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Nachricht vom 15.12.2020    

CDU-Vorsitz: Röttgen prophezeite 2015 in Wissen „Riesenzoff“ wegen Flüchtlingskrise

Von Daniel-David Pirker

Der 31. August 2015 ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Unvergessen die Aussage der Kanzlerin: „Wir schaffen das!“. Wenige Stunden später redete im Wissener Kulturwerk auch Norbert Röttgen zu dem Thema – und bewies dabei prophetische Fähigkeiten. In einem Monat könnte er nun die Nachfolge Merkels nicht nur im CDU-Vorsitz antreten. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir den damaligen Artikel über den Auftritt des Rheinländers erneut.

In einem Monat CDU-Vorsitzender und später vielleicht Kanzlerkandidat? Norbert Röttgen 2015 im Wissener Kulturwerk. (Foto: ddp)

Wissen. (Aus dem Archiv) Wenige Stunden nach der Pressekonferenz von Angela Merkel widmete sich auch die Kreis-CDU der Flüchtlingswelle. Referent Norbert Röttgen gab erst gar nicht vor, ein Allheilmittel zu kennen. Vielmehr lieferte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag mögliche Lösungsansätze und eine ausführliche Analyse. Aus dem Politiker sprachen Leidenschaft und Sorge. Es ging um das Thema, das Deutschland derzeit, wie kein anderes beschäftigt: die rund 800.000 Flüchtlinge, die nach Deutschland strömen, und wie mit ihnen umgegangen werden soll.

Die Stimmung könne von heute auf morgen kippen. „Wenn wir nicht ganz eilig etwas machen, kracht uns der Laden zusammen.“ Es werde „Riesenzoff“ geben. Röttgen vermisste auf der heutigen Pressekonferenz der Kanzlerin Lösungsansätze für die Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Der forsche Auftritt Röttgens im Frageteil bildete einen krassen Kontrast zur vorangegangen Rede des prominenten Referenten auf der CDU-Veranstaltung. Wobei Rede vielleicht der falsche Begriff ist für das was Nobert Röttgen den zahlreichen Zuhörern im Foyer im Wissener Kulturwerk präsentierte. Vielmehr handelte es sich um eine Analyse, die erklärte, wie es überhaupt zu der Flüchtlingswelle kommen konnte und einen Gesamtüberblick der Krisen, die in den letzten Jahren Deutschland und die EU beschäftigten. Auch wenn es zwischenzeitlich so stickig wie in einem Bierzelt war, ein populistischer Einheizer à la Lafontaine wird aus dem 50jährigen nicht mehr.

Flüchtlinge schnell integrieren

Und sicher, Lösungsvorschläge gab es auch von „Muttis Klügstem“, wie Röttgen zumindest noch genannt worden war bis zu seinem Kabinettsrauswurf durch die Kanzlerin – insbesondere nachdem Vorschläge von den Fragestellern im Schlussakt der Veranstaltung eingefordert worden waren. Aber der ehemalige Politik-Aufsteiger wollte selbst allenfalls von Lösungsansätzen sprechen. Röttgen sagte zum Beispiel, dass die Flüchtlingsfrage ein hohes Maß an Flexibilität und unkonventionellem Handeln erfordere – so hoch, wie man es sich heute noch gar nicht vorstellen könne. Und war dabei ganz bei der Kanzlerin.

Gleiches galt für seine Ablehnung eines Einwanderungsgesetzes. Ein solches würde zum jetzigen Zeitpunkt eine falsche Botschaft „nach innen und außen“ setzen und zudem auf wenig Zustimmung stoßen. Immerhin dürften Qualifizierte bereits jetzt schon einwandern.

Vielmehr müsse sich um die schnelle Integration der Flüchtlinge gekümmert werden. Dazu gehörten ein früher einsetzender Sprachunterricht und zeitnähere Arbeitserlaubnisse. Schließlich würden die wenigsten in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Vor diesem Hintergrund erinnerte Röttgen auch daran, dass viele der syrischen Flüchtlinge eine Berufsausbildung vorweisen könnten.

