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Nachricht vom 12.02.2020    

Ärztliche Bereitschaftspraxis in Wissen schließt im Sommer

Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz will im Rahmen einer umfangreichen Reform des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Rheinland-Pfalz die ärztliche Bereitschaftspraxis in Wissen zum 1. Juli schließen. Landrat und Bürgermeister wurden von der Entscheidung überrumpelt und rufen zum Protest auf.

(Symbolbild: Pixabay)

Wissen. Die Gründe für die Schließung der Bereitschaftsdienstzentrale (BDZ): Die Einrichtung arbeite defizitär, durchschnittlich würden zwei Patienten stündlich behandelt. Verpackt wird die Schließung von landesweit vier BDZs (neben Wissen auch in Ingelheim, Kirn und Rockenhausen) in einer Pressemitteilung der KV mit Begriffen wie „Bereitschaftsdienstreform 2020“, „Optimierungspotenzial“ und „Integration in benachbarte BDZs“.

„Vor dem Hintergrund, dass die von den Krankenkassen für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zur Verfügung gestellten Mittel nicht kostendeckend sind, muss das Defizit von den rheinland-pfälzischen Ärztinnen und Ärzten selbst finanziert werden“, so die KV in ihrer Mitteilung. „Eine weitere Erhöhung der finanziellen Belastungen würde die Attraktivität einer ärztlichen Tätigkeit in Rheinland-Pfalz verschlechtern und den Ärztemangel im Land erhöhen.“ Die letzte regelhafte Überprüfung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes habe im Dezember 2019 und Januar 2020 stattgefunden – und offenbar ergeben, dass sich die Weiterführung der Praxis in Wissen nicht lohnt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollen Jobangebote in den benachbarten BDZ erhalten. Im Kreis Altenkirchen gibt es neben Wissen noch Bereitschaftspraxen in Kirchen und Altenkirchen, die außerhalb der Praxisöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte die medizinische Versorgung übernehmen.

Landrat und Wissener Bürgermeister fordern Notfallplan
Landrat Dr. Peter Enders, Wissens Bürgermeister Michael Wagener und Stadtbürgermeister Berno Neuhoff, sehen die Zukunftsfähigkeit der hausärztlichen Versorgung in der Verbandsgemeinde Wissen erheblich geschwächt, nachdem sie durch Mitarbeiter der KV in Altenkirchen über die Entscheidung informiert wurden.

„Im Hinterzimmer wurde über die Köpfe von Patienten und Hausärzten vor Ort hinweg einfach durch den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung in Mainz eine Entscheidung getroffen. Allerdings war die Entscheidung offenbar von langer Hand geplant, um sie dann Kommunalpolitikern und niedergelassen Hausärzten, die Mitgliedsbeiträge an die KV zahlen und über eine Umlage die BDZ mitfinanzieren, unter dem Deckmantel der Wirtschaftlichkeit zu verkaufen. Das geht klar zu Lasten der Gesundheitsversorgung der Menschen an Wochenenden, Feier- und Brückentagen und missachtet die niedergelassenen Hausärzte, von denen bereits heute viele mit einem Aufnahmestopp arbeiten müssen“, erklären Enders, Wagener und Neuhoff unisono mit dem Obmann der Kreisärzteschaft, Dr. Michael Theis aus Wissen. Unterstützung kommt auch von Dietmar Henrich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hamm, deren Bevölkerung die Wissener BDZ aufgrund der räumlichen Nähe ebenfalls zum großen Teil nutzt.

„Kalt erwischt“
Wie „eiskalt“ diese Entscheidung auf dem Rücken der Patienten von der KV vorbereitet wurde, zeigt, wie der Landrat und die beiden Bürgermeister aus Wissen informiert wurden. Die KV bat um ein „wichtiges Gespräch“, worum es gehen sollte, dazu hüllte man sich in Schweigen – bis Dienstagvormittag. Zeitgleich wurden die niedergelassenen Ärzte per Post und auch die Medien von der „Hinterzimmer-Entscheidung“ informiert. Man habe sich an „vordemokratische Zeiten“ erinnert gefühlt, in der Sache wie auch im Stil sei die Entscheidung nicht akzeptabel. Man hätte erwartet, dass Verantwortliche des KV-Vorstandes, namentlich der Vorsitzende Dr. Peter Heinz oder sein Stellvertreter Dr. Andreas Bartels „auf kurzem Dienstweg“ informiert hätten. Offenbar sei auch das Mainzer Gesundheitsministerium nicht eingebunden gewesen. Landrat Enders hat noch am Dienstag mit Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler Kontakt aufgenommen und seine Empörung über die Entscheidung selbst sowie die Stillosigkeit der KV dargelegt. Auch die Ministerin sei überrascht gewesen. Enders spricht von einem „eklatanten Verstoß gegen den Sicherstellungsauftrag durch die KV“.

