf und Siegen führte die beide Cousinen zusammen.
Vom Museum "Aktives Südwestfalen" war Traute Fries nach Betzdorf gekommen und sie begleitete die beiden Frauen in Siegen auf den Spuren der Großeltern. Da es am Freitagmorgen wegen einer Zugverbindung Probleme gab, konnte Bürgermeister Bernd Brato die Gäste aus Zeitgründen nicht empfangen. Zöllner schlüpfte schnell in die Rolle des Beigeordneten der Stadt Betzdorf und sprach das herzliche Willkommen aus und überreichte jeweils ein Gastgeschenk der Stadt Betzdorf und des BGV. Ein Besuch, der nicht ohne Emotionen ist, dies wird deutlich. Die beiden Frauen wandeln in der Stadt, wo die Großeltern einst lebten, ihre Väter groß wurden, bevor der Nazi-Terror brutal zuschlug. (hw)
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Ilana Den aus Sidney und Ruti Zurel aus Jerusalem (von rechts) fanden die Spuren ihrer Großeltern in Betzdorf. Wertvolle Hilfe leistete Ernst-Helmut Zöllner vom BGV. Fotos: Helga Wienand, Archivfotos BFV (2)



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