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Nachricht vom 04.09.2020    

Französischer Anhänger auf dem Hümmerich weckt Neugier

Aufmerksamen Wanderern im Natur- und Vogelschutzgebiet am Hümmerich ist in den vergangenen Monaten ein sonderbares Gefährt aufgefallen: Offenbar ein Fahrzeuganhänger mit Anbauten auf einer Lichtung stehend. So ein seltsamer Anhänger mitten in der Natur weckt natürlich Neugierde – auch die der BI Hümmerich, und die hat eine Idee, was es mit dem Anhänger auf sich hat.

Dieser Anhänger weckt die Neugierde von Wanderern. (Fotos: privat)

Mittelhof/Gebhardshain. Also schaut sich der geneigte Beobachter das Objekt ein wenig näher an: geschlossener Aufbau, vielleicht zwei Meter breit und etwa mannshoch. An der linken Seite ist über die ganze Fläche, schräg ausgestellt, ein Solarpanel angebracht. Der einachsige Hänger ist aufgebockt, auf einer Seite fehlt das Rad. Noch mysteriöser wird das Ganze bei einem Blick auf das Nummernschild: Es ist ein französisches, mit Zulassung im Departement Nr. 11, Occitanie. Was, bitteschön, soll dieses südfranzösische Fahrzeug hier im Westerwald?

Erhellend wirkt ein Blick ins Rund: Nicht weit entfernt dreht sich ein kleines Windrad mit der Bezeichnung „Superwind“ auf einem vielleicht acht Meter hohen Masten, der von vier Stahlseilen gehalten wird, die im Boden befestigt sind. Offenbar handelt es sich also bei dem Ganzen um eine Windmessstation, was einleuchtet, denn auf dem Hümmerich soll ja eine Ansammlung industrieller Windanlagen entstehen, gegen die sich viele Bürger der Region wehren, unter anderem in der BI Hümmerich. Die BI hat auch eine Antwort parat, weshalb es sich um einen französischen Anhänger handelt. Dazu muss man jedoch ein wenig ausholen:

Den Bauantrag für die Windräder auf dem Hümmerich hat die Altus AG aus Karlsruhe gestellt. Das Unternehmen, das zu gleichen Teilen den Städten Mainz und Wiesbaden gehört, hat ein Leistungsspektrum rund um Windenergie und andere erneuerbare Energien, das die gesamte Projektentwicklung von der Standortsuche bis zum Anlagenbetrieb umfasst. Ebenfalls am Firmensitz der Altus AG, Kleinoberfeld 5 in Karlsruhe, befindet sich, neben zahlreichen anderen dort registrierten und assoziierten Firmen, auch die EMG EnergieManagement Verwaltungsgesellschaft mbH, die seit vielen Jahren als Komplementärin für verschiedenste Windpark- und andere Kommanditgesellschaften auftritt (oftmals mit Geschäftsführern aus dem Altus-Vorstand). So auch für die „Windparks Friesenhagen GmbH & Co. KG“ und die „Windpark Hümmerich GmbH & Co. KG“, die seit 2013 ihren Sitz an demselben Karlsruher Standort hat.

Die „Windpark Hümmerich GmbH & Co. KG“ ist dort auch heute noch registriert; allerdings hat 2019 die Komplementärin gewechselt. Es ist seither die „EDF EN Beteiligung GmbH“ in Pinneberg, ein Unternehmen mit ähnlicher Funktion wie die „EMG“. Auffallend dabei: die französischen Namen der Geschäftsführung. Das kommt nicht von ungefähr, denn EDF steht für „Électricité de France“. Das ist quasi der französische Energiekonzern, eine Aktiengesellschaft, die zu fast 83,6 Prozent dem Staat gehört (ca. 12,8 Prozent halten institutionelle Anleger und nur 2,1 Prozent ist in Streubesitz). Und die Pinneberger Beteiligungsgesellschaft ist ein Tochterunternehmen dieses Konzerns.

Haben sich nun die Investoren eine neue Komplementärin gesucht? Oder wollte die alte Komplementärin das Projekt loswerden? Welches Interesse hat der französische Energieriese daran, die Verwaltung einer Gesellschaft zu übernehmen, die Windräder auf dem Hümmerich betreiben will? Und warum steht jetzt dieser Anhänger aus Frankreich auf dem Hümmerich?
Die Antworten auf diese Fragen hängen zusammen, ist die BI Hümmerich überzeugt. Auf jeden Fall verdienen werde der Grundstückseigentümer, der zumindest die Pacht für das Gelände kassiert, vielleicht auch noch einige Gesellschaftsanteile mit in sein Portefeuille nimmt.

