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Nachricht vom 22.05.2020    

Erstes Fazit: Gastronomie erholt sich kaum von Corona-Krise

Die Gastronomie ist unter Auflagen wieder geöffnet. Das Fazit nach wenigen Tagen fällt ernüchternd aus. Die Umsätze pendeln sich auf niedrigem Niveau ein und reichen so gut wie nicht aus, die Kosten zu decken. Die während des Corona-Lockdown vielfach geäußerte Sympathie von Kunden "Wenn wir wieder in Dein Restaurant kommen können, sind wir da" bleibt auf der Strecke. Ein erstes erschreckendes Fazit wurde am Freitag (22. Mai) in Marienthal gezogen: Die Branche nagt (noch) am Hungertuch.

Gast in Marienthal: Daniela Schmitt hörte sich Sorgen und Nöte heimischer Gastronomen nach der Wiedereröffnung der Betriebe an. (Foto: hak)

Kreis Altenkirchen. Speisen mal außerhalb der eigenen vier Wände ist viele Wochen während des Corona bedingten Stillstands des gesellschaftlichen Lebens nicht möglich gewesen. Seit einigen Tagen ist der Besuch von Restaurants & Co. unter Auflagen wieder erlaubt, aber so richtig kommt die Gastronomie nicht in Fahrt. Heimische Wirte berichteten am Freitagvormittag (22. Mai) in Marienthal in Gegenwart der Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Daniela Schmitt (FDP), und auf Einladung von Uwe Steiniger, DEHOGA-Vorsitzender im Kreis Altenkirchen, von ihren Problemen, Ängsten und Nöten. Der Blick in die Zukunft fiel zudem wahrlich nicht rosig aus.

Hinterfragen der Regeln
"Mit Aufmachen allein ist es nicht getan, es wurde nicht kommuniziert, was an der Basis los ist", sagte Klaus Schäfer vom Hotel-Restaurant Sonnenhof in Weyerbusch, ehe er die Gästezahlen der zurückliegenden Tage Revue passieren ließ. Mit 25 sei lediglich am Himmelfahrtsabend nach einem "sehr guten Sonntag" eine "untere Linie" erreicht worden. Die Besucher fragten immer häufiger, ob das mit den Regeln so sein müsse. Wenigstens springe der Hotelbetrieb langsam wieder an. Harsche Kritik übte er an dem aktuellen Verbot, ein Frühstücksbüffet anbieten zu dürfen. Die Geschäftsführerin der Germania in Wissen, Michaela Halbe, sprach das Problem der Kontrolle an, ob Gäste aus mehr als zwei Haushalten an einem Tisch säßen. "Die Leute sind uneinsichtig", blickte sie auf die Wiederaufnahme des Betriebs zurück. Neben den exorbitant hohen Personalkosten seien Investitionen von rund 2000 Euro in Desinfektionsmittel und -maßnahmen ("Ich kann einen Mitarbeiter abstellen, der nur desinfiziert") erfolgt, bevor überhaupt ein Cent Umsatz erfolgt sei. Geöffnet ist die Germania nur von Freitag bis Sonntag und an Feiertagen. "Von Montag bis Donnerstag lohnt es sich nicht", erklärte sie.

Weniger Bürokratie gefordert
Mit Nachdruck forderte Steiniger als Betreiber der Klostergastronomie in Marienthal, "die Bürokratie einen Schritt zurück zu drehen. Wir dokumentieren uns noch zu Tode, wir wollen lieber für die Gäste da sein. Da müssen wir pragmatischer werden". Für Rainer Orfgen vom Hofcafé und Restaurant Heinzelmännchen in Marienthal ist "die gesamte Situation surreal. Das war für uns alle ein derber Schlag". Ob ein geplantes "Hoflärm"-Konzert für Rockfans über die Bühne gehen kann, werde am 8. Juni entschieden. Vielleicht gebe es eine Veranstaltung mit einem abgespeckten Konzept und mit weniger Bands. Steiniger appellierte an seine Kollegen in dem Seelbacher Ortsteil: "Wir haben die Chance zur Kooperation und haben hier viel Platz. Wir sitzen auf einer Rasierklinge , aber ich blicke hoffnungsfroh nach vorne und möchte den Kopf nicht in den Sand stecken."



