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Nachricht vom 16.12.2019    

„Auch der ländliche Raum bedarf der Kultur und Kulturförderung“

Ein Minus von rund 19.000 Euro: So präsentiert sich die Bilanz, die das Kultur-/Jugendkulturbüro Haus Felsenkeller aus Altenkirchen nach dem ersten Westerwood-Open-Air-Festival in Heimborn dem Hauptausschuss der Verbandsgemeinde Altenkirchen mit dem Wunsch auf Reduzierung vorlegte, der aber nicht erfüllt wurde und auf dem es möglicherweise nunmehr sitzen bleibt. Wie Kultur rund um die Kreisstadt funktioniert und finanziert wird, legte Felsenkeller-Organisator Helmut Nöllgen in einem Interview dar, auch, um Hintergrundinformationen zu verdeutlichen.

Gastierten auf Initiative des Kultur-/Jugendkulturbüros Haus Felsenkeller schon zweimal in Altenkirchen: "The Spirit of Falco" mit Hans-Peter Gill und Band. (Foto: hak)

Altenkirchen. Das Gespräch im Wortlaut:

Was ist das Kultur-/Jugendkulturbüro Haus Felsenkeller?
Das Kultur-/Jugendkulturbüro Haus Felsenkeller ist weder eine städtische noch eine Einrichtung der VG Altenkirchen, da weder die Stadt noch die VG eine eigene Kulturabteilung vorhalten. Das Kulturbüro ist die seit einigen Jahren eigenständige Kulturabteilung des Mutterhauses Haus Felsenkeller. In der Heimstraße befindet sich der Bereich Bildung, das Tagungshaus mit Kursprogramm, in der Innenstadt (Marktstraße) die Kulturabteilung mit ihren unterschiedlichen Projekten. Beide Vereine sind zwei selbstständig wirtschaftende Betriebe, gehören dem Verbund der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur an und bilden das einzige soziokulturelle Zentrum im nördlichen Rheinland-Pfalz in ländlicher Struktur. Beide Abteilungen werden genauestens vom Land, der ADD, der VG, dem Finanzamt und einem Steuerbüro geprüft. Gefördert werden wir vom Land Rheinland-Pfalz und von der Verbandsgemeinde Altenkirchen, wobei die Kulturabteilung in jedem Jahr Anträge für diese Zuschüsse stellen muss, da wir keine institutionelle Förderung erhalten.

Muss denn Kultur öffentlich gefördert werden?
Der Umstand, dass Kultur öffentlicher Förderung bedarf, sollte landläufig bekannt sein, und dennoch muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass damit nicht ausschließlich eine Subventionierung wie beispielsweise der Staats- und Landestheater gemeint sein darf, die jährlich gleich mehrere Millionen an öffentlicher Förderung bedürfen, sondern gleichwohl auch der ländliche Raum der Kultur und der Kulturförderung bedarf und sich dies finanziell in völlig anderen Sphären abspielt.

Wann werden die Veranstaltungen geplant?
Das Kulturprogramm und auch das Programm für das alle zwei Jahre stattfindende Spiegelzelt werden bereits weit im voraus geplant, Künstler gebucht und dazugehörige Budgets aufgestellt. Bei vielen Künstlern ist es darüber hinaus gängige Praxis, schon lange vor der Veranstaltung Teile der Gage zu erhalten. Dies führt zu einem in Veröffentlichungen kritisierten Umstand. Der Hauptausschuss der VG hat kritisiert, dass bereits im Vorfeld mit einer gewissen Förderung für das Westerwood-Festival unsererseits gerechnet wurde. Dies ist aber wie bereits aufgezeigt übliche Praxis, da Budgets mit einem gewissen Vorlauf aufgestellt werden müssen, ohne letztlich die Förderungen tatsächlich bereits zu kennen.

Wie hoch sind die Gesamtkosten?
Ein normales Jahr ohne Spiegelzelt umfasst einen Haushalt von über 250.000 Euro, welcher zu über der Hälfte von uns erwirtschaftet werden muss. Das ist ein in besonderem Maße dadurch sportliches Unterfangen, da wir weder eine eigene Location bespielen können, noch rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten unser Programm gestalten wollen und dürfen, um unserem eigenen und dem vom Land Rheinland-Pfalz definierten soziokulturellen Anspruch weiterhin gerecht zu werden und ein breites Spektrum von 20 bis 25 Kulturveranstaltungen unserem Publikum präsentieren zu wollen. Diese Menge an Veranstaltungen macht uns darüber hinaus auch zum mit Abstand größten Mieter der Stadthalle Altenkirchen, und wir sorgen somit für eine deutliche Steigerung der Attraktivität dieser Halle. Auch wenn wir einen gewissen Teil der aufzubringenden Mietkosten als von der VG beauftragter Veranstalter für die Kultur in der Region erstattet bekommen, summieren sich diese Mietkosten auf einige Tausend Euro, die wir über Eintrittsgelder und Sponsoring erwirtschaften müssen.