Die Altus AG werde als Projektierer ebenfalls ihren Schnitt machen, ist sich die BI Hümmerich sicher. Allerdings ist es offenbar schwierig, solide finanzkräftige Investoren zu finden, wie Altus schon beim Windpark Gebhardshain feststellen muss. Für den gab die „Breeze Two Energy GmbH & Co. KG“ den Auftrag. In deren Bilanz 2018 sind Verbindlichkeiten in Höhe von über 440 Millionen Euro und nicht durch Eigenkapital gedeckte Verluste der Kommanditistin in Höhe von mehr als 355 Millionen Euro ausgewiesen. Interessant dabei: Einzige Kommanditistin ist eine Gesellschaft auf dem Cayman Islands – mit einer Mindesteinlage in Höhe von nur 500 Euro.



Breeze Two Energy GmbH & Co. KG finanziert sich über Bonds in drei Tranchen am Kapitalmarkt, erklärt die BI Hümmerich weiter. Das eigene Liquiditätsrisiko bewertet die Breeze Two Energy GmbH & Co. KG im Jahresabschluss 2018 so: „Die erwirtschafteten Erträge und somit auch vorhandene Liquidität der Vergangenheit waren nicht ausreichend, um die Verbindlichkeiten aus der bereitgestellten Finanzierung in vollem Umfang zu begleichen. Hinzu kommen derzeit noch nichtvollumfänglich absehbare, in künftigen Jahren erwartete Verpflichtungen aus dem Rückbau der Anlagen. Diese Situation wird sich voraussichtlich auch mittelfristig nur in geringem Maße ändern. Sollte sich die Liquiditätslage verschlechtern, kann hierdurch ein existenzielles Risiko entstehen. Eine Bestandsgefährdung entsteht insbesondere auch dann, wenn die Verpflichtungen aus der A-Tranche nicht mehr bedient werden kann oder die derzeit bestehende Stundung der sonstigen Verbindlichkeiten (B- und C-Tranche) entfällt.“ Frage der BI Hümmerich am Rande: Wer baut dann jemals die Anlagen in Gebhardshain zurück?

Es ist jedenfalls vorstellbar, meint die BI Hümmerich, dass Altus sich von solchen Konstrukten und Investoren lieber fernhält. Da ist eine Gesellschaft, hinter der der französische Staat steht, doch etwas ganz anderes, was Solides, immerhin liefert die Électricité de France (EDF) bis zu über 20 Prozent des europäischen Stroms und ist über andere Gesellschaften nicht nur an Windparks, sondern auch an etlichen weiteren Energieprojekten in Deutschland beteiligt. Auf ihren Internetseiten rühmt sich der Konzern: „Da 90 Prozent ihrer Elektrizitätsproduktion überhaupt kein CO2 emittieren, kann die EDF Gruppe zurecht für sich beanspruchen, der Champion des kohlenstoffarmen Wachstums zu sein.“

Allerdings geschieht dies, wie der Leser auf der gleichen Seite erfährt, dadurch, dass 78 Prozent des Stroms, den die EDF erzeugt, aus Atomenergie stammen. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Im Gegensatz zu Deutschland, wo es bald keine Atomkraftwerke und kaum mehr andere grundlastfähige Kraftwerke geben wird, unterhält Frankreich weiterhin Kernenergie. Die erneuerbaren Energien Sonne und Wind sind hingegen volatil: Weht kein Wind oder scheint keine Sonne, gibt es keinen Strom, was oft genug vorkommt. Es muss hinzugekauft werden. Wohl dem, der da Kraftwerke zur Verfügung hat, die nur etwas höher gefahren werden müssen, um in Deutschland den benötigten, knappen Strom dann zu entsprechend teureren Preisen zu verkaufen. Umgekehrt funktioniert das genauso gut: Scheint die Sonne, weht der Wind, haben wir in Deutschland Überproduktion. Wind- und Solarparkbetreiber braucht das, dank staatlich zugesicherter Abnahmegarantien, nicht zu stören. Wohin aber mit dem überschüssigen Strom? Ganz einfach: In Frankreich fährt man die Kernkraft etwas herunter und kauft ganz günstig ein, was Staat, Steuerzahler und Stromkunden in Deutschland teuer subventioniert haben. Ein Milliarden-Geschäft. Kein Wunder, dass man in Frankreich großes Interesse daran hat, dass in Deutschland Windparks entstehen.

Die Altus AG hat übrigens vor kurzem noch fehlende Unterlagen zu ihrem Bauantrag nachgereicht. Sie werden im Moment bei der Kreisverwaltung in Altenkirchen auf Vollständigkeit geprüft. Sollte diese gegeben sein und aus Sicht der Verwaltung keine immissionsschutzrechtlichen oder andere Bedenken bestehen, müssten die Anlagen genehmigt werden. Die BI Hümmerich appelliert an alle Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, sich der Zerstörung von Natur und Landschaft am Hümmerich durch die geplanten Windräder zu widersetzen, und ruft die Bevölkerung auf, dafür zu kämpfen, dass der Hümmerich auch künftig windradfrei bleibt.

Ah ja, der Anhänger. Ein BI-Mitglied meint, dass die Franzosen den Deutschen offenbar nicht trauen, was die Windprognosen für den Hümmerich betrifft, und deshalb lieber selber nachmessen. So groß ist die Windhöffigkeit hier ja wirklich nicht. (PM)



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