Problem in absehbarer Zeit nicht lösbar

Und das – spätestens, wenn die Temperaturen fallen werden – heiße Eisen Unterbringung? Hier ist sich Röttgen sicher: „Das schaffen wir.“ Landrat Lieber signalisierte da von der ersten Reihe aus Zustimmung für den Kreis Altenkirchen. Tatsächlich ist er zuversichtlich, dass keine Containerunterbringungen nötig sein werden, wie sich im späteren Gespräch mit dem AK-Kurier herausstellen sollte.



Gleichzeitig gibt Röttgen keine Entwarnung was den zukünftigen Zustrom von Asylsuchenden angeht: Das Problem sei in absehbarer Zeit nicht lösbar. Der Trend werde bleiben. Aber man könne Symptome zumindest lindern. Und dazu gehört laut dem Außenpolitiker auch das Problem an den Wurzeln zu packen. Damit zielte Röttgen noch nicht einmal hauptsächlich darauf ab, Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären oder Anerkennungsverfahren bereits in Nordafrika einzuführen.

Während er Ersteres begrüßt, denkt er über Letzteres nur nach – auch weil dies anscheinend nur mit rechtlichen Umwegen realisierbar wäre.
Ein Lösungsansatz Röttgen ist es auf jeden Fall, die Wirtschaft der Staaten, aus denen geflüchtet wird, zu unterstützen. Wie das genau aussehen soll, erklärte er nicht. Umso konkreter wurde seine Analyse, wie es überhaupt zu der Flüchtlingswelle kommen konnte. Ein Grund: Die demografische Entwicklung in Afrika. Allein die Hälfte des weltweiten Bevölkerungswachstums spiele sich auf dem Kontinent ab.

Krisen trafen Politik unvorbereitet

Röttgen machte vor allem aber den Zerfall der nordafrikanischen Staaten verantwortlich: Libyen sei völlig ohne Regierungsgewalt oder Syrien praktisch zerfallen. Nun dringe der „Islamische Staat“ (IS) mit seiner Terrorherrschaft in das Machtvakuum hinein. Und die deutsche und europäische Außenpolitik laufe dieser Krise praktisch nur hinterher.

Überhaupt: die Krisen der letzten Jahre. Sie hätten die Politik in ihrer Gleichzeitigkeit unvorbereitet getroffen. Zumindest die Flüchtlingswelle sei früher absehbar gewesen mit Blick auf die Entwicklungen in Nordafrika oder dem Massensterben im Mittelmeer. Eine Einschätzung, die der CDU-Kreisvorsitzende Josef Rosenbauer ebenfalls zu Beginn der Veranstaltung geäußert hatte.

Innen- und Außenpolitik hängen zusammen

Grundsätzlich müsse auf EU-Ebene Fairness in Sachen Flüchtlingsverteilung eingefordert werden, sagte Röttgen. Sicher, einfacher gesagt als realisiert. Das hat laut dem Bundestagsabgeordneten aus dem Rhein-Sieg-Kreis auch mit den angewachsenen scharfen Interessensgegensätzen zu tun, die mittlerweile zwischen vielen EU-Staaten bestehen. Kein Wunder. Denn die letzten Jahre hätten Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Es sei eine neue Mentalität gewachsen bei den Nationalregierungen, die vor allem nur noch auf den Applaus der eigenen Bevölkerung schiele.

Und mit Blick auf die Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen mit der IS, nämlich den Hundertausenden, die nach Deutschland flüchten, wird den Zuhörern noch ein weiterer Satz Röttgens lange in Erinnerung bleiben: „Innen und außen kann man nicht mehr trennen.“ (ddp)

Der Artikel wurde am 1. September 2015 hier veröffentlicht. Für die Wiederveröffentlichung haben wir den Text leicht angepasst und gekürzt.


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