Gibt es weitere Geldgeber?
Neben der Verbandsgemeinde ist die Stadt Altenkirchen ein weiterer Partner und Zuschussgeber. Für die Summe von 18.000 Euro veranstalten wir für die Kreisstadt sechs Veranstaltungen pro Jahr, was einer Summe von genau 3000 Euro pro Veranstaltung entspricht. Wenn man an dieser Stelle die verschiedenen Kostenstellen einer Veranstaltung nur überblicksartig nennt, wie Künstlergagen, die den Zuschuss zumeist bereits übersteigen, Kosten für die gesamte Veranstaltungstechnik, wie Licht und Ton, Übernachtungskosten der Künstler, GEMA, Künstlersozialkasse und unsere anteiligen Betriebskosten, liegt das Budget eines solchen Abends schnell bei 10.000 Euro und mehr. Möchten wir bekannte Künstler wie Walter Sittler, Reinhold Beckmann oder Randy Hansen, die wir in den vergangenen Jahren bereits in Altenkirchen zu Gast hatten, präsentieren können, steigen die Kosten und Risiken weiter. Denn alles, was den Zuschuss von 3000 Euro übersteigt, ist ein Risiko, welches die Felsenkeller-Kultur seit nunmehr Jahrzehnten eingeht, um im ländlichen Raum Kultur und gleichzeitig den ein oder anderen großen Namen zeigen zu können.



Wie ist die Zuschauerresonanz?
Bei Veranstaltungen, die in 2017 nicht von uns federführend, sondern vielmehr mit von der Stadt ausgewählten Künstlern stattfanden, welche teils deutlich bei Gagen jenseits der 10.000 Euro lagen, waren wir zu diesem Risiko nicht bereit und haben mit der Stadt eine Vereinbarung über einen Defizitausgleich getroffen. Leider ist der Fall letztlich bei dem tollen, aber viel zu gering besuchten Musicalabend Chaplin eingetreten, und wir mussten diesen Ausgleich in Anspruch nehmen. Wobei auch nicht unerwähnt bleiben sollte, dass im Verhältnis zu Einwohnerzahlen eigentlich alle unsere Veranstaltungen überdurchschnittlich besucht sind. Dies gilt im besonderen Maße natürlich alle zwei Jahre für das Spiegelzelt, einem wohl einzigartigen Projekt abseits der Metropolen. 4000 bis 5000 Zuschauer pro Auflage sprechen eine sehr deutliche Sprache und sind Indikator einer Erfolgsgeschichte seit 2001. Auch hier sollte nicht unerwähnt bleiben, dass neben dem bereits erwähnten normalen Kulturhaushalt nochmal ein weiterer Haushaltsposten von 280.000 Euro hinzukommt, was zusammen über eine halbe Million Euro macht. Den Spiegelzelthaushalt stemmen wir sogar zu 70 Prozent eigenerwirtschaftet. Eine enorme Summe, die wir selbstverständlich u.a. nur dank der tatkräftigen Unterstützung unserer tollen Sponsoren zu leisten im Stande sind.

Das Westerwood-Festival schloss mit einem Minus von rund 19.000 Euro ab. Und nun?
Das Westerwood-Festival war für das Kulturbüro eine finanzielle Katastrophe. Seit vielen Jahren kam aus der Politik auf allen Ebenen der Wunsch, die Verbandsgemeinden Altenkirchen und Hachenburg mittels einer Kooperationsveranstaltung für ein gemeinsames Projekt zusammenzubringen. Diesem Bestreben sind wir mit der Ausrichtung des Festivals zum 50. Geburtstag von Woodstock nachgekommen. Ein für uns hervorragender Anlass für ein solches Zusammenkommen. Leider war die Veranstaltung nicht so erfolgreich wie erhofft. Wie bereits erwähnt, werden die Pläne auch auf Einnahmeseite bereits weit im voraus gemacht. So auch hier. Gerade der Umstand, dass wir dem steten Wunsch der Kooperation mit dieser Veranstaltung nachgekommen sind, machte uns sicher, dass von politischer Seite auch finanziell eine entsprechende Unterstützung folgen würde. Dies war leider nur bedingt der Fall. So haben sich beispielsweise die Kreise Altenkirchen und Westerwald nicht beteiligt, der Westerwaldkreis hat sich nicht mal zu unseren Anfragen auf Zuschüsse geäußert. Eine zielführende und den Projekten entsprechende Förderung für die Kultur werden von Kreisseite schon lange verneint, und es wird auf die Freiwilligkeit der Kulturarbeit verwiesen. Das ist ein so für die Bürger auf dem Land wohl nicht akzeptabler Zustand.

Wie lautet Ihre Botschaft an die Politik?
Wir hoffen vor allem auch zum aktuellen Ausgang des Open-Air-Festivals weiterhin auf ein Einlenken der Kommunalpolitik und einer damit einhergehenden Hilfe, sei es auch nur teilweise bei der Bewältigung dieses existenzgefährdenden Minus, damit wir auch nach 35 Jahren weiterhin unsere vielfältige und engagierte Kulturarbeit für die Menschen der Region leisten können. (hak)


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