Wie geht es weiter? Man ruft nun gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten zum Protest auf, eine Unterschriftenaktion ist der erste Schritt. Entsprechende Listen liegen in den nächsten Tagen bei Ärzten und Apotheken aus. „Nach der Schließung des Krankenhausstandortes Wissen (Innere Abteilung) vor etlichen Jahren erleben wir erneut einen bemerkenswerten Akt, wie man in Mainz – Kassenärztliche Vereinigung und Land – mit den Standorten in der Kreismitte umgeht“, monieren Neuhoff, Wagener und Henrich. Fragen der Wirtschaftlichkeit würden vorgeschoben. Menschlichkeit und kurze Wege im ländlichen Raum lasse die KV als Argumente nicht gelten, auch der fehlende öffentliche Nahverkehr am Wochenende und Überalterung würden nicht berücksichtigt.



Landrat Enders, selbst Mediziner und bis September 2019 Vorsitzender des gesundheitspolitischen Ausschusses des Landtages, macht deutlich, dass es auch nicht an der Verfügbarkeit der Ärzte liegen kann: „Die niedergelassenen Ärzte hier kommen im halben Jahr auf drei bis vier Dienste, rund 80 Prozent der BDZ-Dienste werden von externen Medizinern geleistet“, so der Mediziner. Auch Hausbesuche am Wochenende und die Betreuung der Senioreneinrichtungen in der Verbandsgemeinde würden von hier erledigt.

Kassenärztliche Vereinigung ist gefordert
Dabei ist die BDZ nur eine Baustelle der gesundheitlichen Versorgung in der Verbandsgemeinde Wissen: Bereits im Januar haben Wagener und Neuhoff mit örtlichen Ärzten und der KV zusammen gesessen, um ein Notfallmanagement auf den Weg zu bringen, damit es bei Ausfall eines weiteren Hausarztes am Standort Wissen nicht zu ähnlichen „Verhältnissen“ wie vor Monaten in Betzdorf kommt. Hier hatte die KV erst gehandelt, als „das Kind bereits im Brunnen lag“. Unter Vorsitz von Landrat Enders, so Berno Neuhoff, soll es nun kurzfristig ein weiteres Treffen „Perspektiven für die medizinische Versorgung im Raum Hamm und Wissen“ geben, mit dabei sollen optimalerweise die Gesundheitsministerin und die KV, allerdings auf Vorstandsebene, sein. Es geht dann darum, nicht nur über die Zukunft der Bereitschaftsdienstzentrale zu reden, sondern auch eine Notfallplanung für die Arztpraxen im Wisserland und Hamm zu erarbeiten. „Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung liegt alleine bei der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz in Mainz. Sie alleine hält alle Schlüssel in der Hand, um die Notfallversorgung im Raum Wissen und Hamm zu gewährleisten“, so Wagener und Neuhoff. Werde dieser Notfallplan nicht zeitnah vorgelegt, drohe neben dem Versorgungsnotstand vor Ort auch Protest aus der Bevölkerung. Neuhoff: „Ich führe den Protestmarsch selbst mit einer gelben Weste an!“

„Wir müssen einen Plan seitens der Mainzer in der Tasche haben und erwarten zeitnah flexible Lösungen für die Entlastung der noch aktiven Hausärzte, falls in Wissen eine weitere Hausarzt Praxis schließt“, unterstreicht Ärzte-Obmann Michael Theis. Drei Praxen haben in Wissen in den letzten Jahren bereits geschlossen, das haben die Hausärzte vor Ort durch Mehrarbeit aufgefangen. „Schließt eine weitere Praxis, können die Menschen nicht mehr alle hier versorgt werden“, so Berno Neuhoff und Michael Theis. „Hier muss man uns mit unbürokratischen Lösungen helfen und nicht nur stur auf Paragrafen schielen wie die KV in Mainz. Hat beispielsweise ein Hausarzt Urlaub, muss eine Praxisvertretung organisiert werden durch einen Assistenzarzt, so wie es früher auch üblich war.“

Wagener und Neuhoff werten die Teilnahme der KV am ersten Gespräch in Wissen mittlerweile als „Beruhigungspille“, wenn sie nun, wenige Wochen später, die Schließung der BDZ hinnehmen sollen. Die KV verwalte den Mangel, Leidtragende sei die Bevölkerung in der Region, die nicht einfach auf Alternativen in Altenkrichen und Kirchen ausweichen könne. Die Menschen müssten sich dann ab 1. Juli unter der KV-Servicenummer 116117 zentral informieren und einen Termin buchen, wo sie im Westerwald und an der Sieg behandelt werden können. (PM)



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