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Nur bei 30 bis 40 Prozent
Ein düsteres Bild von der Zukunft malte Axel Schönfelder, der Besitzer der Burg Dattenfeld (inklusive Restauration "Elements of 1619") in Windeck und Betreiber des Steakhouse "Elements of Taste" in Troisdorf. "Die Gastronomie und die Hotelerie werden die Umsätze nicht nachholen können. Die Kosten sind den Umsätzen nicht angemessen", wusste er aus der Praxis. Kein Betrieb sei bei 50 Prozent angelangt, die meisten "liegen zwischen 30 und 40 Prozent". Alle müssten bereit stehen, wüssten aber nicht, was kommt. "In vier bis sechs Wochen ist die Gastronomie kaputt", vermutete Schönfelder, "alle hätten geschrien, dass wir kommen, aber keiner kommt jetzt. Die Vorgaben sind für 60 Prozent der Betriebe nicht umsetzbar. Der Tod der Gastronomie wird die Gastronomie überleben." In anderen Worten: Dort, wo ein Betrieb schließe, werde sich wahrscheinlich ein neuer ansiedeln. Denn die Krise hinterlasse viele Insolvenzen. Für Schönfelder stellt sich die Situation so dar: "Wir Gastronomen werden reduziert auf die Teller."

Perspektiven vonnöten
Schmitt erkannte an, dass "Gastronomie und Hotelerie Perspektiven brauchen", verdeutlichte aber auch, "dass wir lernen müssen, mit den Vorgaben umzugehen, so lange es keinen Impfstoff gibt. Wir müssen lernen, damit zu leben". Sie forderte auf, "gefühlte Solidarität in gelebte Solidarität umzusetzen, Rheinland-Pfalz und seine Gastronomie zu unterstützen und Urlaub in unserem Bundesland zu verbringen". So lasse sich beste Wirtschaftsförderung in der Region mit der Unterstützung der Betriebe vornehmen. In Kürze werde eine Tourismuskampagne "Urlaub in Rheinland-Pfalz" gestartet. Sie kündigte einen "großen Schritt" der Lockerung für die Tourismuswirtschaft für Anfang Juni an, die weitere Öffnung müsse "verantwortungsvoll und bewusst" erfolgen. Denn: "Einen zweiten Lockdown wird die Gesellschaft nur ganz schwer mitmachen." Darüber hinaus betonte sie, dass Regeln mehr akzeptiert werden, wenn sie nachvollziehbar seien. Auch sie favorisierte ein einheitliches Vorgehen über die Ländergrenzen hinweg, wie es zuvor Schäfer bereits angemahnt hatte.

Defizite im Digitalen
Kritik an der Arbeitsweise von Behörden, ebenfalls geäußert, konterte Schmitt mit der Feststellung, dass es eine solche Situation wie Corona noch nie geben habe und die Verwaltungen schlichtweg überrollt worden seien. "Es waren Antworten auf Fragen gefordert, die zuvor noch nie gestellt worden waren", sagte Schmitt und hielt ebenfalls fest: "Defizite im Digitalen sind offenkundig geworden". Ein offenes Ohr hatte sie für die von Oliver Rohrbach, Regionalgeschäftsführer der IHK Koblenz in Altenkirchen, vorgebrachte Forderung nach vier verkaufsoffenen Sonntagen (davon einer im Dezember) pro Jahr. "Die Türen sind nicht so weit zu, wie sie mal waren", machte Schmitt ein wenig Hoffnung auf Anpassung an die vorweihnachtlichen Gegebenheiten in anderen Bundesländern. (hak)



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